Karibik auf dem Eis - „Cool Runnings“ in Pyeongchang

Jamaika-Bob bei Olympia

In Pyeongchang wird es exotisch. Ein Zweierbob der Karibikinsel Jamaika geht an den Start. Trainiert wird er von einer in Deutschland nicht Unbekannten.

Dortmund

, 06.02.2018, 09:37 Uhr / Lesedauer: 3 min
Fahrerin Jazmine Fenlator-Victorian (im Bob, v.l.), Ersatzfrau Audra Segree und Anschieberin Carrie Russel im Jamaika-Zweierbob gehören zu den Exoten in Pyeongchang. Trainiert werden sie von der Ex-Athletin Sandra Kiriasis (l.).

Fahrerin Jazmine Fenlator-Victorian (im Bob, v.l.), Ersatzfrau Audra Segree und Anschieberin Carrie Russel im Jamaika-Zweierbob gehören zu den Exoten in Pyeongchang. Trainiert werden sie von der Ex-Athletin Sandra Kiriasis (l.). © Montage: Klose

Tränen laufen über das Gesicht von Sandra Kiriasis und ihren Mädels. Die Olympischen Winterspiele in Pyeongchang finden mit einem jamaikanischen Zweierbob statt. Drei Tage nach dem 13. Platz in St. Moritz herrscht am 16. Januar Gewissheit bei Fahrerin Jazmine Fenlator-Victorian, Anschieberin Carrie Russel, Ersatzfrau Audra Segree und eben ihrer Trainerin Sandra Kiriasis - Deutschlands ehemalige Top-Pilotin. Als sie die Nachricht der Qualifikation erhalten, sind sie noch immer im schweizer Alpin-Ferienort. Auf Facebook dokumentiert ein Foto, auf dem die vier in die Luft springen, ihre Freude. „Die Emotionen, die wochenlang in ihnen steckten, sind einfach rausgebrochen“, sagt Kiriasis im Gespräch mit dieser Redaktion.

Ordentliche Resultate

Zum ersten Mal startet ein jamaikanisches Frauenteam im Eiskanal bei Winterspielen. 30 Jahre nach den legendären „Cool Runnings“: Dem männlichen Viererbob der Karibikinsel, der sich 1988 für Olympia im kanadischen Calgary qualifiziert hatte und auch von Disney verfilmt wurde. Aber Kiriasis‘ Team ist weit davon entfernt, als Kuriosum ohne sportlichen Wert in die Geschichte der Spiele von Pyeongchang einzugehen.

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Gleich beim ersten Weltcup-Start des Zweierbobs der laufenden Saison im sauerländischen Winterberg gelingt Fenlator-Victorian mit Anschieberin Russel ein beachtlicher siebter Rang. Sogar den deutschen Bob um Anna Köhler und Erline Nolte haben sie um einen Platz geschlagen. Ein elfter Platz in Innsbruck, Platz 18 in Altenberg, der besagte 13. Rang in St. Moritz und die elftschnellste Zeit am Königssee sind ordentliche Resultate.

Team mit Potenzial

Im Team steckt Potenzial. Die 32-jährige Fenlator-Victorian ist kein Neuling im Sport. Seit 2007 fährt sie Bob, vier Jahre später hat die gebürtige US-Amerikanerin, dessen Vater Jamaikaner ist, ihr Debüt im Nationalmannschaftsteam gefeiert. Damals für ihr Geburtsland. Im Oktober 2015 zieht es sie dann zum jamaikanischen Verband. Im Nordamerika-Cup 2016/17 gelingt ihr gemeinsam mit ihrer Anschieberin Carrie Russel in Lake Placid dann der allererste Podestplatz eines jamaikanischen Teams in einem offiziellen Rennen des Bob-Weltverbandes IBSF.

Russel ist im Gegensatz zu ihrer Fahrerin ein Bob-Neuling. Erst vor zwei Jahren hat sie zum ersten Mal in einem Schlitten Platz genommen. Der Name Russel ist vor allem Leichtathletik-Experten ein Begriff. Bis zu ihrem Bob-Debüt ist die 27-Jährige als Sprinterin aktiv gewesen. Bei den Weltmeisterschaften 2013 in Moskau steht sie mit der 4-x-100-Meter-Staffel sogar ganz oben auf dem Podest. So ein Neuanfang im Sport sei, „ein Prozess, der reift“, sagt Kiriasis. „Jeder Sportler, der schon einmal top war“, gehe so eine Herausforderung zielstrebig und nicht leichtfertig an, führt sie weiter aus. Auch die Ersatzfrau Audra Segree kommt aus der Leichtathletik.

Akribie und Ernsthaftigkeit

Lässt man Kiriasis ihr Team beschreiben, kommt sie ins Schwärmen. „Erst einmal sind Jamaikaner lebensfreudige Menschen. Wenn irgendwo Musik angeht und der Rhythmus kommt, dann fangen die erst einmal an zu tanzen. Die Stimmung ist einfach lockerer, ohne es negativ zu meinen“, sagt die 43-jährige gebürtige Dresdnerin. Dennoch würde das Team die Aufgaben mit einer hohen Akribie und Ernsthaftigkeit angehen. „Sie wollen ihr Land repräsentieren und nicht nur belächelt werden“, so Kiriasis weiter. Als Ziel gibt die Wahl-Nürnbergerin ganz selbstbewusst einen Top10-Platz aus.

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Seit Oktober 2017 trainiert die im Jahr 2014 zurückgetretene weltbeste Zweierbob-Pilotin Kiriasis jetzt die Karibik-Insulaner. Der Name Kiriasis steht in der Bobwelt immer noch für Erfolg. Ein Olympiasieg, je sieben Weltmeister- und Europameistertitel sowie 40 Weltcup-Einzel- und neun Weltcup-Gesamt-Erfolge stehen in ihrer Vita. Auch die kanadische Pilotin und amtierende Olympiasiegerin Kaillie Humphries wird von Kiriasis betreut. „Es ist keine Doppelbelastung. Es geht hauptsächlich um das Bahntraining. Ob ich es einer Person sage, wie sie gefahren ist, oder mehreren, das macht keinen Unterschied“, sagt sie.

Kiriasis ist Mädchen für alles

Auch die Pilotinnen hätten damit keine Probleme. Ganz im Gegenteil. Humphries ist quasi die Initiatorin von dem Jamaika-Engagement der Deutschen. Über Humphries sei die Anfrage erst an Kiriasis herangetragen worden. Bei den Jamaikanerinnen ist die Sächsin als Mädchen für alles unterwegs. „Wenn ich noch eine medizinische Ausbildung hätte, wäre ich auch noch Arzt und Physio“, sagt sie mit Augenzwinkern. Auch den Bus würde sie öfter fahren.

Die letzten Sporen für Olympia hat sich das Team mit Athletiktraining in einem Trainingslager in Oberhof geholt - vor allem den Start haben sie dort noch einige Male geübt, seit Samstag sind die vier in Südkorea. Mitte dieser Woche stehen die ersten Trainingsfahrten im Alpensia Sliding Center an. Erst am 20. Februar startet der erste Wettkampf-Lauf im Eiskanal. Bis dahin bleibt also noch eine Menge Zeit, sich auf den Tag X vorzubereiten. Ob die jamaikanische Lockerheit mental helfen könne? „Man muss abwarten, ob sie das wirklich dann sind. Es ist eine Gratwanderung - da muss man die Balance zwischen An- und Entspannung finden“, sagt Kiriasis.

Team will eigene Geschichte schreiben

Den Film „Cool Runnings“ werde man sich zur Entspannung oder als teambildende Maßnahme jedenfalls nicht gemeinsam anschauen, sagt Kiriasis. „Wir schauen uns dann lieber zur Motivation Material von uns an.“ Das Team, das von ihrem Ausstatter Puma als „The Hottest Thing On Ice“ (dt.: „Das heißeste Ding auf dem Eis“) beworben wird, will seine eigene Geschichte schreiben. Vielleicht laufen Ende Februar ja wieder Tränen der Freude über die Gesichter der vier.

Das sind Sandra Kiriasis und ihr Team
Sandra Kiriasis, geborene Prokoff, ist am 4. Januar 1975 in Dresden zur Welt gekommen. Von 2000 bis 2014 war sie als Bobsportlerin im Zweier aktiv. Im vergangenen Jahr hat die heutige Trainerin ihr Sportstudium mit Bachelorabschluss beendet. Fahrerin Jazmine Fenlator-Victorian, am 29. August 1985 in Pequannock, New Jersey zur Welt gekommen, hat als bisheriges Karrierehighlight einen zweiten Platz beim Weltcup in Lake Placid in der Saison 2011/12 für die USA. Carrie Russel, geboren am 18. Oktober 1990 auf Jamaika, hat mit Fenlator im Dezember 2017 mit Platz 7 in Winterberg ihr bestes Weltcup-Resultat eingefahren. Ersatzanschieberin Audra Segree wurde am 5. Oktober 1990 auf Jamaika geboren. Mit Platz 18 im Januar dieses Jahres in Altenberg steht ihr bisheriger Karriererekord in ihrer Vita.