Steve Wynn: The Dream Syndicate ist wie eine Droge
Einige wenige Rockband-Reunions ergeben Sinn und sind wirklich willkommen. The Dream Syndicate ist so ein Fall. Steve Wynn, Frontmann der legendären 80er-Jahre-Garagenrocker, sagt im Interview: „Unser neues Album ist eine Droge ohne Drogen.“

Auf zu neuen Ufern: The Dream Syndicate. Foto: Chris Sikich
Es gibt in der US-Rockmusik wohl kaum einen freundlicheren, ausgeglicheneren Zeitgenossen als Steve Wynn, den Frontmann von Bands wie The Dream Syndicate, The Miracle 3 oder The Baseball Project.
Erst auf der Bühne, an Gitarre und Mikro, lässt der 57-jährige Kalifornier in feurigen Songs sein ganzes Temperament heraus. Die Deutsche Presse-Agentur sprach mit Wynn in Berlin über sein neues Projekt - eine alte Liebe.
Frage: Es gibt nach fast 30 Jahren wieder eine Studioplatte von The Dream Syndicate. Was hat die Band angetrieben?
Antwort: Es sollte auf keinen Fall eine Art Imitation oder gar Parodie einer Dream-Syndicate-Platte der 80er Jahre sein, sondern der Aufbruch zu etwas Neuem. Und ich denke, das haben wir geschafft. The Dream Syndicate galt ja immer als Psychedelic-Band, und „How Did I Find Myself Here“ ist definitiv die psychedelischste „Head Trip-Musik“, die wir je gemacht haben.
Frage: Wie würdest Du den Sound, die Stimmung der Songs definieren?
Antwort: Es ist ein lautes, ein wildes Album. Bewusstseinserweiternd im besten Sinne, eine Droge ohne Drogen. Wie einst bei John Coltrane oder John Lee Hooker - das war für mich schon psychedelische Musik, bevor der Begriff erfunden wurde.
Frage: Sind die acht Songs des Albums alle neu oder ist auch älteres Steve-Wynn-Zeug dabei?
Antwort: Nein, ich habe alle Songs für The Dream Syndicate geschrieben, nicht für meine Soloplatten oder für andere Leute. Nur „Like Mary“ schwirrte mir schon ganz lange im Kopf herum, seit den 80ern, ich habe es jetzt wieder aufgegriffen. Es gibt auch noch viel mehr neues Material von The Dream Syndicate - genug für ein weiteres Album.
Frage: Ihr seid sehr zurückhaltend neu gestartet, mit einigen Konzerten in Spanien 2012. Wann wurde mehr daraus?
Antwort: Erstmal waren wir glücklich über die Spanien-Shows, die Fans waren begeistert. Das gab uns einen Schub - frische Energie, verbunden mit größerer Reife, Professionalität und Qualität als damals in den 80ern. Mal ehrlich: Wer kann sich schon an Bands erinnern, deren Platten nach einer Reunion so gut waren wie am Anfang? Wir wollten nur ein paar Konzerte mit den alten Songs spielen und ansonsten schauen, was passiert, dann hat uns die Reaktion der Fans zu mehr motiviert. Das Album soll nun zeigen, dass wir eine relevante Band wie in den alten Zeiten sind.
Frage: War es schwer, The Dream Syndicate fast in 80er-Jahre-Besetzung wieder zusammenzutrommeln?
Antwort: Bassist Mark Walton, Drummer Dennis Duck und ich sind ja immer Freunde geblieben, wir haben auch in den 90er Jahren zeitweise zusammen gespielt. Für Paul Cutler kam an der Gitarre Jason Victor hinzu - er ist in der aktuellen Besetzung der brandheiße junge Typ, einer der allerbesten Gitarristen überhaupt, enorm begehrt bei anderen Bands. Ich hatte einige Mühe, ihm die Zeit für The Dream Syndicate abzugeknöpfen.
Frage: Auf „Kendra's Dream“ singt völlig überraschend Kendra Smith, die fast verschollene Dream-Syndicate-Bassistin aus der Frühzeit der Band. Wie habt Ihr das denn zustande gebracht?
Antwort: Kendra und ich sind ebenfalls immer Freunde geblieben. Ich war sehr traurig, als sie die Band verließ. In den 80ern ging sie nach Nordkalifornien und lebt dort sehr zurückgezogen. Gesehen habe ich Kendra seit 20 Jahren nicht mehr. Dann hatte ich einen neuen Song namens „Recurring Dream“, mochte meine Stimme darauf aber nicht. Ich schickte ihr die Melodie und sagte, sie könne damit machen, was sie will. Irgendwann kam eine E-Mail mit Kendras Vocals. Und es passte perfekt.
Frage: Ihr seid mit der Platte jetzt beim renommierten Indie-Label Anti- gelandet. Wie kam es dazu?
Antwort: Erst einmal haben wir die Aufnahmen selbst finanziert. Wir wollten nicht, dass irgendjemand davon etwas weiß außer uns vieren - damit wir keinen Druck hatten, etwas zu veröffentlichen. Aber dann waren wir glücklich mit dem Ergebnis und haben uns damit an Anti- gewandt. Eine sehr beeindruckende Plattenfirma, die tolle Leute wie Mavis Staples, Tom Waits oder Wilco über lange Karrieren begleitet.
ZUR PERSON: Steve Wynn (57) ist einer der wichtigsten Musiker des Psychedelic- und Gitarrenrocks der vergangenen 35 Jahre. Der Sänger und Gitarrist aus Los Angeles gründete 1981 die Band The Dream Syndicate, die bis 1989 hielt und jetzt ein Comeback erlebt. Außerdem veröffentlichte er zahllose Soloplatten sowie Alben mit Gutterball, The Miracle 3 und der sehr erfolgreichen All-Star-Formation The Baseball Project. Wynn ist seit einigen Jahren mit der Schlagzeugerin Linda Pitmon verheiratet.
Das Album „How Did I Find Myself Here?“ von The Dream Syndicate ist am 8. September über Anti- Records erschienen. Konzerte der Band im Oktober: 19.10. Hamburg, Uebel & Gefährlich, 20.10. Bonn, Harmonie, 21.10. Berlin, Festsaal Kreuzberg, 28.10. Zürich, El Lokal