„Mainz bleibt Mainz“ legt große Koalition unters Messer
Gerade rechtzeitig für „Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht“ bekommen die Narren ihre Steilvorlage aus Berlin. Da wird selbst der Kokolores zur Grokolores.
von Von Peter Zschunke (Text) und Andreas Arnold (Foto
,Mainz
, 08.02.2018, 14:18 Uhr / Lesedauer: 2 min
Florian Sitte parodiert Angela Merkel. Foto: Andreas Arnold
Regierungsbildung macht Spaß. Zumindest den Büttenrednern in „Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht“, die am Freitagabend (20.15 Uhr) im ZDF die große Koalition unters satirische Messer legen.
Das Verhandlungsergebnis von Union und SPD fasst der Newcomer Florian Sitte in der Rolle von Kanzlerin Angela Merkel in drei Punkten zusammen: „Amtssprache bleibt Deutsch, im Straßenverkehr gilt weiter rechts vor links und draußen gibts nur Kännchen.“
Die politische Fastnacht gilt als besondere Stärke in der kleinsten der drei rheinischen Karnevalshochburgen. Die Narren wollen den Mächtigen einen Spiegel vorhalten, und so hockt Friedrich Hofmann als Till Eulenspiegel auf der Reichstagskuppel und blickt auf Merkel als „schwarze Witwe, die Spinne, die ihre Partner frisst“. Kein Wunder, dass sich FDP-Chef Christian Lindner in den Jamaika-Verhandlungen „in der Nacht vor Angst gleich in die Hos gemacht“ habe. Nur der Noch-SPD-Vorsitzende Martin Schulz scheue sich nicht, „als lebend Leiche zur Kanzlerin ins Bett zu steische“.
Die Fernsehfastnacht wird seit 1973 im jährlichen Wechsel von SWR (ARD) und ZDF ausgestrahlt, als Gemeinschaftssitzung des Mainzer Carneval Vereins (MCV), des Mainzer Carneval Clubs (MCC), des Gonsenheimer Carneval Vereins (GCV) und des Karneval-Clubs Kastel (KCK). Zuvor gab es zwei konkurrierende Fernsehsitzungen aus Mainz, die älteste begann schon 1955.
Neben Sitte und Hofmann bringt Lars Reichow in seinem gewohnten „Fastnachtsjournal“ den besonderen Mainzer Blick aufs Berliner Geschehen ein: „Sondierung heißt in der Fastnacht: Wo bin ich? Wo wohn ich? Wo steht mein Auto? Wer ist die Frau neber mich?“, also neben mir - der rheinhessische Dialekt pflegt einen etwas eigenwilligen Umgang mit der Deklination. Vierter im Bunde ist Sitzungspräsident Andreas Schmitt als „Obermessdiener“ des Mainzer Doms. Wie im vergangenen Jahr lässt er kein gutes Haar an der AfD. Alice Weidel und Beatrix von Storch erscheinen da als „Reinkarnation von Leni Riefenstahl und Eva Braun in einer Person“.
Zweite Säule der Fastnachtssitzung ist der kalauernde Kokolores, der in diesem Jahr auch als eine Art Grokolores daherkommt: Die zwölf Sänger der „Schnorreswackler“ stellen fest: „Der schönste Tag ist der Bundestag“ und mimen die Parteien. Da rauchen die Grünen schon mal einen Joint und die FDP setzt Prioritäten: „Modeln first, Regieren second“. Aber nach Feierabend sitzen alle fröhlich an einem Tisch und trinken zusammen.
Als „Chefhostess der Stadt Mainz“ tritt Sabine Pelz auf, haut aber als einzige Büttenrednerin mit Altherrenwitzen in die gleiche Kerbe wie manche ihrer männlichen Kollegen. Eine feste Größe in der Mainzer Fastnacht ist die Aversion gegen die auf der falschen Rheinseite liegende Nachbarstadt Wiesbaden, gespeist aus der Trauer um die seit 1945 nicht mehr zu Mainz gehörenden Vororte Amöneburg, Kastel und Kostheim. So frotzelt Pelz über die Wiesbadener: „Wir habe nichts gegen die - auf jeden Fall nichts, was hilft“.
Emotionaler Höhepunkt ist der Auftritt von Margit Sponheimer, die auch mit 75 Jahren glaubhaft das Bekenntnis von der „Spaß an der Freud“ verkörpert: „Gestern war gestern und heute ist heut“. So rücken sich die Mainzer Narren wie Florian Sitte auch die Kanzlerin zurecht, bis es passt: „Stellen Sie sich einfach vor, ich mache einen Handstand - dann sieht es aus, als ob ich lächle.“
- Brauchtum ,
- Medien ,
- Fernsehen ,
- Karneval ,
- Fastnacht ,
- TV-Ausblick ,
- Deutschland