Siebter Fall: Noch mehr Gammel-Lebensmittel
Landesumweltamt eingeschaltet
Die Serie illegal abgekippter Lebensmittel zieht immer weitere Kreise: Wie am Montag bekannt wurde, hat es auch am Niederrhein einen Ekelmüll-Fund gegeben. Es ist bereits siebte Fall in NRW - nach Hamm, Witten, Schwerte, Haltern, Castrop-Rauxel und Sprockhövel. Jetzt hat sich das Landesumweltamt eingeschaltet.
Wie jetzt bekannt wurde hat es bereits vor zwei Wochen in Rheurdt im Kreis Kleve am Niederrhein einen Fund von faulenden Lebensmitteln gegeben: 15 Mülltonnen mit Lebensmittelabfällen seien an der Stadtgrenze zu Neukirchen-Vluyn gefunden worden, wie Ralf Spengel vom Ordnungsamt in Rheurdt am Montag erklärte.
„Die Tonnen waren randvoll mit Lebensmitteln“, erklärte Spengel. Welche Lebensmittel genau dort verfaulten, sei auf Grund des Zustands nicht mehr nachvollziehbar gewesen, so Spengel, „aber es war in jedem Fall viel Fleisch dabei“.
Blaue Tonnen gibt es in Rheurdt nicht
Woher der Müll kommt und wer ihn dort abgeladen hat, dazu gibt es in Rheurdt bislang keine Erkenntnisse. „Was wir sagen können ist, dass die Mülltonnen von anderswo hierhergebracht wurden“, so Spengel. Die abgeladenen Tonnen hätten blaue Deckel gehabt, so Spengel. In vielen Gemeinden ist das die Kennzeichnung der Papiertonne – nicht jedoch in Rheurdt. Hier ist die Papiertonne grün.
Woher die Tonnen kämen, sei jedoch nicht klar. Die Markierungen der Tonnen wurden – wie auch in den anderen Städten – entfernt.
Zusammenhang jetzt erst erkannt
Obwohl der Fall in Rheurdt den anderen sechs Funden in Nordrhein-Westfalen stark ähnelt, sei man bisher von einem Einzelfall ausgegangen und habe die Tat als Ordnungswidrigkeit behandelt. Erst auf unsere Anfrage nahm das Ordnungsamt in Rheurdt Kontakt zur Kreispolizei Kleve auf, um über einen möglichen Zusammenhang mit den anderen Fällen in Nordrhein-Westfalen zu sprechen. Wie Manfred Jakobi von der Kreispolizei erklärte, wolle man den Rheurdter Fall zeitnah an die bereits ermittelnden Polizeibehörden weiterleiten.
Ungereimtheit: Entsorgung nicht teuer
Inzwischen hat sich das Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen eingeschaltet. „Wir prüfen derzeit die Lage“, sagte Lanuv-Sprecher Peter Schütz am Montag. Die Informationen zu den Fällen würden zusammengetragen. Der Lanuv-Sprecher wies auf Ungereimtheiten hin: Die legale Entsorgung tierischer Abfälle sei nicht sehr teuer, die weggeworfenen Plastik-Mülleimer aber schon. Den Unbekannten könnten Diebstahl der Mülltonnen, illegale Abfallentsorgung und eine mögliche Gefährdung von Menschen und Tieren vorgeworfen werden.
Müll auf seinen Ursprung untersucht
In Hamm fanden Spaziergänger am Samstag 15 Mülltonnen mit Küchenabfällen, teils umgekippt und ausgelaufen, am Hellweg nahe der A2 in Hamm. Wieder handelt es sich um handelsübliche Müll-Behälter, deren Kennzeichnung sorgfältig abgekratzt worden ist. Wie auch in den anderen Städten.
Der Tatort liegt abgelegen zwischen zwei Feldern. Die Abfälle seien am Montagvormittag vom städtischen Abfallbetrieb entsorgt worden, erklärt Tom Herberg von der Stadt Hamm. Gemeinsam mit dem Ordnungsamt seien die Tonnen im Anschluss durchsucht worden.
"Wir hatten uns erhofft, dass wir Hinweise auf die Ursprünge des Abfalls finden würden", so Herberg. Aber vergebens - neue Erkenntnisse hätten sich dadurch nicht ergeben. "Klassische Küchenabfälle" seien es gewesen, wie Herberg erklärt: "Vielleicht von einer Großkantine oder ähnlichem".
Tatzeit: Mittwoch zwischen 21 und 23 Uhr
Zuvor war der letzte Ekel-Fund am Donnerstag in Witten-Stockum gemacht worden. Anders als bei den anderen Fällen, konnten die Ermittler die Tatzeit hier auf Mittwochabend eingrenzen. Dies zeige, dass die Täter noch immer aktiv sind, sagte am Donnerstag ein Sprecher der Polizei in Bochum. Die Aussagen einer Zeugin ließen den Rückschluss zu, dass die rund zehn Mülltonnen mit ranzigen Küchenabfällen dort am Mittwoch in der Zeit zwischen 21 und 23 Uhr "verklappt" worden sind.
Weitere Hinweise, die inzwischen bei der Polizei Bochum eingegangen sind, brachten noch keine neuen Erkenntnisse zu dem Fall. Die Abfälle seien bereits entsorgt, wie Polizeisprecher Volker Schütte sagte.
Dass die inzwischen sieben NRW-Fälle im Zusammenhang stehen - davon gehen die Ermittler aus. Auch aus dem nördlichen Rheinland-Pfalz - aus Puderbach und Selters - wurden in der vergangenen Woche zwei ganz ähnliche Fundorte gemeldet. Wir haben alle Orte auf einer interaktiven Karte eingezeichnet. Unklar ist, ob die Täter aus NRW auch dort ihre Gammel-Tonnen verklappt haben.
Fest steht: Das Vorgehen ähnelt sich überall. Dutzende Mülltonnen aller Art, gefüllt mit ranzigen Lebensmitteln und Gammelfleisch, werden an versteckten Orten abgekippt. Der erste NRW-Fall in Schwerte-Ergste wurde am 16. Juni entdeckt. In den folgenden Tagen kamen Castrop-Rauxel, Haltern am See, Sprockhövel, Witten und jetzt Hamm und Rheurdt dazu.
Eigentümer kümmert sich selbst um Entsorgung
Die Öffentlichkeit muss für die Kosten der Entfernung aufkommen - es sei denn, die Verantwortlichen werden ermittelt. In Sprockhövel liegen die Mülltonnen sogar auf einem Privatgrundstück. Großes Pech für den Eigentümer. "Da der Abfall auf einem Privatgrundstück liegt, ist die Kreisverwaltung rechtlich gehalten, den Eigentümer zur Entsorgung zu verpflichten", teilte am Donnerstag ein Sprecher des Kreises Ennepe-Ruhr mit.
Statt ein Entsorgungsunternehmen zu beauftragen, hat der unglückliche Eigentümer die Entsorgung am Wochenende selbst in die Hand genommen. Dies berichtete am Montag Kira Frisch vom Kreis Ennepe-Ruhr.
Kooperation der Ermittlungsbehörden
Großes Rätselraten herrscht bei der Frage, wer hinter den Taten steckt. Noch ermitteln unterschiedliche Kreispolizeibehörden, auch die Ordnungsämter und Kreisverwaltungen sind involviert. Ein Sprecher der Bochumer Polizei sagte am Donnerstag, dass eine Zusammenarbeit erfolge und die Ermittlungen möglicherweise künftig bei einer Behörde zusammenlaufen. Welche Behörde die Ermittlungen zukünftig federführend leiten könnte, dazu gab es am Montag noch keine weiteren Informationen.
Ob eine organisierte Bande oder möglicherweise ein verzweifelter, insolventer Gastronom die Dutzenden Mülltonnen verklappt hat, ist also noch unklar. Denkbar ist auch, dass ein privater Entsorger Kunden, zum Beispiel Imbiss-Betreiber, mit einem besonders günstigen Angebot geködert hat und die Tonnen jetzt "für lau" in ganz NRW verteilt - statt sie fachgerecht zu entsorgen.
So läuft die Entsorgung von Küchenabfällen normalerweise
Normalerweise beauftragen Restaurantbesitzer ein professionelles Entsorgungsunternehmen mit der Beseitigung ihrer Küchenabfälle. Dieser - im Idealfall zertifizierte - Betrieb holt die Tonnen dann in einem vereinbarten Rhythmus ab, kümmert sich um die Entsorgung des Inhalts und desinfiziert die Behältnisse.
Rätselhaft ist daher auch, warum der oder die Täter die Mülltonnen gleich mit wegschmeißen - denn die Anschaffungskosten eines 120-Liter-Behältnisses lägen bei rund 30 bis 40 Euro, sagte am Donnerstag ein Sprecher eines Entsorgungsunternehmens, dass mit der Müllbergung in Haltern-Lavesum betraut war.
mit Material von dpa
Nichts für schwache Nerven! Dieses Video hat unser Reporter bei den Aufräumarbeiten in Castrop-Rauxel gedreht:
Auf dieser interaktiven Karte haben wir die Fundorte eingezeichnet.
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