„Gewerkschaft Verdi erpresst mit Streik die Lufthansa und bestraft die Urlauber“
Meinung
Das Bodenpersonal der Lufthansa soll am Mittwoch (27. Juli) die Arbeit niederlegen. Die Gewerkschaft Verdi nennt es einen Warnstreik. Unser Autor nennt es Erpressung. Ein Kommentar.
Zuerst dachte ich: Das kann nur eine Falschmeldung sein. Bei dem seit Wochen an vielen Flughäfen herrschenden chaotischen Verhältnissen kann die Gewerkschaft Ver.di doch nicht auch noch zum Streik aufrufen! So absolut rücksichts- und verantwortungslos kann doch keine Gewerkschaft sein!
Doch, Verdi kann und Verdi macht. Am Mittwoch sollen 20.000 Bedienstete des Bodenpersonals der Lufthansa an den Flughäfen die Arbeit niederlegen. Rund 1.000 Flüge dürften ausfallen, etwa 134.00 Menschen bleiben am Boden.
„Eine perfide Strategie“
Streiks sind grundsätzlich völlig legitim, aber dieser Streik ist geradezu infam. Ausgerechnet in einem Moment, in dem verzweifelt versucht wird, mit Hilfskräften woher auch immer die schlimmsten Zustände an den Flughäfen wieder halbwegs erträglich zu gestalten, macht Verdi alles noch viel schlimmer.
Die Strategie ist perfide: Ziel es ist ganz offensichtlich, die Lage an den Flughäfen weiter eskalieren zu lassen. Die Gewerkschaft nutzt eine bestehende eklatante Notlage des Unternehmens aus, dreht noch mal das Messer in der Wunde rum und stellt dann ihre Forderungen.
„Perfektes Timing für den Streik“
Als Zyniker könnte man der Gewerkschaft zum perfekten Timing ihres Streiks gratulieren. Nicht nur der Zeitpunkt, mitten in den Sommerferien und zur stärksten Reisezeit des Jahres, ist ideal. Auch die miserable Personallage an den Flughäfen, mit jetzt schon inakzeptablen Abfertigungszeiten, ist geradezu perfekt für einen Streik. Nie war die Gelegenheit so günstig, Forderungen durchzusetzen. Die Lufthansa ist derzeit praktisch wehrlos, steht mit dem Rücken zur Wand. Das ist keine Tarifverhandlung mehr auf Augenhöhe, das ist Erpressung.
Natürlich trifft Verdi die Lufthansa als Arbeitgeber mit dem Warnstreik bis ins Mark. In erster Linie aber trifft Verdi Menschen, die jetzt gerade in den Urlaub fliegen, oder aus dem Urlaub zurück nach Hause wollen. Für viele ist es der erste wirkliche Urlaub seit drei Jahren. Verdi ist das offenbar schnurzpiepegal, wenn sie ihnen die Urlaubsfreude vermiest.
Die Urlauber werden, so malen sich die Ver.di-Strategen wahrscheinlich aus, schon wütend genug sein und ihren Zorn an der Lufthansa auslassen, die damit noch mehr unter Druck gerät, die Forderungen von Verdi zu erfüllen. Klüger wäre es allerdings, wenn die verhinderten Urlauber ihre Wut der Gewerkschaft Verdi gegenüber ausdrücken würden. Mit Sicherheit dürfte sich das Verständnis der meisten Flug-Reisenden für diesen Streik sehr deutlich in Grenzen halten.
„Unverhältnismäßig, ignorant und rücksichtslos“
Dabei ist grundsätzlich nichts dagegen zu sagen, dass Verdi für die Lufthansa-Bediensteten des Bodenpersonals um eine Lohnerhöhung kämpft. Das ist ihr Job, um es salopp zu sagen. Auch das Streikrecht will den Gewerkschaftern niemand nehmen.
Die Frage ist allerdings, ob zum gegenwärtigen Zeitpunkt und angesichts des ohnehin herrschenden Chaos an den Flughäfen ein Streik wirklich ein angemessenes Mittel der Tarifauseinandersetzung ist. Ich bin davon überzeugt: Dieser Streik ist unverhältnismäßig, ignoriert die aktuelle Lage komplett, und ist gegenüber den Reisenden maximal rücksichtslos und daher nicht zu rechtfertigen.
Vielleicht erinnern sich die Verdi-Vorkämpfer noch an den Mai 2020. Das ist erst gut zwei Jahre her. Damals lag die Lufthansa aufgrund der Corona-Pandemie im Sterben. Das heißt: Eigentlich war sie schon klinisch tot. Erst ein neun Milliarden schweres Rettungspaket, geschnürt vom Bund und von der EU, verhinderte die Pleite, rettete Abertausende Arbeitsplätze.
Bund und Land, das sind letztlich nichts anderes als Sie und ich, sind alle, die Steuern zahlen. Es ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar, dass wir, die wir alle mit unserem Geld die Lufthansa gerettet haben, jetzt zu Opfern derjenigen werden, deren Arbeitsplätze wir vor zwei Jahren vor dem Aus bewahrt haben.
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Was ist Ihre Meinung zum Streik? Schreiben Sie mir an: ulrich.breulmann@lensingmedia.de