Ulrich Vomhof ist seit zehn Jahren Gesamtschulleiter in Nordkirchen „Wink des Schicksals“

Ulrich Vomhof ist seit zehn Jahren Gesamtschulleiter: „Wink des Schicksals“
Lesezeit

Es ist der 14. Februar 2013. Die erweiterte Schulkonferenz der Johann-Conrad-Schlaun-Gesamtschule tagt abends. Auf der Tagesordnung: die Wahl des neuen Schulleiters. Nach der Pensionierung von Dieter Tigges ein notwendiger Schritt.

Die Schulkonferenz und später auch der Rat wählen Ulrich Vomhof zum neuen Leiter. Der hat Gesamtschulerfahrung, leitete er doch bis dato die Käthe-Kollwitz-Gesamtschule in Lünen-Süd. Am Montag nach den Osterferien 2013 tritt er sein Amt an. Ein Gespräch mit dem 55-Jährigen zehn Jahre danach.

Herr Vomhof, wie war das damals vor zehn Jahren, als Sie Ihren ersten Schultag in Nordkirchen hatten? Welche Gefühle standen im Vordergrund?

Es war eine große Portion Vorfreude. Allein deshalb, weil ich von Herbern aus deutlich schneller an meinem neuen Arbeitsplatz war als an meinem alten. Und es war positive Aufregung. Mir war schon klar, das ganz viel neu und anders sein würde. Auf der anderen Seite war es ja genau das, was mein Motiv war, mich damals hier in Nordkirchen um die Leitung zu bewerben.

Was war der Grund für die Bewerbung?

Es war nicht so, dass ich unglücklich in Lünen-Süd gewesen bin. Im Gegenteil, ich habe mich dort sehr wohl gefühlt. Aber es war meine erste Stelle als Lehrer. 1997 habe ich an der Käthe-Kollwitz-Gesamtschule angefangen. Ich habe dann vom Junglehrer bis zum Schulleiter alle Etappen absolviert. Damals, 2013, war ich dann an einem Punkt, an dem ich dachte, dass ich dort entweder pensioniert werde oder mich nach etwas anderem umschaue. Wie es der Zufall wollte: Als ich innerlich so weit war, zu sagen, ich könnte mir vorstellen, mich in den nächsten Jahren nochmal umzuorientieren, bekam ich mit, dass in Nordkirchen die Leitung vakant war. Im Rückblick war es ein Wink des Schicksals.

Das war bei der Einführung als Gesamtschulleiter im April 2013: Von Bürgermeister Dietmar Bergmann bekommt Ulrich Vomhof - Hobby-Marathonläufer - ein Schweißband geschenkt.
Das war bei der Einführung als Gesamtschulleiter im April 2013: Von Bürgermeister Dietmar Bergmann bekommt Ulrich Vomhof - Hobby-Marathonläufer - ein Schweißband geschenkt. © Arndt Brede (Archiv)

Der Valentinstag ist ja der Tag der Liebenden. Die Liebe zwischen der Johann-Conrad-Schlaun-Gesamtschule Nordkirchen und Ulrich Vomhof besteht also noch.

Definitiv. Stärker als je zuvor. Die Arbeitsbedingungen hier in Nordkirchen sind so, dass ich mir kaum vorstellen kann, dass es in ganz Nordrhein-Westfalen eine Schule gibt, wo es ähnlich ist. Da ist ganz persönlich die Nähe zum Wohnort. Dass ich jeden Morgen mit dem Fahrrad hier hin komme.

Bei Wind und Wetter?

Ja, allerdings mit dem E-Bike. Da geht das schon los. Dann gibt es hier ja ein wunderbares Schulumfeld, sowohl vom Gebäude als auch von der Ausstattung her. Das Verhältnis zum Schulträger ist ein ausgesprochen gutes. Ich weiß es sehr zu schätzen, dass eine Gemeinde wie Nordkirchen mit relativ begrenzten Ressourcen bereit ist, sowohl Politik als auch Verwaltung, so viel in diese Schule zu investieren, immer die Wertschätzung deutlich zu machen, wie wichtig die Schule ist. Als Schule, aber auch mit dem Forum als Veranstaltungsstätte. Ein weiterer Aspekt ist, dass wir hier eine ausgesprochen nette und leistungsbereite Schülerschaft haben. Dass wir auch die Kinder aus den Dörfern und kleinen Städten aus der Umgebung bekommen, ist eigentlich immer eine bewusste Entscheidung der Eltern, sich für unsere Schule zu entscheiden. Ich habe ein wunderbares Schulleitungsteam, das sich in den letzten zehn Jahren wegen Pensionierung oder Umorientierung der Lehrerinnen und Lehrer in diesem Team komplett gewandelt hat. Und, in der Wertigkeit ganz weit oben: Ich kann mit dem Kollegium sehr vertrauensvoll zusammenarbeiten. Wir haben eine gemeinsame Vorstellung, was eine gute Schule ist und welche Richtung wir gehen wollen. Das macht schon richtig viel Spaß. Heute, nach zehn Jahren, kann ich sagen, dass es genau so gekommen ist, wie ich es mir gewünscht habe.

Kannten Sie vor zehn Jahren die Gesamtschule Nordkirchen?

Ich kannte sie nicht. Sie hatte einen guten Ruf, auf den man als Gesamtschulleiter in Lünen neidisch geblickt hat. Aber zur Gesamtschule Nordkirchen hatte ich bis dato keine Verbindung.

Sie haben den Ruf der Gesamtschule Nordkirchen angesprochen. Wie groß ist der Druck, der auf Ihnen als Schulleiter lastet, den Ansprüchen, den die Eltern haben, die sich ja bewusst für Nordkirchen entschieden haben, gerecht zu werden?

Es wäre unredlich, zu sagen, dass er nicht da ist. Es wäre aber auch genauso unredlich, zu sagen, dass er ständig präsent ist. Man merkt das selber, je näher die Anmeldungen kommen. Das ist solch eine Situation, wo sich das auch in Zahlen niederschlägt. Da ist die Frage, wie viele Anmeldungen es gibt. Das ist ja immer ein Indikator für eine Schule. Wir sind uns aber unserer Verpflichtung bewusst und stellen uns ihr. Wir glauben schon, dass unser pädagogisches Konzept auch so tragfähig ist, dass wir dem Druck standhalten können.

Vor Ulrich Vomhof liegen große Herausforderungen als Leiter der Gesamtschule Nordkirchen.
Vor Ulrich Vomhof liegen große Herausforderungen als Leiter der Gesamtschule Nordkirchen. © Arndt Brede

Sie sind Marathonläufer, haben also den langen Atem. Haben Sie frühzeitig erkannt, was sich an der Gesamtschule Nordkirchen verändern muss?

In erster Linie ist es - neben allen fachlichen Dingen - unser Auftrag, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich jedes einzelne Kind wohlfühlen und auch so entwickeln kann, wie es die Möglichkeiten hat. Bei uns sind viele Wege für die Schülerinnen und Schüler offen. Das war aber auch so, als ich hier angefangen habe. An die große Weichenstellung musste man also nicht ran. Aber es gab natürlich Entwicklungen, die wir hier angestoßen haben. Stichwort Digitalisierung. Wir haben jetzt in jedem Klassenraum einen großen Bildschirm. Gleichzeitig haben wir aber auch noch Tafeln. Es ist dieses Nebeneinander, das gut ankommt. Klar ist aber auch, dass der Anteil des Digitalen größer geworden ist als vor sechs, sieben Jahren.

Die Schulentwicklungsplanung sah zu Beginn Ihrer Amtszeit eigentlich Probleme auf die Gesamtschule Nordkirchen zukommen, ihre Vierzügigkeit perspektivisch zu halten.

Das hat dazu geführt, die Kooperation mit der Profilschule Ascheberg anzustreben, um beide Schulen am Leben zu erhalten. Das ist damals gescheitert. Letztendlich können beide Schulen fantastisch leben. Wir hatten in diesem Jahr so viele Anmeldungen wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Im Kreis Coesfeld wird neben Nordkirchen nur noch Olfen eine positive Bevölkerungsentwicklung prognostiziert. Das kommt der Gesamtschule Nordkirchen entgegen, oder?

Ja. Aber das ist auch ein Dilemma. So sehr wir uns über hohe Anmeldezahlen freuen, ist doch die andere Seite der Medaille, dass fast 60 Familien keinen Platz bei uns bekommen haben, dass wir relativ viele Absagen für Familien aus Nordkirchen, Südkirchen und Capelle haben. Wobei das schulrechtlich bedingt ist, dass wir die Nordkirchener nicht bevorzugen können. Das ist schon traurig. Aber perspektivisch mache ich mir keine Sorgen um die Zukunft unserer Schule.

Wo sehen Sie denn Aufgabenfelder für die nächsten Jahre?

Was eine Herausforderung für die Zukunft ist: Digitalisierung hat im Prinzip zwei Seiten. Das eine ist die Hardware. Da stehen wir super da. Wir haben leistungsstarkes W-Lan. Die technische Ausstattung in den Räumen ist gut. Wir haben mittlerweile so viele iPads, dass die Kollegen und Kolleginnen sie jederzeit im Unterricht einsetzen können. Der Schritt, den wir schon gegangen sind, der aber noch deutlich weiter geht, ist die Pädagogisierung der Digitalisierung. Dass man wirklich guckt, an welchen Stellen des Unterrichts man Digitalisierung für das individuelle Lernen nutzen kann. Fakt ist: Wir haben Schülerinnen und Schüler mit ganz unterschiedlichen Kompetenzen. Da bietet Digitalisierung eine Chance, individuelle Lernzugänge zu schaffen. Sodass jeder auf seinem Niveau am gleichen Thema arbeitet. Bei diesen Entwicklung sind die Schulbuchverlage und die, die Lernmedien zur Verfügung stellen, auf dem Weg.

Welche Träume und Pläne haben Sie persönlich?

Mein größter Wunsch wäre, dass ich hier als Schulleiter nochmal so zehn Jahre erleben darf. Was ich tue - die Schule leiten und Deutsch und Geschichte zu unterrichten - macht mir unendlich viel Spaß. Zu meinem Wohlbefinden trägt wesentlich bei, dass wir eine ganz nette und sehr konstruktive, positiv der Schule gegenüber eingestellte Elternschaft haben, mit der man hervorragend zusammenarbeiten kann.

Gesamtschule Nordkirchen hat Raumbedarf: „Oberstufe permanent am Limit“

170 Anmeldungen an der Gesamtschule Nordkirchen: 54 Mädchen und Jungen nicht angenommen

Gesamtschuldiskussion in Selm: Nordkirchens Bürgermeister bleibt gelassen