Ein Passagierflugzeug startet in die aufgehende Sonne in Düsseldorf.

Klimaschutz ja, aber muss es denn zur Urlaubszeit sein? © picture alliance/dpa

Wenn das Umweltbewusstsein in der Urlaub fliegt ...

rnSerie: Unser Klima

Freizeit und Natur: Viele Menschen versicherten in der Coronakrise, sie wollten auch mehr fürs Klima tun und weniger in den Urlaub fliegen. Doch ein Blick nach Düsseldorf offenbart anderes.

von Julia Marie Braun

26.10.2022, 04:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Beim Fliegen ist nach der Pandemie vor der Pandemie. Denn wenn der Klimaschutz persönliche Opfer erfordert, verhalten sich viele Menschen nicht so, wie sie es gern von sich behaupten. Und nachdem die Start- und Landebahnen durch Corona zum Erliegen kamen, ziehen die Zahlen der Reisenden wieder an. Das zeigen auch unsere Auswertungen der Flugbewegungen am Flughafen Düsseldorf, dem größten Flughafen in NRW.

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Die Entwicklung in Zahlen – bis Frühjahr 2021

2010 flogen über das Drehkreuz Düsseldorf ungefähr 216.000 Flugzeuge. Das zeigen Zahlen, die der Airport zwischen 2010 bis 2020 veröffentlicht hat. Die Start- und Landebewegungen blieben bis zum Beginn der Corona-Pandemie in etwa gleich. Der tiefste Stand war im Jahr 2015 – da flogen immer noch etwa 210.000 Maschinen die Landeshauptstadt an und starteten von dort. Gegen Ende des Jahrzehnts, also kurz vor der Pandemie, erreichten die Werte 2019 einen neuen Höchststand: 226.000 Flugzeuge.

Und während im gleichen Jahr die Proteste der Fridays for Future-Bewegung starteten und die Aufmerksamkeit für den Klimawandel deutlich wuchs, stieg die Zahl der Flugbewegungen um mehr als 7000 Maschinen an. In keinem anderen Jahr gab es einen solchen Sprung. Zu diesem Zeitpunkt lag das Verhältnis von Business- und Touristenflügen übrigens bei jeweils etwa 50 Prozent.

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Das alles änderte sich mit der Corona-Pandemie. 2020 flogen noch 79.000 Maschinen von Düsseldorf aus – etwas weniger als ein Drittel der durchschnittlichen Werte zwischen 2010 und 2019. Obwohl das noch immer zum Ausstoß von reichlich Treibhausgasen führte, spricht der Flughafen selbst von dieser Zeit als „existenzielle Bedrohung.“ So „wenige“ Flüge habe es zuletzt im Jahr 1978 gegeben. Was also das Klima schädigt, ist wirtschaftlich für den Airport überlebenswichtig.

Wo sich die Natur entspannt durch weniger Tourismus

Diese Erfahrungen hat man auch in Venedig gemacht. In der Touristenstadt Venedig konnten die Einheimischen erleben, wie sich ihre Heimat in der Pandemie ökologisch erholte. Zuvor war der Lagunenort mit mehreren Zehntausend Menschen täglich überladen und durch die Treibhausgase der großen Kreuzfahrtschiffe belastet. Sogar Delfine kamen in die Buchten zurück, was viele Menschen weltweit begeisterte. Andernorts kamen Tiere in die Städte – manche um Nahrung zu suchen, andere, weil kaum noch Touristen durch die Straßen liefen.

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Der Tourismus-Stopp durch die Pandemie löste erzwungenermaßen klima- und naturfreundliches Verhalten aus, das es ohne sie vermutlich nie so gegeben hätte. All das hat allerdings auch seinen Preis – denn die Menschen in Venedig sind von den Einnahmen durch Touristen abhängig. Inzwischen kehren die Reisenden zurück - gute Vorsätze zum Klimaschutz dahingestellt.

Einige Umfragen aus der Pandemiezeit zeigen, dass die Menschen an die Klima-Erfolge der Lockdowns anknüpfen wollten: So zum Beispiel der Zukunftsmonitor der Stiftung Zukunftsfragen aus dem Jahr 2021. Er kam bei einer Befragung zu dem überraschenden Ergebnis, dass etwa zwei Drittel der Menschen planen, nicht mehr jedes Jahr in den Urlaub zu fahren. 1991 waren das nur 31 Prozent, also eine Steigerung um das Doppelte innerhalb von 30 Jahren. Einem Zeitraum, in dem der Klimawandel immer präsenter wurde.

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Trotz Klimaschutz im Bewusstsein: Reisen als wäre nichts gewesen

Doch in den Sommermonaten im vergangenen Jahr stieg die Reiselust mit den Lockerungen der Corona-Beschränkungen prompt wieder an – im Juli 2021 um 62 Prozent im Vergleich zum Juli 2020. Und seit April 2022 gibt es einen regelrechten Boom. Im April 2022 starteten und landeten etwa 11.300 Maschinen in Düsseldorf, 300 Prozent mehr als noch im April vergangenen Jahres. Täglich 380 Flugzeuge – dabei ist der April gar keine typische Reisezeit.

Davon abgesehen davon, dass nicht jeder die finanziellen Möglichkeiten hat, jährlich in den Urlaub zu fliegen: Nur weil Menschen sagen, sie wollten nicht mehr so häufig in den Urlaub fahren, bedeutet das nicht, dass sie das auch so umsetzen. Das heißt im Wissenschafts-Englisch „Attitude-Behavior-Gap“ - eine Lücke zwischen verkündeter Absicht und dem eigenen Verhalten. Ob sich daran mit der Verschärfung der Klimakrise und der gegenwärtigen Energiekrise etwas ändert, ist völlig offen.

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