Nein, das sind keine Fotos
Ausstellung "Fotorealismus" in Hagen
HAGEN. Bitte nicht mit der Nase an die Bilder stupsen. Aber bei der Ausstellung "Fotorealismus - 50 Jahre hyperrealistische Malerei" im Osthaus-Museum Hagen rückt der Betrachter unwillkürlich immer näher an die Kunstwerke heran. Ist das wirklich gemalt?

Robert Gniewek malte "Rosie's Diner #10" im Jahr 2011.
Ja, die 70 teils riesenformatigen Gemälde, entstanden seit den 1960er Jahren, sind garantiert handgemacht. "Hyperrealisme" (Über-Realismus) heißt diese fasznierende Kunstrichtung in den USA, wo sie der Pop-Art auf den Fuße folgte. Künstler wie John Baeder, Robert Bechtle und Charles Bell fotografierten ihre Welt und übertrugen die Motive im Atelier auf die Leinwand. Manchmal, aber nicht immer freihändig. In den Anfangsjahren halfen Dia-Projektoren, heute nutzen Kunst-Stars wie Ben Johnson digitale Hilfsmittel. Der Erfolg ist umwerfend: Staunend steht der Betrachter vor der gigantischen Hotelhalle des "Rookery" in Chicago, die Johnson mega-makellos dargestellt hat. Kein Wunder, dass die Zuschauer für eine erste Version der Schau, die 2013 im Museum Thyssen-Bornemisza in Madrid zu sehen war, Schlange standen.
Das Eigentliche wird enthüllt
"Es gibt ein Geheimnis des Alltages, das wir nicht sehen", sagt Museumsdirektor Tayfun Belgin über die Schau, die er aus Tübingen übernommen hat. Tatsächlich sind die Bilder nur scheinbar genau, in Wirklichkeit lassen die Künstler das Zufällige weg und enthüllen so das Eigentliche.
Amerikanische Ikonen
Auf diese Weise sind Ikonen des "American Way of Life" entstanden. Chromblitzende Straßenkreuzer, in deren Lack sich die Straßen spiegeln. Oder prächtige Motorräder - mit ihren Lederfransen ein Symbol für Freiheit und Abenteuer. Oder die typischen "Diner" für den schnellen Imbiss, in denen anscheinend immer eine Flasche Heinz-Ketchup auf dem Tisch steht. Ironiegesättigt wirkt heute Richard McLeans Bild eines leicht übergewichtigen US-Amerikaners, der proppenstolz ein Pferd in seinem Garten präsentiert ("Mackey Marie").
Kunstrichtung breitete sich aus
Der geniale, leider inzwischen verstorbene Kurator der documenta 5, Harald Szeemann, hatte die Künstler auf unserer Seite des Atlantiks bekannt gemacht. Die Ausstellung erzählt logisch, wie sich der Fotorealismus seit 1972 regional und thematisch ausbreitete - bis zu den Stillleben des niederländischen Zeitgenossen Tjaf Sparnaay, der einen Salat oder ein Spiegelei höchst appetitlich darbietet. Nur bei Peter Maier, der mit Autolack auf Aluplatten malt, fragt sich der geneigte Betrachter dann doch nach dem Sinn eines Bildes, das mit der Fotografie identisch wird
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