Neues Stück von Tankred Dorst erzählt Schicksal im Schnelldurchlauf
Ruhrfestspiele
Alt werden ist nichts für Feiglinge, sagt man. Und feige ist Tankred Dorst wahrlich nicht. Mit 90 Jahren hat der Dramatiker es noch einmal gewagt, ein Stück zu schreiben. Er war sogar gemeinsam mit seiner Frau und Co-Autorin Ursula Ehler am Mittwochabend zu den Ruhrfestspielen gekommen, um die Uraufführung seines Stückes "Das Blau in der Wand" zu erleben.

Karin Pfammatter und Heikko Deutschmann spielen ein Paar in Tankred Dorst‘ neuem Stück.
Zwei Menschen hocken da auf der Bühne. "Er" und "Sie" lernen sich gerade kennen. Sie ist schwanger, er ist Autor und will einen Roman gebären. Wir erleben die Szenen ihrer Ehe, ein Schicksal im Schnelldurchlauf - aber auch, wie kurz das Leben ist. Nur 70 Minuten dauert es, bis ihr gemeinsames Dasein mit seinem Tod endet.
Melancholisches Alterswerk
Tankred Dorst ist mit "Das Blau in der Wand" ein melancholisches Alterswerk gelungen, das nicht sehr spannend, aber von einer sanften und seltsam einnehmenden Weisheit durchtränkt ist. Regisseur David Mouchtar-Samorai hat den Text in einer Kooperation der Ruhrfestspiele mit den Düsseldorfer Schauspielhaus auf einer kargen Bühne in Szene gesetzt - also eine Herausforderung für die Schauspieler Heikko Deutschmann und Karin Pfammater. Ausstatter Heinz Hauser hat den Raum mit Hilfe von Fäden angedeutet.
"Sie" tobt temperamentvoll hindurch, ringt die Hände in Sorge um den Sohn. "Er" schlurft mit charmanter Ironie durch ein erfolgloses Leben.
Fall für die Paartherapie
Und während der Zuschauer noch denkt, das sei ein Fall für die Paartherapie, sind die beiden längst zusammengewachsen. Das galt auch für die Darsteller, die zu Beginn fremdelten, dann aber eine große Intensität erreichten.
Und der Titel? Das "Blau in der Wand" hatten Denkmalschützer tatsächlich im Haus von Ursula Ehler entdeckt. Absurderweise musste es weiß überstrichen werden, um es zu schützen. Im Text steht das Blau für das Leben, der Tod wird zum großen Weißmacher. Respektvoller Applaus.