Minister Maas sieht Ermittlungen gegen Blogger kritisch

Skandal um Netzpolitik.org

Die deutsche Medienlandschaft reagiert mit scharfer Kritik auf die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen die Blogger von Netzpolitik.org wegen Landesverrats. Auch Bundesjustizminister Heiko Maas sieht die Ermittlungen gegen das Blog mit Skepsis.

BERLIN

31.07.2015, 16:36 Uhr / Lesedauer: 2 min

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sieht die Ermittlungen gegen zwei Journalisten von Netzpolitik.org wegen Landesverrats kritisch. „Ich habe heute dem Generalbundesanwalt mitgeteilt, dass ich Zweifel daran habe, ob die Journalisten mit ihrer Veröffentlichung die Absicht verfolgt haben, die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen“, sagte Maas am Freitag in Berlin.

Er habe auch Zweifel, „ob es sich bei den veröffentlichten Dokumenten um ein Staatsgeheimnis handelt, dessen Veröffentlichung die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt“. Er begrüße daher die Ankündigung von Generalbundesanwalt Harald Range, die Ermittlungen vorerst ruhen zu lassen. 

Georg Mascolo, Leiter des Rechercheverbundes von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“, warnte vor den Folgen für die Pressefreiheit. Es gebe zwar ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse des Staates, sagte Mascolo. "Doch wenn Journalisten Täter werden, wenn sie befürchten müssen, sich durch die Veröffentlichung von bestimmten Informationen strafbar zu machen, dann ist das Risiko für Journalismus ungeheuer hoch.“

Dokumente veröffentlicht

Netzpolitik.org hatte Pläne des Verfassungsschutzes zum Ausbau der Internet-Überwachung beschrieben und dazu Auszüge von geheimen Dokumenten des Inlandsgeheimdienstes veröffentlicht. Der Verfassungsschutz selbst hat Anzeige erstattet. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen die Blogger nun wegen des Verdachts des Landesverrats.

 

„Verdacht des Landesverrats“: Generalbundesanwalt ermittelt doch auch gegen uns, nicht nur unsere Quellen! https://t.co/knR4wtmiQK

— netzpolitik (@netzpolitik)

 

Laut Spiegel Online geht es um die beiden Artikel "Geheimer Geldregen: Verfassungsschutz arbeitet an Massenauswertung von Internetinhalten (Updates)" vom Februar und "Geheime Referatsgruppe: Wir präsentieren die neue Verfassungsschutz-Einheit zum Ausbau der Internet-Überwachung", der im April 2015 veröffentlicht wurde. 

In diesen Auszügen aus einem als "Verschlussache – vertraulich" eingestuften Bericht geht es um einen möglichen Ausbau der Internetüberwachung. Eine neue Einheit soll demnach die Profile von Extremisten in sozialen Netzwerken wie Facebook und Instagram überwachen. 

Scharfe Kritik in sozialen Netzwerken

Bereits am Donnerstag schlug die Nachricht über die Ermittlungen hohe Wellen in den sozialen Netzwerken. Immer wieder wurden Parallelen zur Spiegel-Affäre im Jahr 1962 gezogen.

Zahlreiche Medien zeigen sich solidarisch mit den Bloggern von Netzpolitik.org. Das Recherchebüro von correctiv etwa veröffentlichte auf ihrer Internetseite ebenfalls die Dokumente des Inlandsgeheimdienstes. 

"Unselige Tradition"

Mascolo sagte, der Vorwurf des Landesverrats in Deutschland habe eine unselige Tradition. Die Bundesanwaltschaft sei in den vergangenen Jahrzehnten mit solchen Vorwürfen gegen Journalisten selbst bei heikleren Geschichten zurückhaltend umgegangen - und gut daran getan. Nun machten sich Journalisten möglicherweise strafbar, wenn die über die Ausspähtaktiken des US-Geheimdienstes NSA berichten.

Der leitende politische Redakteur der „Süddeutschen Zeitung“, der Investigativ-Journalist Hans Leyendecker, sprach im rbb von einem „Versuch, Journalisten einzuschüchtern und Informanten einzuschüchtern“. Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, der die Strafanzeige gestellt hat, wolle nicht, „dass Papiere aus dem eigenen Hause bekannt werden, und deshalb versucht man jetzt, Journalisten an den Kanthaken zu kriegen“.

Netzpolitik.org ist einer der bekanntesten deutschsprachigen Blogs und wurde 2014 mit dem Grimme-Online-Award ausgezeichnet. Die Blogger setzen sich für digitale Bürgerrechte ein.

 

 

Von dpa