
Ob Kennenlernen oder Zusammenbleiben: Franziska Urbatschek ist Expertin in Sachen Liebe und berät Menschen, die noch Nachhilfe brauchen. In ihrer Kolumne schreibt sie über Themen aus dem Coaching-Alltag. © Grafik: Klose
Ich bin nicht gut genug: So entsteht ein negatives Selbstbild
Kolumne „Liebe lernen“
Das Gefühl, nichts wert zu sein, kennen mit Sicherheit viele. Von einer „schambasierten Identität“ haben wahrscheinlich die wenigsten gehört. Was es damit auf sich hat, erklärt Beziehungscoach Franziska Urbatschek.
Wie entsteht eigentlich ein negatives Selbstbild? Viele von uns kennen Gedanken wie „ich bin nicht gut genug“, „ich bin nicht liebenswert“ oder „ich bin einfach unwichtig“. Das ist die sogenannte gedachte „schambasierte Identität“ von uns selbst.
Diese Identität wird in der Regel laut, wenn etwas nicht so verläuft, wie wir uns das wünschen, wenn wir einen Misserfolg erleben. Zum Beispiel unsere Partnerin oder unser Partner trennt sich oder wir haben wieder einen Korb bekommen. Solche Erfahrungen schmerzen und wir fragen uns instinktiv, warum uns das passiert. Eine mögliche Erklärung ist unsere schambasierte Identität. „Ist ja logisch, dass der andere mich nicht will, ich bin ja auch nicht liebenswert, so wie ich aussehe oder mich verhalte.“
Doch wie entstehen diese gedachten Identitäten von uns selbst?
Wenn wir als Babys auf die Welt kommen, sind wir noch nicht überlebensfähig. Denn was fehlt noch zum Überleben? Nahrung, Licht, Luft, Liebe und Schutz. Nahrung, Schutz und Liebe erhalten wir von den Menschen, bei denen wir aufwachsen, meistens von unseren Eltern.
Ja, Liebe ist auch ein Grundbedürfnis. Es gibt grausame Experimente, bei denen Kinder in Waisenhäuser zwar versorgt wurden, aber keine physische Nähe erhalten haben. Diese Kinder sind entweder zurückgeblieben oder gestorben. Anhand dieser Experimente konnte man ableiten, dass Liebe ein Grundbedürfnis von uns Menschen ist, das auch dem Überleben dient.
Und jetzt stellen wir uns mal vor, dass irgendeines unserer Grundbedürfnisse als Kind nicht erfüllt wurde. Eventuell haben unsere Eltern nicht verstanden, dass wir als Baby schreien, weil wir etwas zu essen haben möchten. Oder wir kommen in jungen Jahren mit einer guten Note von der Schule, doch unsere Mutter hat gerade keine Zeit, uns dafür zu loben.
Bliebt Liebe aus, führt das zu einer inneren Not
Für unser menschliches System können solche Situationen zu einer „inneren Not“ führen. Eines unserer Grundbedürfnisse wird nicht erfüllt, in diesen Fällen das Bedürfnis nach Nahrung und Liebe. Instinktiv suchen wir als Kind die „Schuld“ bei uns, da wir dazu neigen, unsere Eltern zu idealisieren. Selbst wenn diese Probleme haben, wie zum Beispiel eine Drogenabhängigkeit. Das passiert automatisch, da das Überleben von den Eltern abhängt. Deswegen lernen wir, unsere Bedürfnisse zu unterdrücken und entwickeln eine schambasierte Identität – wie zum Beispiel „ich bin nicht gut genug“, „ich bin nicht liebenswert“.
Der Preis, den wir für ein negatives Selbstwertgefühl zahlen, ist der, dass wir uns immer wieder Situationen, die anders als erwartet sind, mit unserer gedachten Identität erklären. Und irgendwann nehmen wir diese Gedanken als „Wahrheit“ über uns selbst an.
Wir betrachten die Welt wie durch eine Sonnenbrille
Wir gehen mit einem Filter durch die Welt. Den können wir uns wie eine Sonnenbrille vorstellen. In jeder Begegnung und in jeder Situation suchen wir unterbewusst Beweise, warum die Identität stimmt, die wir uns angedichtet haben. Und wir sehen die Welt nicht so wie sie ist, sondern in einer Farbe, die wir der Situation geben. So erschaffen wir eine Distanz zu anderen und können nur bedingt wirkliche Nähe erfahren, zulassen oder auch schenken.
Wie lange möchtest du die Welt noch durch die Sonnenbrille sehen, wann bist du bereit, diese abzusetzen? Wenn nicht jetzt, wann dann?
Liebe lernen – mit unseren Tipps
Single- und Beziehungscoach Franziska Urbatschek glaubt nicht an das Glück in der Liebe. Vielmehr ist sie davon überzeugt, dass jeder seinem Glück auf die Sprünge helfen kann. In ihrer Kolumne für Hellweger Anzeiger und Ruhr Nachrichten berichtet Franziska Urbtschek regelmäßig über Themen aus ihrem Coaching-Alltag. Sie spricht über Probleme, die Singles oder Paare beschäftigen, und macht Lösungsvorschläge.Jahrgang 1988, aufgewachsen in Dortmund-Sölde an der Grenze zum Kreis Unna. Hat schon in der Grundschule am liebsten geschrieben, später in Heidelberg und Bochum studiert. Ist gerne beim Sport und in der Natur.
