Heidi Friedrich sitzt in ihrem Wohnzimmer in Fröndenberg-Bausenhagen: Die 66-Jährige leidet unter den Langzeitfolgen von Covid-19.

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Long-Covid-Patientin Heidi Friedrich (66): „Heute habe ich Angst vorm Sterben“

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Wer Heidi Friedrich kennt, denkt sofort an eine lebenslustige Frau. An den leidenschaftlichen Fan der „Roten Rosen“. Long-Covid hat den Alltag der Fröndenbergerin stark verändert.

Fröndenberg

, 15.01.2022, 15:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Heidi Friedrich, eine rote Rose an ihren Blazer geheftet, strahlend mitten in einer Fangruppe der ARD-Daily-Soap im Lüneburger TV-Studio – ein Bild aus der Vergangenheit von einer quirligen Frau. Daheim in Bausenhagen empfängt die 66-Jährige dieser Tage in gedämpfter Stimmung.

Seit November 2020 plagen Heidi Friedrich die Langzeitfolgen der Coronavirus-Krankheit Covid-19. Noch nach mehr als einem Jahr ist sie bekannte Symptome wie eine starke Müdigkeit, gravierende Konzentrationsschwierigkeiten und Gedächtnislücken nicht wieder losgeworden.

Angst vor dem Virus war von Anfang an da

Vor rund neun Monaten kam es dann noch schlimmer, ihre Ohren sind seither oft wie in Watte gepackt. Ein Druck setzt sich unvermittelt auf ihren Gehörgang. Anhaltend. Der Trick mit der zugehaltenen Nase befreit die Ohren nicht. „Man ist wie außen vor“, sagt Heidi Friedrich. „Das ist sehr belastend.“

Die Gemütlichkeit ihres Zuhauses in Bausenhagen hilft Heidi Friedrich nur bedingt über die Belastungen ihrer Erkrankung hinweg.

Die Gemütlichkeit ihres Zuhauses in Bausenhagen hilft Heidi Friedrich nur bedingt über die Belastungen ihrer Erkrankung hinweg. © Marcus Land

Dass es sie am Ende doch treffen musste – Heidi Friedrich schüttelt den Kopf. Von Anfang an hatte sie fast schon panische Angst vor dem Coronavirus. Fuhr Schlangenlinien, wenn sie am Steuer saß, weil ihr das Virus im Kopf herumspukte.

Und sie war sehr vorsichtig. Es kam vor, dass sie eineinhalb Stunden in ihrem Auto auf dem Parkplatz wartete, bis der Supermarkt sich geleert hatte. Sie wollte so wenig Menschen wie möglich begegnen, eine Ansteckung unbedingt vermeiden. Manchmal fuhr sie unverrichteter Dinge wieder nach Hause. Konnte sich dann doch nicht zum Einkauf überwinden.

Depressionen vertragen keine Ungewissheiten

Seit dem Tod eines Sohnes vor vielen Jahren hat Heidi Friedrich Depressionen. Angst vor dem Krankwerden. Die Ungewissheiten durch ein neuartiges Virus kann sie da überhaupt nicht gebrauchen, gar nichts, was sie aus der Balance bringt.

„Damals wollte ich sterben“, erzählt Heidi Friedrich. Doch sie musste ja für ihre anderen Kinder weiter Mutter sein. Sie bekam ihr Leben in den Griff, ja, die „Roten Rosen“, die sind sicherlich auch eine Hilfe, eine schöne Ablenkung.

Heidi Friedrich liebt Puppen – und ist ein leidenschaftlicher Fan der Daily-Soap „Rote Rosen“. Die lebenslustige Frau hofft, die Langzeitsymptome von Covid-19 eines Tages überwinden zu können.

Heidi Friedrich liebt Puppen – und ist ein leidenschaftlicher Fan der Daily-Soap „Rote Rosen“. Die lebenslustige Frau hofft, die Langzeitsymptome von Covid-19 eines Tages überwinden zu können. © Marcus Land

Es funktionierte alles so gut, sie bekam wieder Lebenslust. Und dann kam dieses verdammte Virus. „Heute habe ich Angst vor dem Sterben“, sagt die Frau mit dem milden Lächeln.

Das Coronavirus fing sie sich bei einer Zimmernachbarin im Krankenhaus in Unna ein, wo sie wegen eines Bandscheibenvorfalls einige Tage lag. Etwas war anders als sonst. Last hatte sie immer mit dem Rücken, aber die Schmerzen ließen meistens schnell wieder nach. Weil sie das Virus schon im Körper trug, hatte sich Heidi Friedrich auch eine Medikamentenvergiftung eingehandelt.

Haarausfall und Schweißausbrüche

Die Diagnose „positiv“ Mitte November 2020 warf Heidi Friedrich aus der Bahn. Tochter Rabea, zu der sie den engsten Kontakt hat, musste zur selben Zeit beruflich für drei Monate nach China. Freundin Evi sprang ein.

Doch Heidi Friedrich war isoliert, die beiden Frauen durften sich nur mit dem Küchenfenster zwischen sich unterhalten. Und dann bemerkte Friedrich, dass zwar der anfangs starke Husten verschwand, aber etliche Begleiterscheinungen blieben.

„Kaum habe ich den Staubsauger in der Hand, steht mir der Schweiß auf der Stirn“, klagt sie, die doch immer alles schön aufgeräumt haben möchte daheim. Treppen zu steigen fällt ihr schwer, sie sucht nach Worten und findet die richtigen oft nicht. „Und im Nachhinein sind mir auch noch die Haare ausgefallen.“

Heidi Friedrich greift sich in das wieder volle Haupthaar. Diese schlimme Erfahrung kann sie dank Medikamenten, die schnell halfen, gottlob abhaken. Anderes bedrückt sie umso mehr: Manchmal nicke sie wie bei einem Sekundenschlaf plötzlich ein. Sie will aber auch mit ihrem Auto mobil sein. „Das ist etwas, das mir Angst macht.“ Wer könnte da helfen?

Hoffen auf die Long-Covid-Selbsthilfegruppe

Sie suchte frühzeitig nach Leidensgenossinnen, wollte selbst eine Gruppe ins Leben rufen. K.I.S.S. beim Kreis Unna kam ihr zuvor. Seit einiger Zeit besucht sie im Allee-Café nun die Runde mit den Long-Covid-Patienten.

Sie hoffe, dass sie dort auf jemanden trifft, der vielleicht auch dieses beklemmende Problem mit dem Ohrendruck hat und Rat weiß. Ja, das belaste sie am meisten. „Bekomme ich einen Schlaganfall?“, frage sie sich, wenn da wieder irgendwas in ihrem Kopf nicht stimmt.

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Stimmungsaufheller hat man ihr empfohlen. Die mochte sie nicht einnehmen, die machten sie noch müder. Wenn sie ein Stimmungstief habe, suchten ihre Augen nach dem hellsten Punkt am Himmel.

Ihr Weg durchs finstere Tal wird dagegen dauern, doch sie gibt sich kämpferisch. „Ich möchte aktiv sein, aber ich krieg‘ den Dreh nicht“, hadert Heidi Friedrich, „das muss aufhören!“ Die Roten Rosen, übrigens, die laufen schon wieder in ihrem Fernseher.

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Die Selbsthilfegruppe für ehemals an Covid-19 Erkrankte trifft sich jeden zweiten Dienstag im Monat um 17 Uhr im Allee-Café in Fröndenberg, Winschotener Straße 2-4. Eine Anmeldung ist zwingend erforderlich bei Susanne Götz, Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen (K.I.S.S.), Tel. (02304 24070-22 oder E-Mail an susanne.goetz@kreis-unna.de; Info: www.kreis-unna.de/selbsthilfe