Was bringt eigentlich die Landesgartenschau?
Teure "Blümchenschau"
Die Landesgartenschau 2020 findet in Kamp-Lintfort statt. In Castrop-Rauxel, Herne, Herten und Recklinghausen ist die Enttäuschung groß - dort hatte man sich gemeinsam um die "Laga" beworben. Aber muss man in der Emscherregion wirklich traurig sein? Bringt so eine teure "Blümchenschau" überhaupt etwas? Wir haben nachgefragt.

Das Luftbild zeigt die Gartenanlage des Kloster Kamp in Kamp-Lintfort. Die Stadt am Niederrhein richtet die Landesgartenschau 2020 aus. Die ehemalige Bergbau-Kommune will die Schau auf dem ehemaligen Zechengelände mitten im Zentrum sowie auf dem Berg Kamp mit seinem Zisterzienserkloster ausrichten.
Anruf bei Heiner Cloesges vom Bund der Steuerzahler NRW. Der Diplom-Volkswirt hatte die Landesgartenschauen 2011 in einer Stellungnahme zur Haushalts- und Finanzpolitik des Landes massiv kritisiert und gefordert, sie seltener stattfinden zu lassen - oder besser gleich ganz darauf zu verzichten.
Aber, so Cloesges heute: "Man lernt dazu." Damit meint der Mann vom Bund der Steuerzahler nicht nur sich, sondern auch die Macher. "Früher waren die Landesgartenschauen tatsächlich oft einfach Blümchenschauen, heute gibt es gut durchdachte Konzepte, die über den Tag hinaus etwas bewirken", sagt er. "Da wird dank Initiativen aus der Bevölkerung mit relativ wenig Geld vom Land oft ziemlich viel bewegt." Auf diese Weise sei aus einer "Blümchenschau" echte Stadtentwicklung geworden - und aus dem Gartenschau-Kritiker Cloesges ein Befürworter.
Die einstige Bergbau-Stadt Kamp-Lintfort plant ihre Landesgartenschau 2020 auf dem ehemaligen Zechengelände mitten im Zentrum der Stadt sowie auf dem Berg Kamp mit dem Zisterzienserkloster. 845.000 Besucher werden erwartet. Bis es losgeht, sollen in der Stadt am Niederrhein rund 16 Millionen Euro investiert werden. Ganz schön viel Geld, oder?
"Das Image der Stadt profitiert"
Klar, sagt Dietwald Gruehn, Professor für Landschaftsökologie und Landschaftsplanung an der Technischen Universität Dortmund. „Was bei dem Thema oft zuerst gesehen wird, sind die Kosten." Die Landesgartenschau bringe aber auch viele Vorteile für die ausrichtende Kommune und deren Bürger.
"Allerdings kann man die im Regelfall nicht in Euro und Cent ausdrücken", erklärt Gruehn. So habe eine neue oder überarbeitete Parkanlage zum Beispiel eine positive Wirkung auf das Klima und den Lebensraum für Mensch und Natur. Sie könne zur Grundwasserregeneration beitragen und sorge dafür, dass die Leute sich wohlfühlten und einen Ort hätten, an dem sie Erholung finden. "Oft werden umliegende Wohnquartiere durch die neuen Grünanlagen aufgewertet und das Image der Stadt profitiert.“
Lünen und die Landesgartenschau
Beispiel Lünen. Die Stadt war 1996 Ausrichter der Landesgartenschau. Einer der damals dabei war, ist Thomas Herkert. Der 57-Jährige ist heute Leiter Stadtgrün in Lünen. "Die Landesgartenschau hat uns einen wunderschönen, intensiv genutzten Park gebracht, den wir alleine so nie hätten finanzieren können", sagt Herkert.
Lünen stand zur damaligen Zeit vor dem Problem vieler ehemaliger Bergbaustädte: Von der Zeche "Preußen" blieb der Stadt eine Landschaft aus Halden und Kratern. Die Landesgartenschau bot die Chance, das Gelände aufzuarbeiten. 30 Millionen DM seien damals investiert worden, sagt Herkert, etwa 80 Prozent davon seien Fördergelder gewesen.
Herzstück des Lüner Seeparks ist heute der Horstmarer See mit neun Hektar Wasserfläche, Sandstrand und Liegewiesen. Vor allem der Stadtteil Horstmar habe von der Landesgartenschau sehr profitiert, sagt Herkert. "So ein Projekt ist immer klasse, aber man muss auch eine Menge Zeit und Energie reinstecken - und die Folgekosten im Blick haben."
Grünflächen brauchen Pflege
Ein Aspekt, den auch der Landschaftsökologe Dietwald Gruehn betont: „Die Städte müssen sich bei der Planung langfristige Gedanken machen. Schließlich bringt es nichts, Grünflächen erst teuer anzulegen und sie dann nicht zu pflegen.“
Werde das berücksichtigt, böten die Gartenschauen die große Chance, alte Flächen neu zu nutzen. "Was passieren kann, wenn man sich um solche Dinge nicht kümmert, kann man zum Beispiel in Detroit besichtigen", warnt Gruehn. Die einst florierende Auto-Metropole musste 2013 als erste US-Großstadt Insolvenz anmelden. Der Strukturwandel scheiterte, die Bevölkerung schrumpfte, weite Teile der Stadt verödeten. "Dagegen ist der Weg hier in NRW sicher vorbildlich“, sagt Gruehn.
Das sieht Heiner Cloesges vom Bund der Steuerzahler NRW ähnlich: "Natürlich ist eine Landesgartenschau ein großes Projekt." Da könne man sich schon mal überheben. "In Kamp-Lintfort scheint aber ein schlüssiges Konzept dahinterzustecken", so Cloesges.
Fördergelder auch für Castrop-Rauxel und Co.?
Bei der Bekanntgabe der Entscheidung für die Stadt am Niederrhein betonte NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) zuletzt, dass die Gemeinschaftsbewerbung aus Castrop-Rauxel, Herne, Herten und Recklinghausen ebenfalls sehr gut und professionell gewesen sei.
Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) erklärte, die vier Städte könnten sich, genau wie der ebenfalls leer ausgegangene Mitbewerber Bad Honnef, über die Förderbereitschaft des Landes freuen, "weil wir da Großzügigkeit walten lassen werden". Was das konkret bedeutet, ist allerdings noch offen.
"Die Leute mögen's bunt"
Unterdessen freut sich Kamp-Lintfort auf die "beste Laga, die NRW je gesehen hat", wie Bürgermeister Christoph Landscheidt (SPD) bereits kurz vor der offiziellen Bekanntgabe der Entscheidung euphorisch auf Facebook verbreitete. Damit es damit auch wirklich klappt, hat Lünens Stadtgrün-Chef Thomas Herkert für die Kollegen am Niederrhein noch einen kleinen Tipp: "Die Leute mögen's bunt."
Hintergrund der launigen Bemerkung: In Lünen hatten einige Besucher vor fast 20 Jahren kritisiert, auf der Landesgartenschau gebe es zu wenig Blumen. Aus dem damaligen Planerteam hieß es dazu: Blumen habe es in Lünen jede Menge gegeben, allerdings sei das Gartenschaugelände mit 60 Hektar damals ungewöhnlich weitläufig gewesen. So habe eben nicht jeder Besucher alle Blumen auch entdeckt.
Die Landesgartenschau ("Laga") fand bislang in unregelmäßigen Abständen statt - bisher 16 Mal. Derzeit ist ein Dreijahresrhythmus vorgesehen. Neben Blumen und Pflanzen geht es bei der "Laga" vor allem auch um Stadtentwicklung. Das Geld für die Schauen kommt aus verschiedenen Töpfen, etwa von den NRW-Ministerien für Umwelt und Städtebau.