Kyoto-Preis 2007 für Pina Bausch

Wuppertal (dpa) - Was die Menschen bewegt, das interessiere sie viel mehr als wie sie sich bewegen, meinte die Choreografin Pina Bausch zu Beginn ihres Wuppertaler Engagements vor fast dreieinhalb Jahrzehnten. Und dabei ist es bis heute geblieben.

08.06.2007, 12:32 Uhr / Lesedauer: 2 min

Die verborgenen Schichten der menschlichen Seele, Kindheitserinnerungen, Verletzungen, die immer währende Spannung zwischen den Geschlechtern, Erfahrungen und Erinnerungen: Das sind die Themen, die das mittlerweile international gefeierte Wuppertaler Tanztheater unter Pina Bausch (66) rund um den Globus auf die Bühnen bringt. Heute bekam die Choreografin für ihr Lebenswerk den hoch dotierten Kyoto-Preis zuerkannt.

Ihre Tanzausbildung begann die Gastwirtstochter aus Solingen 1955 an der Folkwangschule in Essen, wurde unter Kurt Joos, dem Erneuerer des Ausdruckstanzes, Solistin. Bald gewann sie erste Auszeichnungen und startete ihre auch heute noch regelmäßigen Auslandsgastspiele, die im Lauf der Zeit zum begehrtesten deutschen Kulturexport zwischen Seoul, Sidney und zuletzt Venedig geworden sind.

In Wuppertal, wo Pina Bausch seit 1973 als Chefchoreografin und Ballettdirektorin wirkt, erregte sie zuerst mit ihren Tanzversionen von Gluck-Opern und Strawinskys «Sacre du Printemps» die Aufmerksamkeit der Feuilletons. Ihre noch radikalere tänzerische Umsetzung der Bartok-Oper «Herzog Blaubarts Burg» (1977) quittierte ein erregtes Publikum - wie viele spätere Produktionen - mit wütendem Türenknallen. Zu sehr fühlten sich wohl die Zuschauer, deren gängige Ballettvorstellungen Bausch radikal negierte, bei den oft zwischen Ironie und Aggression schwankenden, rückhaltlos offenen Szenen selbst ertappt. Mittlerweile ist das Wuppertaler Publikum versöhnt - und regiert wie auch Fans in Tokio, Paris oder Brüssel. Der Ansturm auf die schwer zu ergatternden Bausch-Karten sorgt immer wieder für eine unglaubliche Theater-Auslastung von fast 100 Prozent.

Tänzerinnen und Tänzer der Bausch-Produktionen entsprechen selten dem gängigen Schönheitsideal. Musikfetzen zwischen Oper und Schlager verstören bei einem Bühnengeschehen, das in seiner Collagetechnik einzelner Szenen eher an Film oder Bildende Kunst erinnert. Getanzt wird mitunter in knöcheltiefem Wasser, auf Torf oder zwischen Plastik-Nelken.

Statt der fürs konventionelle Ballett gängigen Interpretation von Musik liefert das Wuppertaler Tanztheater Geschichten aus der Tiefe der Existenz, die in enger Diskussion zwischen Choreografin und Ensemble entstehen. Seit vielen Jahren wird im Ausland geprobt; damit fließen Impressionen etwa aus Portugal, Hongkong oder Istanbul in die Produktionen ein. Umgekehrt gehen bis heute «uralte» Erfolgsstücke wie «Café Müller» (1978) oder «Bandoneon» (1987) mit ins Ausland.

Öffentlich nimmt die mit allen erdenklichen Tanzpreisen ausgezeichnete Star-Choreografin zu ihrer Kunst niemals Stellung; sie ist in Worten eher unbeholfen, «redet» ausschließlich mit ihren Stücken und bleibt bei Premierenfeiern lieber kettenrauchend im Hintergrund. Zwei Filmauftritte bei Fellini und Almodóvar sind bisher die Ausnahme für Pina Bausch, die nicht ans Aufhören denkt. Hier, so war einmal aus Bauschs engster Umgebung zu erfahren, sei Martha Graham (1894-1991) ihr Vorbild: Die amerikanische Pionierin des modernen Tanzes hat noch im Alter von 94 Jahren die Welt mit ihren Choreografien überrascht.

www.pina-bausch.de

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