„Rausch“ und „Tod“ feierten Premiere in Recklinghausen

Ruhrfestspiele

Der Intendant der Ruhrfestspiele, Frank Hoffmann, brachte August Strindbergs "Rausch" am Freitag auf die große Bühne im Festspielhaus in Recklinghausen. Am nächsten Abend zeigte dann im Kleinen Haus das Theater an der Ruhr Woody Allens "Tod".

RECKLINGHAUSEN

14.05.2017, 17:11 Uhr / Lesedauer: 2 min
Henriette (Jacqueline Macaulay) und Maurice (Robert Stadlober) in Intendant Hoffmanns „Rausch“-Inszenierung

Henriette (Jacqueline Macaulay) und Maurice (Robert Stadlober) in Intendant Hoffmanns „Rausch“-Inszenierung

"Was wäre, wenn Gedanken töten könnten?" An dieser Frage entzündet sich die Abwärtsspirale in die Untiefen der Seele, die Hoffmann mit "Rausch" bei den Ruhrfestspielen inszenierte.

Die Geschichte ist vordergründig schnell erzählt: Während Frau und Tochter das Haus hüten, erlebt der bis dahin glücklose Schriftsteller Maurice den triumphalen Erfolg seines neuen Stückes. Im Glückstaumel der Premiere stürzt er sich in eine Liebesnacht.

Am nächsten Morgen beschließen sie, miteinander in den Süden zu fliehen. Den einzigen Hinderungsgrund blendet Maurice aus: Er wünscht sich, seine Tochter wäre tot. Wenige Stunden später stirbt sie tatsächlich.

Psycho-Drama

Strindberg will die großen Mächte ergründen, die unsere Seele bewegen und ins Chaos stürzen. Hoffmanns Szenenfolge wirkt wie eine Versuchsanordnung im Psycho-Drama.

Das Bühnenbild - ein schwarzer Raum mit einem Laufsteg ins Publikum, mit Guckkästen darauf, vor einem Horizont mit impressionistischen Prospekten eines Ballsaales oder später eines Parkes - hat großen Anteil am hoch konzentrierten Spiel. Die Podeste und Guckkasten-Bühnen sind fahrbar, und Hoffmann nutzt sie, um die Figuren heranzuzoomen und in die Seelenabgründe zu schauen.

Überzeugende Mimen

Jungfilm-Star Robert Stadlober spielt Maurice zunächst als "Springinsfeld", als großes Kind. Das sorgt dafür, dass die Fallhöhe des Anti-Helden denkbar gering ist. Umso packender wird sein Spiel, wenn er sich mit Gewissensqualen und der Frage nach seiner Schuld nahezu selbst zerfleischt. Auch Jacqueline Macauly als seine Geliebte wird auf dem Weg von der berechnenden Femme Fatale zur reuigen Sünderin von Minute zu Minute überzeugender.

Kommentiert und gebrochen wird die Seelenpein der Protagonisten durch Gassenhauer am Klavier (René Nuss) und abgenudelte Chansons von der besoffenen Kellnerin (Maria Gräfe). Auf symbolistischen Schnickschnack hat Hoffmann verzichtet. Einigen hölzern-bemühten Slapsticks im ersten Teil hätte man das gleiche Schicksal gewünscht. Lang anhaltender Applaus.

Erschreckend aktuell

Erschreckend aktuell hingegen ist die Geschichte von Woody Allens "Tod" - von Roberto Ciulli in Szene gesetzt. Geht es doch um die Umtriebe einer Bürgerwehr, wie es sie jüngst auch in Düsseldorf gegeben hat.

Kleinmann - Albert Bork zeigt ihn als ängstlichen, grundverwirrten Mann - wird von der Bürgerwehr aus dem Schlaf gerissen. Ein Serienmörder geht um und hat schon sechs Menschen umgebracht, sagen die Männer der Bürgerwehr, die im Stück zunächst nur als Schatten agieren. Kleinmann solle sich der Jagd nach dem Mörder anschließen.

Eine merkwürdige Hatz gespickt mit dem typischen Wortwitz und der Situationskomik a la Woody Allen beginnt. In Ciullis Version schleicht sich der Schrecken durch die Hintertür in die Groteske. Es dauert nicht lang und die faschistischen Fratzen werden hinter den Masken der Wohlanständigkeit sichtbar. Geschickt nutzen die Männer der Bürgerwehr die diffusen Ängste der Menschen für ihre Zwecke.

Ciulli spielt mit

Der Mörder kommt offensichtlich aus den eigenen Reihen. Die Wehr ruft Spiro heran, der angeblich die Gabe besitzt, die Schuld eines Menschen zu riechen. Ciulli selbst spielt ihn als Karikatur eines Diktators. Spiro schnuppert ausgiebig an Kleinmann und erklärt ihn zur Freude der lynchlüsternen Meute für schuldig.

Im letzten Bild wacht Kleinmann in seinem Bett auf, neben sich die blutüberströmte Leiche der Prostituierten. Ist Kleinmann also tatsächlich der Mörder und vieles in dieser Geschichte den Wachträumen eines Wahnsinnigen entsprungen? Roberto Ciulli legt diesen Schluss nahe.

 

"Rausch": 15./16.5.; Karten: Tel. (02361) 92180.