"Tannhäuser" ganz bequem

Bayreuth-Übertragung im Schloßtheater

Es war eine historische Panne im Bayreuther Festspielhaus: Die Eröffnung mit „Tannhäuser“ vor drei Wochen wurde wegen eines technischen Defekts abgebrochen, erst eine Stunde später ging es weiter. Was war passiert? Das Kinopublikum am Dienstag im Schloßtheater bekam die Info aus erster Hand: Schlappseilschaden.

Münster

, 13.08.2014, 18:11 Uhr / Lesedauer: 2 min
Sie hat sich selbst die Hände blutig gestochen: Camilla Nylund als Elisabeth in Richard Wagners Oper »Tannhäuser«. Die Inszenierung von Sebastian Baumgarten wurde am Dienstagabend ins Schloßtheater übertragen.

Sie hat sich selbst die Hände blutig gestochen: Camilla Nylund als Elisabeth in Richard Wagners Oper »Tannhäuser«. Die Inszenierung von Sebastian Baumgarten wurde am Dienstagabend ins Schloßtheater übertragen.

Die Live-Übertragung vom Grünen Hügel klappte wie am Schnürchen, der Venusberg – hier ein Käfig unbegrenzter sexueller Lüste – erhob sich dank funktionstüchtigem Schlappseil geschmeidig aus den Katakomben, die Oper schnurrte routiniert ab. Selbst die umstrittene Inszenierung von Sebastian Baumgarten aus dem Jahr 2011 wurde goutiert – in Bayreuth wie in Münster. Es waren hier wie dort keine Buhs zu hören. Die bundesweiten Kinoübertragungen finden bereits im dritten Jahr statt. Für Münster ist dies eine Bereicherung des sommerlichen Kulturlebens. So günstig, so einfach und so bequem ist es in Bayreuth nicht, fünfeinhalb Stunden Wagner zu genießen. Die Sitze dort sind hart, es ist eng im Zuschauerraum und heißer als in der Sahara. Das unmittelbare Erleben der Oper ersetzte die Leinwand natürlich nicht, dafür schenkte die HD-Kamera wunderbare Nahaufnahmen. Sie schien den Sängern auf dem Schoß zu sitzen und schwenkte auch in entlegene Winkel der dreigeschossigen Bühnenbild-Installation von Joep van Lieshout. Hier sah der Kinobesucher mehr als die Zuschauer in Bayreuth!

Die Verlegung der Handlung in eine Biogasanlage wurde viel gescholten. Zu wenig Sinnlichkeit warf man Baumgarten vor, zu banal sei letztlich sein Bild vom ewigen Kreislauf des Lebens. Solche Brachialkritik tut der Inszenierung allerdings Unrecht. Plumpsklos, Röntgen-Videos von Verdauungsorganen und Brecht-Zitate in einer Wagner-Oper muss man nicht mögen, Baumgartens Ideen sind aber in sich schlüssig und transportieren die Geschichte um Schuld und Sühne, Liebe, Erlösung und Seelenrettung in nachvollziehbare Bilder. Und der Klang? Hier muss man im Kino die meisten Abstriche machen, auch wenn die Qualität sehr gut ist. Am besten gefiel der Schmelz von Kwangchul Youn als Landgraf, das Lyrische von Markus Eiche als Eschenbach, die Reife von Camilla Nylund als Elisabeth und das Durchhaltevermögen von Torsten Kerl, wenn er auch im letzten Aufzug merklich angestrengt war. Axel Kobers Dirigat klang allerdings oft zu glatt, die großen Emotionen kamen im Kinosessel zu selten an.

Abendkleid und Fliege sah man an diesem Abend im Schloßtheater nicht. Leger war der Look. In den zwei jeweils einstündigen Pausen trank man ein Weinchen im hauseigenen Bistro oder holte sich ein belegtes Brötchen beim Bäcker gegenüber. Und fast alle saßen schon nach eine halben Stunde wieder am Platz, um sich von Moderator Brüggemann charmant und gewitzt hinter die Kulissen führen zu lassen. Ein exklusives Programm fürs Kinopublikum. Er zeigte die Künstlergarderoben, die Werkstatt, die Anlieferung der Sellerieknollen, die im dritten Aufzug grob geschnibbelt die Bühne bedecken. Er interviewte auch Sänger und Festspielchefin Katharina Wagner, die die nächste Kinoübertragung ankündigte: Am 7. August 2015 ist ihre eigene Inszenierung von „Tristan und Isolde“ zu sehen. Das sollte man sich jetzt schon mal rot im Kalender eintragen. Hier eine Karte zu erhaschen ist leichter und billiger als in Bayreuth. Und es macht in Münster nicht weniger Spaß.

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