Stephenie Meyer: Ein Vampir als Nachfolger von Harry Potter?
«Ich möchte einen Vergleich bemühen», sagt Verleger Klaus Humann. «Vor genau acht Jahren besuchte uns schon einmal eine junge Autorin, von der wir ebenfalls ein paar hunderttausend Bücher verkauft hatten.
Auch sie war zum ersten Mal in Deutschland. Wir veranstalteten eine Pressekonferenz und gingen eine Woche auf Lesereise. Das wurde der Start zu einem sehr, sehr großen Erfolg.» Humann, Chef des Hamburger Carlsen Verlags, denkt natürlich an Joanne K. Rowling und ihren Harry Potter, dem sein Haus, das zuvor nur Comics und reine Kinderbücher publiziert hatte, eine 30- Millionen-Auflage samt beispiellosem Aufschwung verdankt.
Nun lud Humann erneut die Presse in Hamburg ein, um eine Autorin vorzustellen, von der er ebenfalls Großes erwartet: Stephenie Meyer, 34-jährige US-Amerikanerin. Deren bislang drei Vampir-Romanzen in 35 Ländern gingen schon 5,5 Millionen Mal über den Ladentisch. Ihre erste Deutschland-Tour war längst ausverkauft, bevor die Amerikanerin überhaupt deutschen Boden betrat.
Mit «Bis(s) zum Morgengrauen» und «Bis(s) zur Mittagsstunde» begeistert die Verfasserin vor allem jugendliche Leserinnen: In der wohl süchtig machenden Liebesgeschichte zwischen dem recht durchschnittlichen Teenager Bella und dem hoch attraktiven Vampir Edward mischt sie geschickt kleinstädtischen Normalalltag mit erotischer Sehnsucht und Fantasy-Elementen.
Ihr dritter Band, «Bis(s) zum Abendrot», erschien bei Carlsen im Februar und stürmte sogleich auf Platz eins der «Spiegel»- Bestsellerliste. Auf Platz neun rangiert zudem der «Bis(s) zur Mittagstunde». Die unkompliziert auftretende Schriftstellerin, die mit langen, offenen Haaren, braun gemustertem T-Shirt und ihrer freundlichen Art fast wie ein Mädchen von nebenan wirkt, wehrt sich allerdings inhaltlich gegen Humanns Vergleich: «Ich schreibe doch etwas ganz anderes, kenne Harry nur aus dem Kino.» Selbstbewusst fügt die einstige Literaturstudentin hinzu: «Wenn ich Vorbilder habe, dann heißen sie Shakespeare und Jane Austen.»
Meyer sagt aber auch: «Etwas hat Potter jedoch für uns alle getan: Erwachsene nehmen Jugendbücher endlich ernst. Und Verleger akzeptierten bereits mein dickes erstes Vampir-Buch.»
Die Auflagenmillionärin aus Phoenix/Arizona - Mutter dreier Söhne und gläubige Mormonin - erzählt, was sie schon oft erzählt hat: wie sie in einer Juninacht des Jahres 2003 von einer Liebesszene zwischen einem Mädchen und einem schönen Vampir geträumt und diese am nächsten Morgen nur für sich aufgeschrieben habe. Die Episode steckt heute in Kapitel 13 des ersten Romans, mit dem sich Meyer nach eigenen Worten einfach selbst eine Geschichte erzählen wollte. Nach einigen vergeblichen Versuchen fand die Nachwuchsschriftstellerin 2005 ihren amerikanischen Verlag. «Ich habe immer viel gelesen. Das war mein einziges Training», erklärt sie ihren Weg zum Schreiben.
Horrorgeschichten und -filme hätten sie früher nie interessiert: «Ich mag Romanzen.» Ihre Bücher entstehen nachts - das passe ja auch zum Thema. «Tagsüber kümmere ich mich um meine Kinder. Doch dabei kommen mir immer wieder Ideen in den Kopf», sagt Meyer.
Der weltweite Erfolg ihrer wesentlich schlichter als das Potter- Epos gestrickten, aber in die Herzen treffenden Romane wird durch die Internetkommunikation der Fans gewaltig angeheizt. Dass die Autorin aufgrund ihres christlichen Glaubens etwa die Entscheidungsfreiheit jedes Menschen betont, jedoch die Liebe eher züchtig darstellt, scheint ebenfalls gut anzukommen. Gerade haben die Arbeiten zur Verfilmung des ersten Buches, im Original «Twilight», begonnen - mit den Jungmimen Kristen Stewart als Bella und Robert Pattison, alias Cedric Diggory aus «Harry Potter», als Edward. Im Dezember soll die Produktion in die amerikanischen Kinos kommen.
Meyer, die am nächsten Donnerstag (6. März) im niedersächsischen Buxtehude mit dem angesehenen Jugendbuchpreis «Buxtehuder Bulle» ausgezeichnet wird, will den vierten und vermutlich letzten Band der Bella-Serie, «Breaking Dawn» im August in den USA herausbringen. «Dann brauche ich eine Pause», sagt sie, schließt aber nicht aus, die Geschichte aus der Sicht anderer Personen später fortzusetzen. «Sonst hätte ich das Gefühl, sie alle zu ermorden», formuliert die Autorin mit einem Lächeln.