Nelsons dirigierte ein Gewandhaus mit Silberklang
Konzerthaus Dortmund
Andris Nelsons kam als neuer Gewandhaus-Kapellmeister ins Konzerthaus Dortmund. Und das klang besonders.

Andris Nelsons (4.v.l.) und Pianist Yefim Bronfman am Flügel mit dem Gewandhausorchester in Dortmund Foto: Gewandhaus/Steiner
Seit gerade einmal drei Monaten ist Andris Nelsons Gewandhauskapellmeister – der 21. in der Geschichte des vor 275 Jahren gegründeten, ältesten bürgerlichen Orchesters der Welt.
Der Klang verändert sich
Am Maifeiertag führte der 39-jährige Lette sein Orchester ins Konzerthaus. Wie Nelsons den Klang der Leipziger verändern wird, wenn er zum Beispiel einen Bruckner-Zyklus einspielt, wird spannend für das Publikum, das in der nächsten Saison das Gewandhaus mit seinem neuen Chef vier Mal in Dortmund erlebt.
Am Dienstag klang das Orchester sehr silbrig, mit einer dominanten ersten Geigengruppe. Vom berühmten, dunklen Masur-Gewandhausklang war selbst in Brahms‘ vierter Sinfonie wenig zu hören. Dafür ließ Nelsons das Werk sehr differenziert, kontrastreich und klug strukturiert spielen.
Ein schönes Orchesterlandschaftsgemälde
Vor zehn Jahren hätte er die Sinfonie viel wilder und impulsiver dirigiert; inzwischen ist er ein Dirigent, der viel über Musik nachdenkt, das Orchester immer noch mit der geballten Faust motiviert, aber mehr auf Details achtet.
Und ein Dirigent, der die innere Ruhe hat, um den langsamen Satz richtig schön romantisch und brahmsig als weiches Orchesterlandschaftsgemälde auszubreiten. Das war großartig.
Wie auf Wolken musiziert
Eröffnet hatten die Leipziger das Abonnenten-Lieblingsprogramm mit dem fünften Klavierkonzert des Komponisten, der Brahms hadern ließ, überhaupt Sinfonien zu schreiben: Beethoven. Der 60-jährige Amerikaner Yefim Bronfman passte sich mit anfangs zurückhaltendem Spiel in den Silberklang des Orchesters gut ein.
Im ersten Satz klang das noch etwas akademisch. Im Adagio setzte er dann stärker eigene Akzente. Gefühlvoll wie auf Wolken musiziert, klang dieser Satz auch im Orchester. Debussys „Claire de lune“ ist offenbar Bronfmans Lieblings-Zugabe, die er auch zuletzt in Dortmund gespielt hat. Aber immer wieder schön.