Grimme-Preis: Wenige Zuschauer, viel Spaß
Fernsehen
Die 57. Verleihung der renommierten Marler TV-Preise hat stattgefunden. Live und mit Publikum, aber natürlich in sehr kleinem Rahmen. Es war trotzdem ein Erlebnis.

Sorgte für eine ganz und gar gelungene Moderation bei der 57. Grimme-Preis Verleihung im Theater Marl: Jo Schück – hier im Gespräch mit (v.l.) Charly Hübner, Lars Jessen und Jan Georg Schütte („Für immer Sommer 90“). © Jörg Gutzeit
Sicherheit wurde groß geschrieben. Selbst Geimpfte oder Genesene mussten gestern Abend bei der 57. Verleihung der Marler Grimme-Preise, dem renommiertesten Fernsehpreis Deutschlands, einen tagesaktuellen Test vorweisen. Im Marler Theater gaben sich dennoch viele Stars die Klinke in die Hand, säumten zumindest einige Fans den Roten Teppich. Aber von vorne:
„Hält sich hier irgendwer an Absprachen“?
„Hält sich hier irgendwer irgendwann mal an irgendwelche Absprachen?“ Öffentlichkeitsarbeiterin und Grimmepreis-Leiterin Lucia Eskes ist reichlich genervt: Längst hätten die Preisträger am roten Teppich vorm Theater Marl eintreffen sollen. Der Zeitplan für Fotos, Pressestatements und Einlass samt Vorlage eines tagesaktuellen Negativtests ist angesichts des Corona-Hygienekonzeptes mehr als straff. Doch ein Großteil der Stars weilt noch in der Recklinghäuser Engelsburg beim – nicht, so heißt es, mit Grimmes abgestimmten – Sektempfang.
Keine Preisträger also, stattdessen ein Regenguss
Keine Preisträger also, stattdessen ein Regenguss, der die Fotografen und Kameramänner unter das schmale Vordach des Theaters zwingt. Eskes‘ „Halten Sie bitte Abstand und gehen zurück an den roten Teppich“ wird rüde weggewischt: „Wir sind geimpft, getestet und tragen Maske. Was soll denn passieren?“ Eine ganze Weile lang jedenfalls nichts, bis die ersten eintrudeln: Luzia Schmid, die den Grimmepreis für „Der Ast, auf dem ich sitze“ (Buch/Regie) bekommt, sowie Regisseur Markus Tomsche (15 Minuten Joko & Klaas – Männerwelten), der sich im Foyer gleich einen Rüffel einfängt: Maskenpflicht! Getränke bitte drinnen abholen, aber nur draußen verzehren.

Erfüllte wie viele andere Autogrammwünsche: Mai Thi Nguyen-Kim. © Jörg Gutzeit
Mehr als 140 Personen dürfen es pandemiebedingt nicht sein
Auch der Desk am Eingang, an dem die gerade mal 140 Teilnehmenden ihre namentlich festgelegten Platzkarten abholen müssen, wird von vielen zunächst geflissentlich ignoriert. Mehr als diese 140 Personen dürfen es pandemiebedingt in diesem Jahr nicht sein. 140 Plätze im Parkett, im Schachbrettmuster verteilt. Aber immerhin live und in Farbe, wenn auch nicht gestreamt.
Ehrengäste und die Gremien, also Juroren, haben dieses Mal keinen Zutritt. „Das war mittelmäßig zu vermitteln“, gibt Pressesprecher Lars Gräßer zu. Es ist eben alles ein bisschen anders. Neuland. Selbst die Autogrammjäger lassen sich an einer Hand abzählen. Nur über eines herrscht seit Jahr und Tag Einigkeit: über die Hochkarätigkeit des Preises.
„Eine größere Würdigung für gute Arbeit gibt es nicht“
Mai Thi Nguyen-Kim, die für ihre Corona-Wissensvermittlung in der Kategorie Journalistische Leistung, ausgezeichnet wurde, sagt etwa: „Ich kann es kaum glauben. 2018 bekam ich den Grimme-Online-Award und dachte, jetzt kann es nur noch bergab gehen. Das ehrt mich jetzt total.“ ARD-Anchorfrau Caren Miosga schließt sich an: „Eine größere Würdigung für gute Arbeit gibt es nicht.“ Auch Schauspieler Charly Hübner (Für immer Sommer 90) und Carolin Kebekus (Die Carolin Kebekus-Show) freuen sich über diese „ganz besondere Auszeichnung“.
Mehr dazu lesen Sie übrigens hier bei uns im Internet. Hoffentlich bequem vom heimischen Wohnzimmer aus, denn da geht so einiges, wie Comedian Sebastian Pufpaff aus Erfahrung weiß. Seit März 2020 ist er mit seinem selbsterklärten Homeoffice-Kabarett „Noch nicht Schicht“ bis auf wenige Unterbrechungen jeden Wochentag sieben Minuten lang auf 3sat zu sehen. Sitdown statt Standup. Sein Tipp: „Alles ist möglich. An alle da draußen: immer schön im Wohnzimmer produzieren. Dann kommt der Grimmepreis von ganz alleine.“

Immer für eine coole Geste gut: Sebastian Pupaff auf dem Roten Teppich der Grimme-Preis-Gala am 27. August im Marl. © Meike Holz
Die Verleihung war anders. Ganz anders.
Wenn auch die Verleihung anders war als gewohnt. Ganz anders. Es gab nicht nur keinen großen Empfang und keine abschließende Party. Auch der Theatersaal blieb teils gleich reihenweise leer. Die Abstandsregeln wurden sogar auf der Bühne eingehalten – und die Preise nicht persönlich, also von Hand zu Hand, übergeben. Corona war aber nicht nur Thema bei der Durchführung der Grimmepreis-Gala, sondern auch in vielen der 18 preisgekrönten Filme.
„Humor kann mit Relevanz verbunden werden“
Jo Schück sorgte wieder mal für eine charmante, humorvolle, aber auch nie genügend Ernsthaftigkeit vermissende Moderation – und stellte schon mit den ersten Preisträgern des Abends fest und klar, dass Humor mit Relevanz verbunden werden kann. Beispiele gab es viele. Von Sebastian Pufpaff, der sich freute, in Marl, „dem Hollywood NRW’S“ zu sein, über Carolin Kebekus (Die Jury: „Sie ist besser als jemals zuvor“) oder Lavinia Wilson („Drinnen – Im Internet sind alle gleich“), die sich freute, die Menschen, mit denen sie diesen Film gedreht habe, hier zum allerersten Mal persönlich zu treffen.
Minimalistische Klangskulpturen von Kai Schumacher
Es gab allerdings absolut nicht nur humorige Themen. Im Gegenteil. Ob Afghanistan (Das verwundete Land), die eindrucksvolle Love-Parade-Gerichts-Doku, eine berührende wie entsetzende Dokumentation über Moria oder der unsagbar schmerzende Weg einer jüdischen Familie in die Vernichtung…
Ach ja: Coronabedingt gab es diesmal auch keine mehrköpfige Band, die für kurzweilige Zwischentöne sorgte. Kai Schumacher war allerdings mit seinen minimalistischen Klangskulpturen auf dem höchstpersönlich „umgebauten“ Flügel ein wirklich bemerkenswerter Ersatz. So bemerkenswert wie die ganze Gala.
Auch unsere Kollegen von Vest24.TV standen am roten Teppich vor dem Theater Marl und haben u.a. mit Carolin Kebekus, Sophie Passmann und Charly Hübner gesprochen.