Uwe Johnson wäre 75 geworden
Die Abendsonne lässt das rote Schindeldach des Klützer Marienkirchturms leuchten - es sitzt in der Tat wie eine Bischofsmütze auf den quadratischen Mauern.

Vor 75 Jahren, am 20. Juli 1934, wurde Johnson geboren, vor 25 Jahren starb er in Sheerness on Sea auf der Themse-Insel Sheppey
Kein Geringerer als Uwe Johnson (1934-1984) hat dem mecklenburgischen Landstädtchen und seinem Kirchturm zu literarischem Ruhm verholfen. Klütz gilt als Vorbild für den fiktiven Ort Jerichow, aus dem die Hauptheldin von Johnsons umfangreichstem und wichtigstem Roman «Jahrestage» in die Welt aufbricht.
Hier beginnt Gesine Cresspahls Weg bis nach New York, wohin es auch Johnson nach seinem Weggang aus der DDR und einigen Jahren in der Bundesrepublik zog, ehe er sich auf der südenglischen Isle of Sheppey niederließ. Vor 75 Jahren, am 20. Juli 1934, wurde Johnson im heute polnischen Cammin geboren, vor 25 Jahren starb er in Sheerness on Sea.
Mit dem Roman «Mutmassungen über Jakob», der im Suhrkamp Verlag erschien, landete Johnson 1959 - vor fünfzig Jahren - seinen ersten großen Erfolg. Da war er gerade nach Westberlin gezogen, nachdem sein Manuskript «Ingrid Babendererde» von mehreren DDR-Verlagen abgelehnt worden war. Weitere Werke folgten, wie «Das dritte Buch über Achim» oder «Zwei Ansichten», 1970 schließlich der erste von vier Bänden der «Jahrestage».
Der Suhrkamp Verlag begeht die Johnson-Jubiläen in diesem Jahr mit mehreren Publikationen. Bereits erschienen ist ein Faksimile der Erstausgabe von «Mutmassungen über Jakob». Am 12. August soll «Der Kampf mit der Katze» herauskommen, eine Prosa-Zusammenstellung. «Wer Johnson nicht kennt, bekommt da einen sehr schönen Einblick in sein Werk», verspricht Suhrkamp-Pressesprecherin Tanja Postpischil. Für Oktober schließlich ist der Briefwechsel zwischen Uwe Johnson und Hans Magnus Enzensberger angekündigt. Enzensberger wird im November 80 Jahre alt.
Erst im vorpommerschen Anklam und dann in Mecklenburg wuchs Uwe Johnson auf. Güstrow und Rostock hießen seine Stationen, ehe er 1954 zum Studium nach Leipzig ging. Gut möglich, dass er Klütz, «einwärts an der Ostsee zwischen Lübeck und Wismar gelegen», besuchte. In einem denkmalgeschützten Getreidespeicher in der Kleinstadt nahe dem Ostseebad Boltenhagen öffnete vor drei Jahren ein Uwe-Johnson- Literaturhaus. Eine Ausstellung erinnert an den «Dichter beider Deutschland».
Leiterin Anja-Franziska Scharsich führt Besucher bei literarischen Spaziergängen auf den Spuren der «Jahrestage» durch Klütz. Wenn es Kenner der Johnsonschen Literatur sind, stammen sie zumeist aus den alten Bundesländern. Uwe Johnsons Romane sind in der DDR nicht erschienen, erst 1989 brachte der Aufbau Verlag eine Ausgabe mit Texten heraus. In den 20 Jahren seither ist es nicht gelungen, Johnson im Osten wirklich populär zu machen.
Scharsich bedauert dies. In den «Jahrestagen» etwa könne man einen beeindruckenden Blick auf die deutsche Geschichte und die Weltgeschichte im 20. Jahrhundert werfen und bekomme gleichzeitig eine ganz liebenswerte Beschreibung der norddeutschen Landschaft und ihrer Menschen. Oftmals entdeckten Gäste, die Johnson bis dahin für schwierig zu lesen hielten, bei Lesungen den Dichter für sich. «Die Mecklenburger erkennen ihre Landschaft wieder und ihre Sprache, das hat Johnson sehr liebevoll beobachtet und beschrieben», sagt Scharsich. Johnsons Mecklenburg sei eine literarische Landschaft, deren Städte und Gegenden erfunden sind, aber einen realen Hintergrund haben. Wie schrieb der Dichter, der als Erwachsener nirgends so recht heimisch wurde? Heimat sei da, «wo meine Erinnerung Bescheid weiß». Klütz feiert den Dichter von diesem Montag an mit einer Veranstaltungswoche.