In ihrer Kolumne „Dinner for One“ schreibt Charlotte Schuster über Themen, die Singles beschäftigen.

© Grafik: Klose

Die radikale Art des Alleinseins und eine wichtige Erkenntnis

rnKolumne „Dinner for One“

Seit Beginn der Pandemie kämpft unsere Autorin mit der Einsamkeit. Dennoch nimmt sie aus dieser radikalen Art des Alleinseins eine wichtige Erkenntnis mit. Der nächste Teil unserer Single-Kolumne „Dinner for One“.

Dortmund

, 06.02.2022, 10:48 Uhr / Lesedauer: 3 min

Es ist der 16. März 2020. Die Regierung beschließt den ersten Lockdown, womit zahlreiche Einschränkungen im öffentlichen Leben verbunden sind. Mir schießen tausende Sorgen durch den Kopf: Hohes Ansteckungsrisiko, grausame Erkrankungen, überfüllte Krankenhäuser, möglich Langzeitfolgen - doch eine Angst überkommt mich in ganzer Fülle: Wie soll ich eine Isolation in meiner kleinen Zweizimmerwohnung aushalten?

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Aufstehen, frühstücken, arbeiten, an bessere Zeiten denken, ...

Es ist der 22. März 2020. Heute tritt der erste Corona-Lockdown in Kraft. Gleichzeitig ist es für mich der erste Tag im Home-Office. Bisher klappt die Arbeit von Zuhause reibungslos, was sicherlich daran liegt, dass ich mich online gut zurechtfinde und bereits Erfahrungen mit Programmen wie Microsoft Teams habe.

Trotzdem fehlt etwas. Es sind meine Kommilitonen, meine Kollegen, die mir fehlen - sogar das Gedrängel in der Bahn vermisse ich für einen kurzen Moment.

Die ersten Tage in der verordneten Isolation waren in Ordnung. Nicht mehr, nicht weniger. Doch drei Wochen später fällt mir es mit jedem Tag schwerer. Ich würde gerne mal wieder raus, unter die Leute kommen und meine Liebsten sehen. Eine feste Umarmung würde mich im Augenblick so guttun, denke ich. Aber ich verwerfe den Gedanken wieder.

Stattdessen fange ich an, meine Wohnung umzuräumen. Die Couch steht ab jetzt auf der anderen Seite des Wohnzimmers, was eigentlich total sinnlos ist, weil ich den Fernseher von dieser Seite viel schlechter sehen kann. Trotzdem lasse ich es so, weil ich meine gewohnten vier Wände nicht mehr ertragen kann.

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Meine weiteren Tage im Lockdown laufen allesamt identisch ab: Aufstehen, frühstücken, arbeiten, an bessere Zeiten denken, wieder arbeiten, duschen und schlafen. Ehrlich gesagt, ist die Arbeit in der letzten Zeit mein bester Freund geworden. Denn die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit sind derweil verschwommen. Manchmal sitze ich bis 21 Uhr an meinem Schreibtisch alias ehemaliger Esstisch.

Von dem einen Lockdown in den nächsten

Es ist der 4. Mai 2020. Heute endet der erste Corona-Lockdown. Seit Wochen habe ich auf diesen Tag gewartet und nun ist er endlich da. Meine Pläne sind groß: Ich werde meine Mutter besuchen, in den Zoo gehen und abends zwei Freundinnen treffen, mit denen ich gemeinsam indisches Curry koche. Für die nächsten Wochen und Monate nehme ich mir vor, all das nachzuholen, was mir während des Lockdowns so gefehlt hatte. Gesagt, getan.

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Es ist der 16. Dezember 2020. Heute ist nicht nur mein Geburtstag, sondern auch der Beginn des zweiten großen Lockdowns. Ich bin traurig. Traurig, dass der ganze Spuck jetzt wieder von vorne losgeht - nach einer Zeit, in der sich das Leben wieder normal angefühlt hat, ich enge persönliche Kontakte hatte und von Isolation keine Rede mehr war.

Ehrlich gesagt, fällt mir dieser Lockdown noch schwerer als der erste. Mit der Zeit ploppen in meinem Kopf immer wieder Dinge auf, die ich jetzt eigentlich tun würde: Auf den Dortmunder Weihnachtsmarkt gehen, dort mit meinen Freundinnen einen Glühwein zu viel trinken, Geschenke für Heiligabend einkaufen, gemeinsam mit meiner Nichte verschiedene Keksrezepte ausprobieren, und und und. Aber es geht nichts von all dem. Und ich frage mich, wie ich diese Zeit erneut überstehen soll.

Eine Fehlinterpretation vom Alleinsein

Es ist der 6. Februar 2022. Inzwischen überkamen Deutschland zahlreiche Corona-Wellen und damit auch viele weitere Lockdowns. Momentan befinden wir uns in einem sogenannten Teil-Lockdown. Und obwohl ich mir die Normalität zurückwünsche, mir ab und zu immer noch die Decke auf den Kopf fällt und ich in diesem Jahr schon einige mentale Zusammenbrüche hatte, habe ich eine wichtige Erkenntnis aus dieser langen und schwierigen Zeit mitgenommen.

Vor der Corona-Pandemie bin ich fälschlicherweise davon ausgegangen, dass ich alleine bin. Alleine, weil ich ja nun mal in keiner romantischen Beziehung bin und keinen Partner an meiner Seite habe. Doch nach vielen Phasen in Isolation ist mir aufgefallen, dass ich zu keinem Punkt in meinem Leben alleine war. Denn vor der Pandemie war ich durchgehend von Menschen umgeben, die mich lieben.

Meine Mutter habe ich mindestens dreimal die Woche gesehen - sie hört mir zu, ist für mich da und gibt mir in jeder Lebenslage hilfreiche Ratschläge. Ich stand immer im persönlichen Kontakt zu meinen drei Schwestern und meinen Nichten sowie Neffen. Jeden Freitagabend habe ich mich mit meiner besten Freundin getroffen, mit der es nie langweilig wird. Samstags bin ich meistens ausgegangen, wobei ich unter viele Leute gekommen bin. All dies zusammen beschreibt wohl eher das Gegenteil vom Alleinsein.

Die Corona-Einsamkeit hat mir eine Art Alleinsein aufgezwungen und mir damit gezeigt, was es wirklich bedeutet, alleine zu sein.