Von der Türkei bis zu Antaios: Die politische Buchmesse
Die Welt wird immer stärker von Autokraten regiert. Dies macht auch die Frankfurter Buchmesse politischer. Doch es geht nicht nur ums Ausland: Das Thema Meinungsfreiheit ist plötzlich auch für die interne Debatte in Deutschland ein Thema.
Frankfurt/Main (dpa)
von Von Thomas Maier und Eva Krafczyk, dpa
, 12.10.2017, 15:40 Uhr / Lesedauer: 2 min

Der im Berliner Exil lebende türkische Journalist Can Dündar, Ex-Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet", und die mehrere Monate inhaftierte Autorin Asli Erdogan auf der Buchmesse. Foto: Arne Dedert
Vor genau einem Jahr wurde zur Eröffnung der Frankfurter Buchmesse ein aus dem Gefängnis geschmuggelter Hilferuf von Asli Erdogan verlesen.
Am Donnerstag sitzt die türkische Autorin - verfolgt von der autokratischen Regierung ihres Namensvetters Recep Tayyip Erdogan - nun auf einem Podium der weltweit größten Bücherschau. Und sie stellt fast mit Verwunderung fest, dass die von ihren Mitgefangenen verlachten Kassiber, die sie am Körper versteckt weitergeben konnte, doch weit größere Wirkung entfaltet haben, als sie je dachte.
Der Dachverband der deutschen Buchbranche und die Buchmesse haben sich massiv für die Freilassung von Asli Erdogan eingesetzt - mit Petitionen und einer kleinen Demo auf der Buchmesse in Istanbul im vergangenen Jahr. Das Thema Türkei ist der Messe als politischer Dauerbrenner erhalten geblieben. Die Solidarität mit fast 200 inhaftierten Autoren und Journalisten müsse weitergehen, fordert Asli Erdogan, die selbst überrascht war, dass sie vor einigen Wochen trotz ihres laufenden Prozesses zur Entgegennahme eines Preises in Deutschland ihren Reisepass zurückerhalten hat.
Für den Börsenverein eine willkommene Chance, dem Thema Meinungs- und Publikationsfreiheit ein großes Forum zu geben. Eine Zeitlang schien dies auf der weltweiten Leitmesse, wo in erster Linie auch Geschäfte gemacht werden, ein bisschen in Vergessenheit geraten zu sein. "Nichts fürchten Despoten mehr als das frei gesprochene Wort", betont jetzt Alexander Skipis, Geschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.
Doch in Sachen Meinungsfreiheit geht es in Frankfurt dieses Mal nicht nur um ausländische Autokraten. Der Auftritt des rechts gerichteten Antaios Verlags auf der Messe hat auch innerhalb Deutschlands für heftige Debatten gesorgt. Antaios, der viele Jahre nicht mehr auf der Messe vertreten war, verlegt den umstrittenen Bestseller "Finis Germania" von Rolf Peter Sieferle und Werke des deutsch-türkischen Rechtspopulisten Akif Pirinçci.
Die Messen-Organisatoren verteidigen den Stand für Antaios Verlag, der dafür bezahlen muss. "Die Meinungs- und Publikationsfreiheit gilt für jeden. Deshalb akzeptieren wir Verlage und Bücher, solange sie nicht gegen bestehende Gesetze verstoßen", sagt Skipis.
Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) hält dies für eine falsche Entscheidung. Er beteiligte sich am Mittwoch mit TV-Moderator Michel Friedman auf der Messe an der Aktion "Gib der Vielfalt Deine Stimme" der Frankfurter Anne Frank Bildungsstätte. An deren Stand können Besucher ein Foto von ihrem Mund machen lassen. Die Aktion soll bewusst ein Zeichen setzen gegen Verlage der Neuen Rechten wie Antaios.
Am Messe-Samstag haben sich dort der AfD-Rechtsaußen Björn Höcke und Autor Pirincci angekündigt. Wie bereits am Mittwoch soll es auch wieder eine kleine Demo "Gegen Rassismus" geben, an der sich auch Funktionäre des Börsenvereins beteiligt haben.
Andere Sorgen hat Ensaf Haidar, die Ehefrau des zu tausend Peitschenhieben und zehn Jahren Gefängnis verurteilten saudischen Bloggers Raif Badawi. Sie setzt auf klare Worte und deutliche Zeichen gegen die Inhaftierung ihres Mannes. "Hier muss der Westen noch deutlicher werden", hat sie bei der Verleihung des Raif Badawi-Preises an den inhaftierten türkischen Journalisten Ahmet Sik am Mittwoch gesagt. Und sie hat einen großen Traum: "Dass in einem Jahr beide in Freiheit und hier auf der Buchmesse sind."