Kabinett stimmt für Abzug der Bundeswehr aus Incirlik
Fragen und Antworten
Nun ist es offiziell: Die Bundeswehr wird aus dem türkischen Incirlik abgezogen. Wann der erste Soldat das Land verlässt, ist aber noch offen. Die Einsatzbedingungen für die Truppe verschlechtern sich am neuen Standort in Jordanien. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu der Verlegung der Einsatzgruppen.

Eine Frachtmaschine der Bundeswehr landet auf der Luftwaffenbasis Incirlik.
Der Umzug dauert etliche Wochen, kostet viel Geld - und macht militärisch keinen Sinn. Trotzdem wird die Anti-IS-Truppe der Bundeswehr vom türkischen Incirlik ins jordanische Al-Asrak verlegt, weil sich zwei Nato-Partner so tief zerstritten haben, dass sie keinen anderen Ausweg mehr fanden. Das Bundeskabinett hat sich am Mittwoch einvernehmlich für den Abzug entschieden. Außenminister Sigmar Gabriel hatte ihn nach seinem gescheiterten letzten Einigungsversuch in Ankara am Montag bereits angekündigt. Der Vorgang ist ohne Beispiel und wirft viele Fragen auf.
Warum ist die Verlegung des Standorts notwendig? Grund für den Abzug ist ein Besuchsverbot für Bundestagsabgeordnete in Incirlik. Die türkische Regierung hatte damit auf die Asylgewährung für türkische Soldaten in Deutschland reagiert. Ankara macht die Offiziere für den Putschversuch im vergangenen Jahr verantwortlich.
Gibt es auch im Parlament Einvernehmen? Die Koalitionsfraktionen und die Grünen sind für einen Abzug. Die Linke auch, sie geht aber noch einen Schritt weiter: „Die Soldaten sollten nicht nach Jordanien verlegt, sondern endlich nach Hause geholt werden“, sagt Fraktionschefin Sahra Wagenknecht.
Wann kann der Umzug beginnen? Das ist noch nicht ganz klar. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen erhielt vom Kabinett den Auftrag, mit den Nato-Partnern zu klären, wann der Abzug genau beginnen soll und wer in der Übergangszeit einspringen kann. Es muss geklärt werden, wer in der internationalen Koalition gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) die Aufgaben der Bundeswehr für die Zeit des Umzugs übernehmen kann.
Wann wird die Bundeswehr denn in Al-Asrak voll einsatzfähig sein? Voraussichtlich muss die Beteiligung der Bundeswehr an dem Anti-IS-Einsatz für zwei Monate unterbrochen werden. So lange dauert es, um das Herzstück des Einsatzes nach Jordanien zu schaffen. Dabei handelt es sich um die Bodenstation, in der die Bilder der „Tornado“-Aufklärungsflugzeuge ausgewertet werden. Sie ist in mehreren Containern untergebracht. Insgesamt muss die Bundeswehr 200 Container von Incirlik nach Al-Asrak schaffen - mit dem Flugzeug oder per Schiff und auf Lastwagen. Es ist also eine größere logistische Herausforderung.
Was ist Al-Asrak für ein Standort? Die Gegend um das Schloss von Al-Asrak nutzte nach Angaben des jordanischen Militärs bereits 1918 der als Lawrence von Arabien zur Legende gewordene Brite Thomas Edward Lawrence zum Start und zur Landung von Flugzeugen. Die Region erschien vor allem wegen klarer Sicht und guten Wetters als Standort für einen Militärflughafen geeignet, zu dem Al-Asrak Ende der 1970er Jahre ausgebaut wurde. Schon jetzt wird der Stützpunkt auch für den Kampf gegen den IS benutzt. Wie in Incirlik ist auch in Al-Asrak die US-Luftwaffe stationiert. Das ist wichtig für die Versorgung der Bundeswehrtruppe zum Beispiel mit Treibstoff für die Flugzeuge.
Was bedeutet der Umzug für die Einsatzbedingungen? Sie verschlechtern sich. Die Versorgungslage ist trotz der US-Präsenz nicht ganz so gut wie in Incirlik. Außerdem ist die Lage weniger günstig. Um nach Incirlik zu kommen, müssen die Bundeswehr-Flieger ausschließlich Nato-Gebiet überqueren. Auf dem Weg nach Jordanien müssen sie über Länder hinwegfliegen, die nicht zum Bündnisgebiet gehören. Das Einsatzgebiet - Syrien und der Irak - ist von Jordanien allerdings ähnlich gut zu erreichen wie von Incirlik aus.
Sind künftig gar keine deutschen Soldaten mehr in der Türkei? Doch. 20 bis 30 Soldaten beteiligen sich von Konya aus an den Nato-Aufklärungsflügen mit „Awacs“-Maschinen.
Warum werden die nicht abgezogen? Da es sich um einen Nato-Stützpunkt handelt, hat die Türkei für Konya eine Besuchserlaubnis für Bundestagsabgeordnete erteilt. Für den 17. Juli ist eine Reise der Obleute des Verteidigungsausschusses geplant.
Was hält die Nato eigentlich von dem Streit? Sie bedauert den Abzug zwar, sieht den Streit aber als bilaterale Angelegenheit zwischen Deutschland und der Türkei an. Sie hält sich also raus. Auch das US-Verteidigungsministerium will den Streit nicht kommentieren.
von dpa