Raucher in Düsseldorf vergiftet: Der gefährliche Shisha-Trend

Streit um Kohlenmonoxid-Melder in Shisha-Bars

Acht Menschen müssen in Düsseldorf vom Notarzt behandelt werden, nachdem sie in einer Shisha-Bar geraucht hatten. Bei einem Gast stellen die Rettungskräfte eine Kohlenmonoxid-Vergiftung fest. Die Häufung dieser Fälle in Shisha-Bars ist alarmierend.

von Christoph Klemp, Benedikt Reichel

NRW

, 08.01.2018, 17:59 Uhr / Lesedauer: 6 min
Fälle von Vergiftungen mit Shisha-Pfeifen häufen sich.

Fälle von Vergiftungen mit Shisha-Pfeifen häufen sich. © picture alliance / dpa

Der Qualm aus Wasserpfeifen hat in einer Bar in Düsseldorf einen Raucher mit Kohlenmonoxid vergiftet. Der Rettungsdienst habe am Dienstag in einer Shisha-Bar insgesamt acht Menschen behandelt, teilte die Feuerwehr mit. Der Leitstelle war eine vermutlich erhöhte Kohlenmonoxidkonzentration gemeldet worden.

„Die ersten Messwerte der kurz darauf eingetroffenen Einheiten bestätigten die Vermutung. Umgehend wurde der betroffene Bereich geräumt und mittels Hochleistungslüfter belüftet, teilte die Feuerwehr mit. „Bei einer Person wurden durch den Notarzt erhöhte Kohlenmonoxidwerte festgestellt, sodass diese zur weiteren Behandlung in ein Krankenhaus transportiert werden musste.“

In NRW gibt es immer mehr Vorfälle. Allein in der Düsseldorfer Uniklinik wurden im Jahr 2017 bereits 100 Patienten in einer speziellen Druckkammer zur Behandlung von Kohlenmonoxid-Vergiftung versorgt. 40 von ihnen hatten Wasserpfeife geraucht. 2016 waren es fünf Fälle und 2015 nur einer.

Ärzte und Land streiten um Melder-Pflicht

Ärzte in NRW schlagen daher Alarm. Sie fordern, CO-Melder zur Pflicht in solchen Bars zu machen. Doch das Land winkt ab. Was die Kommunen und Barbetreiber sagen, was Shisha-Rauchen so gefährlich macht und was das generelle Problem der Wasserpfeifen ist - Fragen und Antworten.

Die schwarz-gelbe Landesregierung plant keine generelle CO-Melder-Pflicht in Shisha-Bars. „Es gibt dazu keine Initiativen des Landes“, teilte das NRW-Bauministerium auf Anfrage unserer Redaktion mit. Einen entsprechenden Vorstoß hatte jüngst die Ärztekammer Nordrhein von der Landesregierung gefordert, weil die Zahl an Kohlenmonoxid-Vergiftungen im Zusammenhang mit Shishas im Jahr 2017 sprunghaft angestiegen ist. „Shisha-Pfeifen sind keine Bauprodukte, daher sind gegen die Gefahren, die bei deren Benutzung bestehen, auch keine bauordnungsrechtlichen Vorschriften zur Gefahrenabwehr zu treffen“, teilte das NRW-Bauministerium auf Anfrage unserer Redaktion mit. Und: „Betriebsgenehmigungen werden auf kommunaler Ebene erteilt.“

Dr. Sven Dreyer, leitender Mediziner an der Düsseldorfer Uniklinik zeigte sich enttäuscht: „Das ist das übliche politische Spiel, sich die Bälle hin und her zu schieben – aber man muss über das Problem sprechen.“ Fragen und Antworten zum Thema:

Warum schlagen die Mediziner jetzt Alarm?

Hintergrund der Forderung von Medizinern wie Dreyer sind sprunghaft steigende Zahlen von Kohlenmonoxid-Vergiftungen nach dem Konsum von Wasserpfeifen. Allein in der Düsseldorfer Uniklinik wurden im Jahr 2017 bereits 100 Patienten in einer speziellen Druckkammer zur Behandlung von Kohlenmonoxid-Vergiftung versorgt. 40 von ihnen hatten Wasserpfeife geraucht. 2016 waren es fünf Fälle und 2015 nur einer. „Die Bars sprießen wie Pilze aus dem Boden, auf die Folgen müssen wir doch aufmerksam machen“, sagt Dreyer. Für ihn sei es absolut unverständlich, warum das Rauchen in der Eckkneipe verboten ist, und das Rauchen in Shishabars erlaubt. „Kohlenmonoxid-Vergiftungen sind lebensgefährlich“, warnt Sven Dreyer, leitender Druckkammerarzt der Uniklinik. Zwischen 14 und 64 seien die Patienten, die sich mit der Kohle beim Shisha-Rauchen vergiftet haben.

Was ist so gefährlich am Shisha-Rauchen?

Es ist die Kohle, die zur Erhitzung des Shisha-Inhalts benutzt wird. Bei der Verbrennung der Holzkohle entsteht das Gas und kann in geschlossenen Räumen nicht abziehen. Kohlenmonoxid ist sehr giftig und sorgt dafür, dass Sauerstoff im Blut nicht mehr transportiert wird, was im schlimmsten Fall zum Ersticken führen kann. Für eine Kohlenmonoxid-Vergiftung reichen nur wenige Atemzüge.

Nach Feststellungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) entstehen bei der Verbrennung der Kohle in der Wasserpfeife erhebliche Mengen an gesundheitsschädlichen Stoffen, neben Kohlenmonoxid auch Benzol sowie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, die dann vom Wasserpfeifenraucher aufgenommen werden. Da sich Kohlenmonoxid auch in der Raumluft wiederfinde, wenn Wasserpfeifen geraucht werden, „sollten Schwangere längere Aufenthalte in Shisha-Cafés vermeiden“, so das Bundesinstitut. Gleiches gelte für Personen mit Herz-Kreislauferkrankungen.

Gibt es Beispiele für Vergiftungen durch Shishas?

Immer wieder schlagen die Kohlenmonoxid-Geräte der Feuerwehr bei Einsätzen an: In Krefeld mussten im Oktober zwei Frauen nach dem Besuch einer Shisha-Bar stationär behandelt werden. Ebenfalls im Oktober hat eine glimmende Shisha-Pfeife bei einem Mann in Dortmund eine Kohlenmonoxid-Vergiftung verursacht. Der Mann wurde mit dem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus geflogen, wo er in einer Druckkammer behandelt wurde. Im Januar schlugen Ordnungsamts-Mitarbeiter in Düsseldorf Alarm, weil bei einer Kontrolle in einer Shisha-Bar wegen Lärmbelästigung ihr Kohlenmonoxid-Warngerät reagierte. Der Besitzer der Bar hatte vergessen, die Lüftung einzuschalten. In vielen Lokalen werde rund um die Uhr Wasserpfeifenkohle verbrannt, die zu hohen Kohlenmonoxidwerten in der Raumluft führe, sagt Mediziner Sven Dreyer. Kontrollen der Ordnungsämter hätten gezeigt, dass in einigen Bars der CO-Wert um fast das Zehnfache erhöht sei im Vergleich zu dem Wert, der durch die Berufsgenossenschaften noch als unbedenklich definiert wird.

Warum ist das Rauchen in der Eckkneipe verboten, in Shisha-Bars aber erlaubt?

Auch in Shisha-Bars gelten, wie in anderen gastronomischen Einrichtungen die Regelungen des Nichtraucherschutzgesetzes NRW. Für Tabakwaren und auch das Inhalieren von Tabakerzeugnissen mittels Wasserpfeifen gilt in Shisha-Bars ein ausnahmsloses Rauchverbot. Aber: Das verbietet nicht die Nutzung von Wasserpfeifen, in denen lediglich getrocknete Früchte oder Shiazo-Steine verwendet werden. Dazu gibt es mittlerweile auch ein rechtskräftiges Urteil des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichtes. Das NRW-Gesundheitsministerium bedauert nach eigenen Angaben die gerichtliche Entscheidungspraxis und weist darauf hin, dass „auch bei der Nutzung von nikotinfreien Wasserpfeifen für die Konsumentinnen und Konsumenten und selbst für Dritte, die sich im gleichen Raum aufhalten, Gesundheitsgefahren bestehen können“.

Laut Weltgesundheitsorganisation WHO wird an einer Shisha im Schnitt 20 bis 80 Minuten geraucht. Währenddessen wird der Qualm von vergleichbar rund 100 Zigaretten inhaliert.

Laut Weltgesundheitsorganisation WHO wird an einer Shisha im Schnitt 20 bis 80 Minuten geraucht. Währenddessen wird der Qualm von vergleichbar rund 100 Zigaretten inhaliert. © picture alliance / dpa

Ist das Rauchen von Shishas weniger gefährlich, als das Rauchen von Zigaretten?

„Eine Shisha zu rauchen, ist ungefähr so gesund, als ob Sie an einem Oldtimer-Auspuff nuckeln“, sagt Sven Dreyer. „Moderne Autos stoßen aus dem Auspuff weniger Kohlenmonoxid aus als eine Shisha.“ Laut Weltgesundheitsorganisation WHO wird an einer Shisha im Schnitt 20 bis 80 Minuten geraucht. Währenddessen wird der Qualm von vergleichbar rund 100 Zigaretten inhaliert.

Wie viele Menschen rauchen Shishas?

„Das Rauchen von Wasserpfeifen, sogenannten Shishas, ist seit einigen Jahren bei jungen Erwachsenen stark im Trend“, sagt Zoll-Sprecherin Andrea Münch. Laut aktuellem Sucht- und Drogenbericht der Bundesregierung hat jeder vierte 12- bis 17-jährige Jugendliche schon Wasserpfeifen ausprobiert. Und nach einer Studie der DAK-Krankenkasse hat sogar jeder zweite Zehntklässler schon einmal Shisha geraucht, 15 Prozent in dieser Altersklasse greifen regelmäßig zur Pfeife. Die Kasse sieht einen Grund für den verbreiteten Konsum darin, dass süß-fruchtige Aromastoffe, die dem Tabak beigemengt sind, Shishas harmlos wirken ließen.

Welche Symptome zeigen sich bei einer Kohlenmonoxid-Vergiftung?

Die frühen Anzeichen einer Vergiftung wie Übelkeit, Schwindel und Kopfschmerzen werden beim Shisha-Rauchen oft fälschlicherweise auf den Tabak zurückgeführt. Weitere Symptome einer Vergiftung sind Müdigkeit, Benommenheit und grippeähnliche Beschwerden. Im Verdachtsfall sollte man sofort alle Fenster öffnen, umgehend den Raum verlassen und die Feuerwehr verständigen, rät Dreyer.

Wie werden Kohlenmonoxid-Vergiftungen behandelt?

In speziellen Druckkammern. Dabei wird mit Überdruck 100 Prozent Sauerstoff verabreicht, um das Kohlenmonoxid aus dem roten Blutfarbstoff und lebenswichtigen Organgeweben zu verdrängen. Die Druckkammer in Düsseldorf steht rund fünf Millionen Menschen der Rhein-Ruhr-Region zur Verfügung. Weitere Kammern gibt es in Aachen und Münster, wobei Münster keinen offiziellen Versorgungsauftrag hat, also nicht rund um die Uhr in Betrieb ist, sondern nur zu den Praxiszeiten.

In der Düsseldorfer Uniklinik müssen immer mehr Shisha-Raucher mit schweren Kohlenmonoxid-Vergiftungen behandelt werden. Foto: dpa

In der Düsseldorfer Uniklinik müssen immer mehr Shisha-Raucher mit schweren Kohlenmonoxid-Vergiftungen behandelt werden. Foto: dpa © picture alliance / Federico Gamb

Welche weiteren Gefahrenquellen gibt es?

Weitere Gefahrenquellen für Kohlenmonoxid sind defekte Gasthermen (erkennbar unter anderem daran, dass die Flamme nicht mehr blau, sondern gelb ist). Auch für Wohnungen und Häuser mit Gasthermen werden immer wieder Forderungen nach einer generellen CO-Melderpflicht laut. Doch auch hier lehnt das Land weitere rechtliche Regelungen ab. „Gasthermen sind grundsätzlich ordnungsgemäß instand zu halten. Außerdem besteht bei den rechtmäßig in Verkehr gebrachten Geräten kein Anlass, dass sie einer CO-Raumluftüberwachung bedürften“, teilte das Bauministerium auf Anfrage unserer Redaktion mit. „Eine Erhöhung der Baukosten für alle Betreiber von Gasthermen wäre zudem nicht angemessen.“

Was sagen die Städte?

Während Rauchmelder in vielen Bundesländern bereits für Neu- und Altbauten Pflicht sind, gibt es laut der Ärztekammer Nordrhein für CO-Melder in der Regel keine solchen Vorschriften. Die Betriebsgenehmigung für Shisha-Bars ist nach Angaben der Landesregierung Sache der Kommunen.

Dortmund stehe dahingehend bereits im Austausch mit anderen Kommunen in NRW sowie den Aufsichtsbehörden, sagt Stadtsprecher Maximilian Löchter. Die derzeitige Vorgehensweise werde erst dann geändert, wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen abschließend geklärt sind.

Auch in Lünen gibt es keine speziellen Auflagen für Shisha-Bars, wie das Bauamt erklärt: „Bei uns gibt es keine Pflicht für die Installation von CO-Meldern. Zurzeit ist das kein Thema bei uns.“ Was nicht heißt, dass Shisha-Bars nicht kontrolliert werden. Das Ordnungsamt stattet den Bars nach eigenen Angaben regelmäßig und unangekündigt Besuche ab. Dabei geht es jedoch nicht um Kohlenmonoxid, kontrolliert wird vielmehr, ob in den Bars verbotener Tabak geraucht wird. Wenn ja, drohen empfindliche Geldbußen.

In Castrop-Rauxel werden die CO-Werte in den Shisha-Bars zwar in unregelmäßigen Abständen von Ordnungsamt und Feuerwehr geprüft, Stadtsprecherin Maresa Hilleringmann bemängelt jedoch, dass es seitens des Gesetzgebers weder offizielle CO-Richtwerte gibt, noch die gesetzliche Handhabe, gegen Verstöße vorzugehen. An die Betreiber der Shisha-Bars wurde zwar appelliert, CO-Melder zu installieren, ein Muss ist die Installation aber nicht.

In Ahaus gestaltet sich die Lage ähnlich. „Es gibt keine rechtliche Verpflichtung für CO-Melder in Ahaus und auch keine Kontrollen in Ahauser Shisha-Bars“, sagt Pressesprecherin Anna Reehuis. Das Thema sei aber „immer wieder in der Diskussion“ und nach dem Erachten der Stadt „nicht zu vernachlässigen“.

In Haltern hat das Bauordnungsamt der Stadt mit einem Eigentümer einer Shisha-Bar bereits Gespräche geführt und ihn eindringlich auf die Problematik aufmerksam gemacht. „Er wurde gebeten, CO-Melder anzubringen“, teilte Pressesprecher Georg Bockey auf Anfrage mit. „Kontrollen werden wir aber nicht durchführen, dazu sehen wir auch keine rechtliche Handhabe, wir kontrollieren ja auch keine Rauchmelder“, informiert der Stadtsprecher weiter.

Was sagen Shisha-Bar-Betreiber?

„Sky Lounge“-Inhaber Ismail Yilmaz aus Lünen hat auf eigene Faust vier CO-Melder für 300 Euro installiert. „Damit keine Menschen zu Schaden kommen“, wie Yilmaz sagt: „Das ist gut investiertes Geld.“ Angeschlagen hätten die Melder bislang nicht. Was der Sky-Lounge-Chef auch auf die Belüftungsanlage zurückführt.

Adem Ademi, Betreiber der Shisha-Bar „Prestige Lounge“ in Stadtlohn, zeigte sich auf Anfrage unserer Redaktion aufgeschlossen. Zwar habe er keine CO-Melder installiert, dennoch achte er genau auf die Belüftung. „Das ist mir sehr wichtig. Ich werde mir Gedanken über die CO-Melder machen, das finde ich nicht schlecht“, sagt Ademi.

Auch Nevruz Cana, Inhaber der „Sahara Lounge“ in Selm hat sich mit der Forderung der Ärztekammer Nordrhein auseinandergesetzt. Bei ihm soll der Melder noch in dieser Woche angebracht werden. „Ich möchte, dass die Kunden mit gutem Gewissen hier sind“, sagt Cana. Dass der CO-Melder kommen soll, war für ihn keine Frage: „Je sicherer es ist, umso besser.“ Außerdem findet er: „Wenn ein Inhaber bei solchen Dingen sparen will, dann sollte er besser gar keinen Laden aufmachen.“

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