Kabarett Die Stachelschweine feiert 65. Jubiläum

Ihren Anfang feierten sie noch im Jazzkeller «Badewanne», als Eintritt wurde «pro Kopp een Knopp» verlangt.

Berlin (dpa)

von Von Nada Weigelt, dpa

, 29.10.2014, 00:09 Uhr / Lesedauer: 2 min

Ehemalige Schauspieler und Mitarbeiter des Kabaretts Die Stachelschweine versammeln sich noch einmal auf der Bühne. Foto: Lukas Schulze

Ehemalige Schauspieler und Mitarbeiter des Kabaretts Die Stachelschweine versammeln sich noch einmal auf der Bühne. Foto: Lukas Schulze

Seit 65 Jahren begleitet das Berliner Kabarett Die Stachelschweine bissig-satirisch die Geschicke dieser Republik und nimmt bis heute Zeitgeist, Anpasserei und politische Hohlheit kritisch aufs Korn - gemäß Erich Kästners Empfehlung: «Liebe Stachelschweine, lasst Euch nie rasieren!»

Als der junge Regisseur und Gustav-Gründgens-Schüler Rolf Ulrich die Truppe 1949 zusammen mit Kollegen von der Schauspielschule gründete, war Konrad Adenauer gerade erstmals zum Kanzler gewählt worden. «Alles irrsinnig komisch» hieß das erste Programm, das am 29. Oktober Premiere feierte.

«Es war eine irre Zeit, eine Zeit, wo noch alles möglich schien», erinnert sich der 2005 gestorbene Gründer Ulrich in seinem Buch «Alles sollte ganz anders werden» (1990). «Die Bundesrepublik war gerade gegründet worden ... und wir konnten noch zu unseren Verwandten nach Ost-Berlin fahren. Wir hatten die Gnade der Stunde Null.»

Die Erfahrungen von Krieg und Nazi-Zeit prägten die junge Truppe. Sie verstand es als ihre Aufgabe, für eine bessere und friedliche Welt zu kämpfen. Nach Kabarettisten wie Günter Pfitzmann, Jo Herbst und Wolfgang Neuss stieß 1951 auf Empfehlung von Harald Juhnke auch Wolfgang Gruner zum Ensemble.

Als Berliner Urgestein mit Herz und Schnauze sollte der begnadete Schauspieler für Jahrzehnte das Aushängeschild des Ensembles werden. «Wir haben jedenfalls versucht, der Demokratie immer den Steigbügel zu halten - obwohl unsere erste Schicht eine gebrannte Generation war», schrieb Gruner im Almanach zum 50-Jährigen.

Zusammen mit der Münchner Lach- und Schießgesellschaft und dem Düsseldorfer Kom(m)ödchen entwickelten sich Die Stachelschweine in den 50er und 60er Jahren zu einem der wichtigsten politischen Kabaretts in Deutschland. Große Themen waren die mangelnde Aufarbeitung der NS-Zeit und die deutsche Wiederbewaffnung, die Atompolitik und gesellschaftliche Aufbruch der Studentenrevolte, die Mauer und die deutsche Teilung.

Die Popularität des Programms und zahlreiche Fernsehauftritte sorgten später allerdings gelegentlich auch für den Vorwurf, eine Touristenbühne zu sein. Einen Überblick über die Entwicklung gibt zum Jubiläum die DVD-Box «Die Stachelschweine», die von der ARD-Sendung «Denn sie wissen, was sie tun» (1959) bis zum Programm «Die abgeschriebene Republik» (1996) mehrere TV-Aufzeichnungen versammelt.

1965 zieht die Truppe nach wechselnden Stationen in West-Berlin ins neue Europa-Center nahe der Gedächtniskirche am Kudamm. In dem eigens für sie entworfenen Theater gibt es jetzt 300 Plätze und eine Bühne, die viel Raum für komödiantische Spielfreude bietet.

Dass sich das heute vierköpfige Ensemble bisher nicht hat «rasieren» lassen, beweist es mit seinem spritzig-bissigen Jubiläumsprogramm «Deutschland sagt Jein!» Geschäftsführerin Charlotte Reeck, die den Laden seit 17 Jahren am Laufen hält, zitiert bei der Premiere den großen Werner Schneyder: «Die Wut bleibt jung - und wir auch.»

Auch Schauspielerin Birgit Edenharter (61), mit mehr als zwanzig Jahren Erfahrung inzwischen das älteste «Stachelschwein», hält die Zeiten von Kabarett noch längst nicht für vorbei. Mit Blick etwa auf Salafisten und den islamistischen Terror meint sie allerdings: «Was real auf der Welt passiert, macht es oft sehr schwer, Witze darüber zu machen.»

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