Mobbing mit Schmäh in der Wiener Gesellschaft
Weil die große Bühne des Gelsenkirchener Musiktheaters saniert wird, finden die Aufführungen der "Fledermaus" von Johann Strauß im Kleinen Haus statt. Aber Regisseur Carsten Kirchmeier und Kapellmeister Thomas Reimes haben aus der Not eine Tugend gemacht.

Szene aus "Die Fledermaus" von Johann Strauss
Das Orchester ist auf eine attraktive Combo reduziert, und obwohl sich viel Volk auf der Bühne tummelt, gewinnt die Handlung dadurch kabarettistische Züge, wirkt weniger nostalgisch, sondern zeitbezogener. Und das ist dem Publikum, wie der Beifall gezeigt hat, gerade Recht.
Wiener Schmäh
Als Dr. Falke bei einem Maskenball total betrunken als Fledermaus verkleidet von seinem Freund Eisenstein durch Wien geführt und zum Gespött der Stadt wird und danach eine viel größere Intrige spinnt, um Eisenstein bloßzustellen, erinnert der Wiener Schmäh an die heutige Mobbingszene. So zeigt die Gelsenkirchener Inszenierung vor dem erheiternden Schluss, dass sie auch in Mord und Totschlag hätte enden können.
Bariton Michael Dahmen, der Eisenstein, war so erkältet, dass er die Paraderolle nicht singen, sondern nur sprechen konnte. An seiner Stelle sang Friedrich Eggers als Gast am Pult die Partie - und diese Spaltung ist surreal so perfekt gelungen, dass man sie auch beibehalten könnte.
Überraschend neu
Aus dem großen Ensemble des Musiktheaters ragen als Sängerinnen Alfia Kamalova (Eisensteins Frau Rosalinde) und Marie Heeschen (das Dienstmädchen Adele) begeisternd hervor. Und, zum letzten Mal von Christian Jeub betreut, faszinieren die Chorpartien. Wer Strauß liebt, mag ihn durch diese Aufführung weniger nostalgisch, dafür aber überraschend neu erfahren.