Kopatchinskaja geigte Simon Rattle von der Bühne
Konzerthaus Dortmund
Mit so einem Konzertprogramm können wohl nur die Berliner Philharmoniker das Konzerthaus Dortmund komplett füllen. Vollkornbrot und Sahnetorte bot das beste deutsche Orchester Freitag im Sinfoniekonzert der Ruhr-Residenz mit Sir Simon Rattle.

Sir Simon Rattle mit Solistin Patricia Kopatchinskaja im Konzerthaus Dortmund
Auf Wolfgang Rihms "Gruß Moment 2" für den im Januar 2016 verstorbenen Pierre Boulez und das Violinkonzert von Ligeti folgte Mahlers vierte Sinfonie, jenes lichte Wunderhorn-Werk, das auch musikalisch ins Paradies führt.
Beides können die Berliner: Mahler ist für sie Muttermilch, und unter Rattle haben sie sich mit Musik des 20. Jahrhunderts eine Ausnahmestellung erarbeitet. Die Präzision, mit der sie komplizierte Rhythmen in den Saal tupfen, ist phänomenal. Und sie ist gut für das Ligeti-Konzert, denn das sei "Lego für die Musiker", sagt Solistin Patricia Kopatchinskaja im Interview in der Digital Concerthall des Orchesters.
Musik für die Augen
Steinchen für Steinchen fügte sie mit der kleinen Orchesterbesetzung diese Musik, die nur im zweiten Satz mal wagt, Melodie in den Vordergrund zu rücken, zusammen. Und sie machte das etwas sperrige Werk zur Musik für die Augen.
In der von der Barfußgeigerin im Fetzenfrack selbst geschriebenen Kadenz trieb sie Rattle von der Bühne, und spielte dann noch ausgelassener, tanzte, stampfte und sang. Klar ist das Inszenierung, aber eine willkommene Einlage neben den vier Ocarinas, denen Ligeti auch Sinfonieorchesterweihen gegeben hat.
Paradiesisch schön
Rihm, zuletzt oft damit beschäftigt "Grußworte" zu komponieren, war eine nette Konzerteinleitung und Hommage an Boulez, viel mehr nicht. Die Mahler-Sinfonie war das, auf das das Publikum gewartet hatte. Und es wurde üppig belohnt von dem Orchester, das da Endorphine für die Ohren ausschüttete.
Charmant wie ein Wiener ließ der Brite Rattle zu Beginn den Walzer im Vier-Viertel-Takt klingen. Und da hörte man schon den legendären Streicherklang der Berliner. Überirdisch schön, weich, wie über den Wolken musiziert, floss der dritte Satz durch den Saal. Und im Finale besang Camilla Tilling mit ihrem schlanken und trotzdem vollen Sopran so wunderbar die himmlischen Freuden. Paradiesisch schön.