Johan Simons fährt letzte Schicht als Ruhrtriennale-Chef
Programm 2017 vorgestellt
ESSEN/DORTMUND. Mit "Freude" geht Johan Simons in seine dritte und letzte Saison als Chef der Ruhrtriennale. Und mit einem Super-Programm. Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller hält am Freitag, 18. August, die Eröffnungsrede. TV-Star Caroline Peters ("Mord mit Aussicht") steht ab 25. August in einer Jelinek-Inszenierung auf der Bühne.
Johan Simons, der zur Programmvorstellung am Freitag gelbe Turnschuhe trug, ist ein Denker, den der Zustand der Welt stark beschäftigt. Demokratie sei heute nicht mehr selbstverständlich, meinte er. "Wir sind mit aggressiven Gegenentwürfen konfrontiert. Viele sehen heute nur noch Freund oder Feind, Schwarz oder Weiß. Es ist ein Schwarz-Weiß, das uns die Populisten aufdrängen wollen", sagte er. Dass auch das Plakat der Ruhrtriennale in diesem Jahr reichlich düster ausgefallen ist, bedeute aber nicht, dass das Festival schwarz sehe. Simons will in den 135 Veranstaltungen nach der Zukunft fragen. Er verspricht ein "Festival der Anregung und Aufregung". Deshalb stehen die Schillerworte "Freude schöner Götterfunken" auf den Plakaten, allerdings jedes Wort einzeln. Der Vorverkauf der 40000 Karten hat begonnen. Hier die Höhepunkte:
Musiktheater
Zur Eröffnung gibt’s Claude Debussys Oper "Pelléas und Mélisande" in der Jahrhunderthalle Bochum mit Star-Sopranistin Barbara Hannigan, Sylvain Cambreling dirigiert die Bochumer Symphoniker (18.8.-3.9.)
Zum Text "Kein Licht." von Elfriede Jelinek ist Musik von Philippe Manoury entstanden. Caroline Peters spielt in der Regie von Nicolas Stemann Szenen nach dem Super-GAU (Duisburg, 15.8.-3.9.).
Johan Simons selbst inszeniert "Cosmopolis" nach einem Roman von Don DeLillo, der einen Tag im Leben einen Cyber-Kapitalisten beschreibt, zu erleben vom 22. bis 30.9 in Duisburg.
Schauspiel
Die "Trilogie meiner Familie" nach Zola geht zu Ende. "Hunger" heißt die dritte Regie-Großtat von Luk Perceval, zu sehen am 7./8.9. in Duisburg. Wer richtig Sitzfleisch hat, kann sich am 15./17.9. jeweils alle Teile anschauen. Elf Stunden lang!
Tanz
Starchoreografin Meg Stuart produziert ihr neues Stück "Projecting Space" in der Zentralwerkstatt der Zeche Lohnberg in Dinslaken. Damit erobert das Festival eine neue historische Halle fürs Theater. Außerdem gibt’s Tanz-Stücke von Anne Teresa De Keersmaeker, Richard Siegal und die "Episoden des Südens" auf PACT Zollverein, wo man Hängematten für die Besucher aufhängen will.
Klassische Musik
Zwei Höhepunkte des Klassik-Angebotes der Triennale erklingen auf Zeche Zollern in Dortmund. Das Collegium Vocale Gent wird die „Marienvesper“ von Claudio Monteverdi in der schönen Halle aufführen (20. 8. um 15 Uhr, 21. 8. um 19.30 Uhr). Die Leitung hat Philippe Herreweghe. Das Chorwerk Ruhr gastiert ebenfalls dort mit dem Programm „Memoria“. Leiter Florian Helgath kombiniert festliche Renaissance-Musik von Tomás Luis de Victoria mit der „Rothko Chapel“ von Morton Feldmann – geschrieben zur Erinnerung an den Maler Mark Rothko, der sich 1970 das Leben nahm (25./26. 8. um 20 Uhr, 27. 8. um 15 Uhr).
Vier Kunst-Installationen
„Eintritt frei“ heißt es bei vier Kunstinstallationen ab August. Der „White Circle“ in Duisburg wird ein Kreis aus Neonröhren sein, die von Musik gesteuert werden. Die Dortmunder Filmemacher Michael Loeken und Ulrike Franke haben aus der Aktion „Truck Tracks Ruhr“ eine Filminstallation gemacht, die in der Kokerei Zollverein zu sehen wird. „Euphoria“ von Julian Rosefeldt wird an eine Fassade hinter der Jahrhunderthalle Bochum projiziert – ein Beitrag der „Urbanen Künste“ zum Festival. Vor der Halle wird wieder das tolle Kunstdorf des Ateliers van Lieshout entstehen.
Das Programm kostet in diesem Jahr 14,5 Millionen Euro, 80 Prozent der Summe sind öffentliche Gelder. Leider wechselt der kaufmännische Leiter Lukas Crepaz ab 1. April zu den Salzburger Festspielen. Vorher ist ihm aber noch gelungen, der 17 Jahre lang sehr beengt untergebrachten Triennale ein neues Domizil im Bochumer Westpark zu verschaffen. Auch die Benennung des dortigen Platzes nach dem ersten Triennale-Chef Gerard Mortier geht auf seine Initiative zurück. Eine sympathische und bewegende Idee, die sogar NRW-Kulturministerin Christina Kampmann sehr lobte.