Wehrpflicht in Deutschland: Alles, was Sie wissen müssen

Krieg in der Ukraine

2011 wurde die Wehrpflicht ausgesetzt. Seitdem hat es die Bundeswehr schwerer, Männer und Frauen für den Dienst zu gewinnen. Der Ukraine-Krieg stößt eine bekannte Diskussion neu an.

Berlin

, 08.03.2022, 15:00 Uhr / Lesedauer: 3 min
Deutsche Soldaten in der Grundausbildung (Symbolbild). Vor dem Hintergrund des aktuellen Krieges in der Ukraine mehren sich die Stimmen nach der Wiedereinführung der Wehrpflicht.

Deutsche Soldaten in der Grundausbildung (Symbolbild). Vor dem Hintergrund des aktuellen Krieges in der Ukraine mehren sich die Stimmen nach der Wiedereinführung der Wehrpflicht. © picture alliance / Stefan Sauer/dpa-Zentralbild/dpa

Der russische Angriff auf die Ukraine hat eine Debatte neu ausgelöst, die seit über einem Jahrzehnt in der Öffentlichkeit praktisch keine Rolle gespielt hat: die über eine Wehrpflicht in Deutschland. 2011 hatte die damals regierende schwarz-gelbe Bundesregierung unter Führung von Angela Merkel die Dienstpflicht ausgesetzt. Könnte die allgemeine Wehrpflicht jetzt wiederkommen? Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Thema.

? Was ist eine allgemeine Wehrpflicht?

Die Wehrpflicht ist die Pflicht, in den Streitkräften eines Staates zumindest einen gewissen Zeitraum zu dienen. In Deutschland ist die Wehrpflicht 1955 mit der Gründung der Bundeswehr eingeführt worden. Bis zu ihrer Aussetzung ab dem 1. Juli 2011 stand sie im Grundgesetz festgeschrieben.

Prof. Dr. Peter Steinbach, Historiker und Politikwissenschaftler, schrieb über die Wehrpflicht bei der Bundeszentrale für politische Bildung: „Der Wehrpflicht kommt in einem demokratischen System eine besondere symbolische Bedeutung zu. Sie fordert von den Wehrpflichtigen die Bereitschaft, wenn nicht das eigene Leben so doch Lebenszeit für das Gemeinwesen zu opfern. In Deutschland galt die Wehrpflicht sogar als Ausdruck besonderer Verantwortung des wehrpflichtigen Bürgers für seinen Staat.“

? Wer musste den Wehrdienst verrichten?

Alle jungen Männer ab 18 Jahren, die gesund waren, wurden zum Wehrdienst herangezogen. Der Dienst bei den Truppen dauerte in Deutschland ein Jahr. Es gab für junge Männer, die den Wehrdienst aus Gewissensgründen ablehnten, ab 1968 die Möglichkeit, ein Jahr lang einen Zivildienst beispielsweise in einer Pflegeeinrichtung zu verrichten.

? Warum gibt es die Wehrpflicht nicht mehr?

Die weltpolitische Lage sowie die Situation der Bundeswehr hatten sich in den Jahrzehnten nach dem Kalten Krieg entscheidend gewandelt. Die Regierung veränderte daher die Bundeswehr grundlegend und formierte sie zu einer Berufs- beziehungsweise Freiwilligenarmee um. In diesem Zuge setzte sie die Wehrpflicht 2011 aus. Endgültig abgeschafft ist die Wehrpflicht aber nicht.

So hat sich die Personalstärke der Bundeswehr in den vergangenen Jahrzehnten verändert.

So hat sich die Personalstärke der Bundeswehr in den vergangenen Jahrzehnten verändert. © dpa

? Wäre es möglich, die Wehrpflicht kurzfristig wieder einzuführen?

Die allgemeine Dienstpflicht kurzfristig wieder einzusetzen, wäre nicht möglich. „Die Strukturen für die Musterung und Ausbildung müssen wieder aufgebaut werden“, sagte der Präsident des Reservistenverbands und CDU-Politiker Patrick Sensburg. Auf Dauer wäre es aber möglich, das wieder hin zu bekommen.

? Wer setzt sich für die Wiedereinführung der Wehrpflicht ein?

Politiker aus Union und SPD forderten im Hinblick auf den Krieg der russischen Föderation gegen die Ukraine eine Diskussion darüber, die Wehrpflicht wiedereinzuführen – allerdings als einen Schritt, der Wehrdienst und soziale Dienste vereint. Der Sicherheitsexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Wolfgang Hellmich, sagte der „Rheinischen Post“: „Die Debatte über eine allgemeine Dienstpflicht müssen wir dringend führen. Denn dafür brauchen wir einen gesellschaftlichen Konsens.“ Er sagte, eine Dienstpflicht würde den Gemeinsinn fördern.

? Könnte es Erleichterungen für Wehrpflichtige geben?

Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Johann Wadephul (CDU), fordert den „Ausbau des Bundesfreiwilligendiensts zu einem allgemeinen Dienst in der Bundeswehr und anderen Blaulichtorganisationen“. „Wenn dieser Dienst finanziell attraktiv gemacht wird und konkrete Vorteile wie das Ansammeln von Rentenpunkten oder ein erleichterter Zugang zu Studien- oder Ausbildungsplätzen geschaffen werden, haben wir die Chance, sehr viel mehr Personal anzuwerben“, sagte Wadephul der „Welt“.

Verteidigungsministern Christine Lambrecht (SPD) sagte dazu am Sonntag in der ARD: „Ich glaube nicht, dass die Wehrpflicht uns gerade in der aktuellen Diskussion jetzt wirklich weiterhilft. Das wäre eine große Reform, es wären auch große rechtliche Fragen zu klären.“ Sie erwähnte die Frage, ob dann auch Frauen zum Dienst bei der Bundeswehr verpflichtet werden sollten.

? Wie könnte sich die Bundeswehr verändern?

Generalinspekteur Eberhard Zorn stellte die Bundeswehr unterdessen am Dienstag auf tiefgreifende Veränderungen ein. Der rücksichtslose Angriffskrieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin gegen die Ukraine habe eine neue Realität geschaffen, schrieb Deutschlands ranghöchster Soldat an die Truppe.

Die Wehrpflicht wiedereinzuführen, lehnt Zorn aber ab. „Die Wehrpflicht so, wie wir sie noch kennen, ist in der jetzigen Situation nicht erforderlich“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Die Bundeswehr und ihre Aufgaben hätten sich verändert. „Für den Kampf im Cyberraum, um nur ein Beispiel zu nennen, sind Wehrpflichtige absolut ungeeignet“, erklärte Zorn. „Wir brauchen gut ausgebildetes, in Teilen sogar hochspezialisiertes Personal, um das gesamte Aufgabenspektrum abzudecken.“

mit dpa

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