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Online-Dating hat nichts mit Spaß zu tun – denn es gibt viele No-Gos
Kolumne „Dinner for One“
Stundenlanges nach links wischen, schlechte Anmachsprüche, nervige Lügereien: Online-Dating ist anstrengend und frustrierend zugleich. Der nächste Teil unserer Single-Kolumne „Dinner for One“.
Meine beste Freundin befindet sich seit einer gefühlten Ewigkeit in einer Beziehung. Deshalb nimmt sie unsere wöchentlichen Treffen gerne zu Anlass, meinen Tinder-Account zu benutzen. Schließlich mache es ja so einen Spaß, die unterschiedlichen Profile zu durchforsten.
Dieser Auffassung sind nur diejenigen Menschen, die glücklich mit ihrem Partner sind und sich nicht aus ernsthaftem Interesse mit Online-Dating beschäftigen müssen. Denn Menschen via App kennenzulernen hat für mich nichts mit Spaß zutun - es fühlt sich vielmehr wie Arbeit an.
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Die Tinder-Männerwelt: Oben-Ohne-Fotos und peinliche Profiltexte
Es ist mal wieder so ein Abend, an dem ich mit einer großen Packung Eis auf dem Sofa liege und neben der Serie „Grey's Anatomy" auf Tinder rumhänge. Sicherlich sind bereits 1462 Swipes nach Likes vergangen, seitdem ich zuletzt meine Position gewechselt habe. Mein Daumen und meine Handgelenke tun mir schon weh, von dem vielen wischen.
Aber wenn ich eines in den vergangenen Jahren gelernt habe, dann dass Online-Dating viel Ausdauer und Hartnäckigkeit benötigt. Schließlich muss ich mich erstmal für eine geraume Zeit durch die unterschiedlichsten schlechten Fotos der „Tinder-Männerwelt" klicken - durch Oben-Ohne-Fotos, Möchtegern-Bilder, Party-Schnappschüsse und zahlreiche Gruppenfotos, auf denen ich nicht einmal erkennen kann, wer Besitzer des Accounts ist.
Wenn die Fotos von einem Profil in Ordnung sein sollten, heißt das noch lange nichts. Denn männliche Tinder-Nutzer schreiben die dollsten Sätze in ihre Biographien (Achtung: Ironie). Hier ein paar Beispiele von furchtbaren Profiltexten, die ich am Tag zig Mal lese:
- „Ich bin Clyde. Möchtest du meine Bonnie werden?"
- „Was ich suche? Den Grund, mich hier abzumelden“
- „Meine Katze sucht ein liebes und attraktives Frauchen"
- „Sag bescheid, wenn ich zuerst schreiben soll“
- „Gibt es noch wahre Liebe?"
- „Ich bin nicht der typische Dating-App-User"
Wer solche oder ähnliche Sätze in seine Tinder-Biographie schreibt, kann unmöglich mit positivem Feedback rechnen!
Nach einer Ewigkeit - zumindest nach einer so langen Zeit, dass mein Eis inzwischen komplett geschmolzen ist - wird mir endlich ein Mann angezeigt, der das Potential für ein Match hat.
Doch bevor ich nach rechts wische, kontrolliere ich das Profil von Malik aufs Neue. Aber tatsächlich, sein Profil ist fehlerfrei: Keine merkwürdigen Bilder und keine komischen Profiltexte zu sehen. Ich wische nach rechts.
Anmachsprüche und übertriebene Nachrichten sind ein No-Go
Wenn sich aus dem Swipe nach rechts tatsächlich ein Match ergibt, steht bereits das nächste Hindernis bevor: Die erste Nachricht. Ich weiß selbst, wie schwer es sein kann, einen passenden ersten Satz zu formulieren. Doch eine schlechte Idee sind und bleiben langweilige Einsilber.
Noch schlimmer sind Anmachsprüche, mit denen es einige Nutzer immer noch probieren. Keine Ahnung, wie jemand glauben kann, dass er auf die Frage „Denkst du, wir haben vielleicht einen gemeinsamen Freund, der uns einander vorstellen könnte?" eine Antwort bekommen könnte.
Ein weiteres absolutes No-Go sind übertriebene und hochgestochene erste Nachrichten. Erst neulich hat mir ein Tinder-Match folgendes geschrieben: „Hallo, meine Liebe. Ich freue mich sehr, dich kennenlernen zu dürfen. Noch lieber würde ich dich persönlich treffen." Dank der Nachricht konnte ich auf ein Kennenlernen verzichten.
Was Online klappt, kann offline plötzlich ganz anders sein
Bei meinem heutigen Match Malik greife ich dem Schicksal unter die Arme. Deshalb verfasse ich selbst die erste Nachricht. So kann er sich zumindest nicht direkt als Idiot outen. Sicher ist sicher.
Ich gehe in der ersten Nachricht immer auf die jeweilige Profilbeschreibung ein - ist persönlich und führt zu guten Gesprächen. So schreiben Malik und ich im Augenblick über unseren jeweiligen Studiengang.
Bisher verstehen Malik und ich uns sehr gut - er ist sehr kommunikativ und hat einen guten Humor. Doch leider heißt auch das noch nichts. Denn was Online klappt, kann Offline plötzlich ganz anders sein.
Denn der Großteil der Singles verstellen sich auf Dating-Apps. Zudem haben sie die nötige Zeit, sich über ihre Antworten konkrete Gedanken zu machen. Manche erfinden sogar dreiste Lügen, um sich in ein besseres Licht zu rücken.
Ob der Gegenüber wirklich zu einem passt, kann man daher unmöglich über Dating-Apps herausfinden. Sie bieten einem zwar die Chance, Bekanntschaften zu machen, doch ein richtiges Kennenlernen ist nur Face-to-Face möglich. Deshalb haben Malik und ich vor, uns nächste Woche persönlich zu treffen. Ich bin schon gespannt, ob er Offline so gibt, wie er es Online getan hat, oder doch ganz anders ist.
Neben dem Journalistik-Studium unterstützt Charlotte Schuster die Redaktion in Werne. Im Sommer 2020 hat sie ein Praktikum bei den Ruhr Nachrichten absolviert, welches ihr die schönen Seiten des Lokaljournalismus gezeigt hat.