Lundquist Neubauer vom Vergleichsportal Verivox äußert sich zu den Strompreisen.

Lundquist Neubauer vom Vergleichsportal Verivox erläutert die Hintergründe der Steigerung des Strompreises und gibt Tipps, wann ein Wechsel des Anbieters sinnvoll ist. Dabei hilft unsere interaktive Karte mit Daten zu 70 Städten und Gemeinden in NRW. © pixabay, verivox

Steigende Strompreise: Karte zeigt, wo sich ein Wechsel lohnen könnte

rnInteraktive Strompreis-Karte

Die Strompreise steigen rasant. Wir vergleichen die Preise in 70 NRW-Städten auf einer interaktiven Karte. Sie zeigt, wo ein Anbieter-Wechsel sinnvoll sein könnte.

NRW

, 03.09.2022, 04:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Die Strompreise sind – genau wie die Gaspreise – extrem gestiegen. Da stellt sich die Frage: Lohnt sich in meinem Ort, in meiner Stadt ein Wechsel zu einem anderen Anbieter, vielleicht sogar zurück zum Grundversorger? Unsere interaktive Karte hilft bei der Entscheidungsfindung.

Viele Jahre lang war es so, dass der Basistarif des Grundversorgers für Strom ein eher teures Angebot war. Wer sich ein wenig umschaute, konnte Strom bei einem anderen Anbieter in der Regel zu deutlich günstigeren Konditionen beziehen als beim Grundversorger. Inzwischen hat sich die Lage komplett gedreht, wie unsere Recherchen zeigen.

Einheitstarif ist Pflicht für Grundversorger

Das liegt daran, so hat uns Lundquist Neubauer, Energieexperte von Verivox, in einem Gespräch kürzlich erläutert, dass die Grundversorger in der Regel einen sehr hohen Anteil an Bestandskunden und daher auch an längerfristigen Verträgen mit ihren Lieferanten haben. Alternativanbieter müssten dagegen bei Verträgen mit Neukunden für ihre Kalkulation die jetzt gültigen, hohen Marktpreise zugrunde legen.

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Auch die Grundversorger würden gerne zwei Basistarife anbieten – solche für Alte- und solche für Neukunden, die dann natürlich teurer wären. Das aber dürfen sie nicht, hat der Gesetzgeber erst im Sommer entschieden. Grundversorger dürfen seit 1. August nur noch Neuverträge mit Stromkunden zu dem Tarif abschließen, den auch Altkunden bezahlen.

Zum 1. November endet eine Übergangsfrist. Dann gibt es endgültig nur noch einen einheitlichen Tarif für Alt- und Neukunden in der Grundversorgung. Auch die Bundesnetzagentur weist seit längerem auf diese Regelung hin.

Stromtarife von 73 Städten und Gemeinden in NRW im Vergleich

Wir haben die aktuellen Strompreise exemplarisch in 73 ausgewählten Städten und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen untersucht. Die Datenbasis lieferte das Vergleichsportal Verivox. Wir haben die Daten am 31. August und 1. September erhoben.

Bei unserer Erhebung haben wir zwei Musterhaushalte zugrunde gelegt. Zum einen einen Haushalt, der 2.500 Kilowattstunden Strom im Jahr verbraucht. Das ist die Strommenge, die im Durchschnitt ein Zwei-Personen-Haushalt in einem Jahr benötigt. Zum anderen einen Haushalt, der 4.250 Kilowattstunden Strom im Jahr verbraucht. Das entspricht dem durchschnittlichen Bedarf eines Vier-Personen-Haushalts.

Für beide Musterhaushalte haben wir zwei Tarife abgefragt: Zum einen den Grundtarif des jeweiligen örtlichen Versorgers. Er kann mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. Hier sind Preiserhöhungen (und -senkungen) jederzeit möglich. Der Grundtarif ist der Tarif, in den man automatisch zurückfällt, wenn der bisherige Stromanbieter beispielsweise Konkurs anmeldet.

Zum anderen haben wir den Tarif des vom Vergleichsportal Verivox für den jeweiligen Ort ermittelten günstigsten Alternativ-Anbieters aufgenommen. Dabei haben wir nur solche Angebote mit einer zwölfmonatigen Preisgarantie berücksichtigt. In den Tarifen sind jeweilige Boni berücksichtigt.

Strompreis-Vergleich mit absolut eindeutigem Ergebnis

Das Ergebnis ist absolut eindeutig. Egal, ob 2- oder 4-Personen-Haushalt: Praktisch überall ist der Basistarif des Grundversorgers mit Abstand der preiswerteste Stromlieferung. Teilweise zahlt man dort monatlich weniger halb so viel wie beim günstigsten Alternativ-Anbieter.

Es gibt unter den 73 von uns untersuchten Kommunen nur drei Städte, in denen ein anderer Anbieter günstiger ist als der örtliche Grundversorger – Bochum, Duisburg und Attendorn. Das liegt in allen drei Fällen daran, dass der Grundversorger hier extrem hohe Preise fordert. In allen anderen Fällen aber ist der Grundversorger preiswerter.

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Auffällig sind zudem die krassen Preisunterschiede zwischen einzelnen Städten. So kann man den billigsten Strom in den von uns untersuchten Städten und Gemeinden in Düsseldorf beziehen. Mit Abstand am meisten – nämlich das Dreifache – muss man ausgerechnet in der direkten Nachbarstadt, nämlich in Duisburg, bezahlen.

Hintergründe und Zukunftsperspektiven

„Im Moment steigen die Großhandelspreise noch. Irgendwann werden wir in eine Konsolidierungsphase kommen, in der sich die Preise dann auch angleichen“, sagt Lundquist Neubauer von Verivox im Gespräch mit unserer Redaktion.

Grundsätzlich, so erläutert Neubauer, beobachte man beim Strom das gleiche Phänomen wie beim Gas, allerdings in abgeschwächter Form. In erster Linie habe man es im Moment mit einer Gaskrise zu tun. Deshalb sei Strom nicht direkt, sondern nur indirekt betroffen.

Trotzdem gebe es Auswirkungen auf den Strompreis. Zum einen, weil noch immer 10 Prozent des Stroms in Deutschland über Gaskraftwerke gewonnen würden. Zum anderen, weil auch die Preise für Kohle und Öl gestiegen seien.

Der Rat des Experten zum Thema Anbieter-Wechsel

Das sorge für hohe Einkaufspreise bei den Stromanbietern, „zumal wir im Moment auch den Umstieg auf mehr Strom haben wollen, etwa bei Autos“, sagt Neubauer. Das führe zu einer Verknappung und lasse die Preise klettern. Allerdings nicht so stark wie beim Gas: „Das liegt auch daran, dass zum 1. Juli die EEG-Umlage abgeschafft wurde. Das gab dann bei den Strompreisen einen kleinen Knick nach unten“, sagt Neubauer.

Der Verivox-Sprecher rät allen Kunden, die Entwicklung des Strompreises vor Ort sehr genau zu verfolgen, denn die Lage könne sich sehr schnell ändern. Dabei müsse man bedenken, dass man beim Grundtarif des Grundversorgers, anders als bei den meisten Alternativanbietern, keine Preisgarantie habe.

Wann Warten sinnvoll sein kann

Daher rät Neubauer in zwei Fällen zum Wechsel vom Grundversorger zu einem seriösen Alternativ-Anbieter: „Das ist dann sinnvoll, wenn der Alternativ-Anbieter günstiger oder ähnlich teuer ist wie der Grundversorger, weil man dann eine Preisgarantie für eine gewisse Zeit hat.“

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Wenn der Alternativanbieter deutlich teurer sei, empfehle er, eher noch ein paar Monate beim Grundversorger zu bleiben und zu beobachten, wie sich die Preise entwickeln. In dem Fall könne man später noch immer wechseln.

Preisgarantien müssen eingehalten werden

Übrigens: Wer einen günstigen Vertrag mit einer festen Laufzeit hat, ist auf der sicheren Seite. Ein Anbieter dürfe die Preise während der festen Laufzeit die Preise nicht erhöhen, sagt Holger Holger Schneidewindt von der Verbraucherzentrale NRW im Gespräch mit unserer Redaktion. Preiserhöhungen seien lediglich erlaubt, sofern Umlagen, Abgaben oder Steuern erhöht würden.

Das stellte das Landgericht Düsseldorf auch in einer Entscheidung vom Dienstag (30. August) noch einmal klar: Preisgarantien müssen auch dann eingehalten werden, wenn sich die Beschaffungskosten erhöht haben.