„Ich bin empfindlicher für Geräusche geworden“

Interview mit einem Einbruchsopfer

Ein lautes Klirren, Glassplitter auf dem Wohnzimmerboden und plötzlich sieht sich Rentnerin Theresa K. einem Fremden in ihrer eigenen Wohnung gegenüber. Ein Blick in die Augen des Einbrechers, dann verschwindet der Täter durchs Fenster. Wir haben mit Theresa K. gesprochen - über das schreckliche Erlebnis und seine Folgen.

DORTMUND

, 04.11.2016, 16:11 Uhr / Lesedauer: 7 min
Ein Mann versucht eine Fensterscheibe zu durchschlagen. Bei diesem Sicherheitsglas aber ist das nicht einfach. Eine Sicherheitsfolie hält die zerbrochenen Glasstücke zusammen.

Ein Mann versucht eine Fensterscheibe zu durchschlagen. Bei diesem Sicherheitsglas aber ist das nicht einfach. Eine Sicherheitsfolie hält die zerbrochenen Glasstücke zusammen.

Es war ein Septembermorgen gegen elf Uhr, als Theresa K. in ihrem Haus ein lautes Klirren vernahm. Die 74 Jahre alte Rentnerin, deren Namen wir geändert haben, lebt seit 43 Jahren mit ihrem Ehemann in einem Einfamilienhaus in einer gutbürgerlichen Dortmunder Wohngegend. Theresa K. konnte das Geräusch nicht einordnen. Dass sich zu diesem Zeitpunkt bereits ein Einbrecher in ihrem Haus befand, erfuhr sie wenige Minuten später. Die Seniorin ertappte den Täter auf frischer Tat. Im Gespräch mit Ingrid Wielens erklärt Theresa K., auch seit diesem Tag nicht ängstlich zu sein. Aber für den Einbruchschutz in ihren eigenen vier Wänden haben sie und ihr Ehemann inzwischen einiges getan.

 

Frau K., würden Sie uns erzählen, was Sie an jenem Morgen erlebt haben? Es war ein Dienstag. Ich war oben in der Dachgeschosswohnung. Weil das Wetter so gut war, hatte ich unten in der Küche und an der Seite des Hauses wegen der Sonne die Rollläden herunter gelassen. Oben in der Wohnung waren die Rollos runtergelassen. Die Wohnung oben steht zwar leer, aber ab und zu muss ich dort auch mal putzen. Das hatte ich an dem Morgen gemacht.

Dann wurden sie plötzlich gestört... Wir hatten vor dem Haus ein riesengroßes Gerüst, dort wurden neue Leitungen der DEW (Anmerkung der Redaktion: DEW21 ist die Dortmunder Energie- und Wasserversorgung GmbH) gezogen. Plötzlich habe ich ein Klirren gehört und gedacht: „Was ist das denn?“ Ich habe von oben auf die Straße geguckt, aber nichts gesehen. Das Klirren muss das Einschlagen unserer Terrassentür gewesen sein. Dann hörte ich noch ein Geräusch. Da habe ich noch einmal von oben aus dem Fenster geschaut, diesmal auf den hinteren Teil des Grundstücks. Und wieder habe ich nichts gesehen.

Sie blieben aber oben in der Wohnung? Ich wollte einen Eimer Wasser unten aus der Küche holen. Das war in dem Fall wohl auch gut so. Denn im selben Moment, als ich das Wasser einlaufen ließ, hörte ich im Nebenraum eine Rolllade hochgehen. Ich dachte, da ist doch irgendwas bei uns im Wohnzimmer. Gott sei Dank bin ich nicht durch die Küchentür ins Esszimmer gegangen, sondern durch die Flurtür ins Wohnzimmer. (An das Wohnzimmer, das über den Flur erreichbar ist, grenzt ein Esszimmer mit offenem Übergang. Dieses ist über eine weitere Tür mit der Küche verbunden.)

Was haben Sie zuerst wahrgenommen?

Im Wohnzimmer war alles vor mir voller Glassplitter. In der Terrassentür-Scheibe war ein großes Loch, die Gardine davor war ein Stück weggeschoben und ich dachte nur: „Wie konnte die Scheibe zerplatzen?“ Im gleichen Moment sah ich links in der Essecke eine Bewegung, die Gardine dort war auch ein Stück weggezogen, die Übergardine hing lose, das Fenster war einen Spalt auf und ich sah also eine Bewegung und rief: „Jetzt rufe ich die Polizei!“ Ich drehte mich um, wollte das Telefon im Flur greifen und im selben Moment wurde mir klar, dass es noch oben in der Wohnung lag. Ich hatte es dort liegen gelassen.

Haben Sie keine Angst vor dem Täter gehabt? Der Einbrecher war dann schon längst mit einem Bein aus dem Fenster. Und dann war er auch schon gesprungen und weg. Wir hatten uns ganz kurz angeguckt. Ich dachte nichts dabei. Ich hatte auch keine Angst. Erst hinterher, wenn alles vorbei ist, fängt man an zu zittern.

Der Dieb stieg durch die Terrassentür ins Haus ein – obwohl bereits abschließbare Riegel angebracht waren? Er hatte zunächst versucht, die Tür aufzuhebeln, das hat aber nicht geklappt. Dann hat er die Scheibe eingeschlagen und ist durchgekrabbelt. Die Polizei hat mir später gesagt, dass er sich dann zuerst einen zweiten Fluchtweg geschaffen hat, weil er so schnell nicht durch das Loch in der Tür hätte flüchten können. Und dabei ist er ja dann von mir gestört worden. (Durch die Terrassentür fällt der Blick über eine große, geflieste Terrasse auf einen großen und gepflegten Garten, der von einer gut einen Meter hohen Hecke eingegrenzt ist. Den Blick in den Garten des Nachbarns zur Linken versperren hohe Bäume.)

Haben Ihre Nachbarn irgendetwas bemerkt? Dort links ist ein großes Büro – dort haben die Mitarbeiter auch etwas gehört, konnten das aber nicht lokalisieren. Die haben dann auch herübergeschaut, aber durch die Bäume konnten sie nicht so viel von unserem Grundstück einsehen. Und das Haus zur Rechten steht im Moment leer und soll verkauft werden.

Möglicherweise hat der Täter genau das ausgenutzt... Ich vermute, er hat die heruntergelassenen Rollläden unten im Haus und die heruntergelassenen Rolllos oben gesehen. Der Mann muss gedacht haben: Da ist keiner da. Mein Mann war unterwegs, es stand auch kein Auto vor der Tür.

Was haben Sie nach der Flucht des Einbrechers getan? Ich habe das Telefon schnell von oben geholt und aus der Haustür geguckt und sah den Einbrecher sogar noch über die Hauptstraße gehen. Das konnte ich der Polizei dann auch gleich am Telefon sagen.

 

Auf Fotos erkennt man die Täter nur schwer

 

Waren die Beamten schnell bei Ihnen? Das hat nur ein paar Minuten gedauert. Die waren sehr schnell da. Ich habe nur noch meinen Mann angerufen, dass er schnell nach Hause kommen muss, weil eingebrochen worden ist. Ein Polizeiwagen hat sich oben in den Weg gestellt, der andere hier vorne am Haus. Die waren sehr nett. Die erste Frage war natürlich, wie es mir geht. Dann haben die Beamten alles aufgenommen. An der Gardine waren Blutspuren – das war gut wegen möglicher DNA-Spuren. Danach kam die Spurensicherung. Die hat mich dann auch mitgenommen aufs Polizeipräsidium.

Haben Sie sich das Gesicht des Täters merken können? Ja. Ich hatte das Gefühl, dass er aus Osteuropa stammte. Die Polizei hat mir dann bestimmt dreihundert Fotos gezeigt. Ich muss ehrlich sagen: Wenn der mir gegenüber gestanden hätte, hätte ich den erkannt. Aber auf Fotos – das ist ein Unterschied. Ich hatte drei Fotos, wo ich dachte, dass es vom Typ her passen könnte, aber ich hätte nicht hundertprozentig sagen können: „Der war´s“.

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Haben Sie inzwischen Maßnahmen zum Einbruchschutz an Ihrem Haus vorgenommen?

Die Scheibe in der Terrassentür ist ja bereits aus Sicherheitsglas – jetzt nach dem Einbruch. Und wir bekommen noch neue Fenster im Schlafzimmer und in der Küche. Mit Sicherheitsglas nach außen und Pilzkopfverriegelung. Solche Fenster kann man nicht aufhebeln. Oben in der Wohnung haben wir jetzt eine Zeitschaltuhr. Das Licht geht jeden Tag gegen fünf an und um zehn, halb elf wieder aus. Wir hatten das Licht sonst immer nur angelassen, wenn wir abends weggegangen sind. Die Polizei hat uns auch dazu geraten, nicht draußen das gesamte Licht anzuschalten, wenn man weggeht. Man soll es ruhig dunkel lassen, aber einen Bewegungsmelder installieren. Den haben wir natürlich jetzt auch schon. Und unten in der Waschküche haben wir die Tür mit Querriegeln gesichert. Auch dazu hatte uns die Polizei geraten. Und dort unten wird auch ein kleines Fenster erneuert. Aber mehr machen wir dann nicht. Rundherum sind die Fenster unten zum Keller ohnehin vergittert.

Schließen Sie trotzdem auch alle Türen ab? Ich schließe immer zusätzlich alle Türen ab. Das hatten wir nämlich vor 35 Jahren. Da hat einer versucht, durch den Heizungsraum reinzukommen. Der war durch ein Fenster reingekommen, aber die Eisentür vom Heizungskeller war verriegelt. Der kam nicht weiter. Seitdem ist eigentlich nie wieder etwas Derartiges passiert. Erst in letzter Zeit häufen sich die Einbrüche: Bei uns nebenan ist im November 2015 eingebrochen worden und vor drei Monaten gegenüber.

Sie hatten Glück, dass der Täter im September sofort die Flucht ergriffen hat – Ihnen also nichts passiert ist – und keine Beute machen konnte. Es ist noch glimpflich verlaufen. Es war nichts durchwühlt worden. Mir ist auch nichts geschehen. Vielleicht wäre ich wütend gewesen, wenn der Täter etwas erbeutet hätte.

 

Das Sicherheitsgefühl verändert sich

 

Fühlt man sich nach einem solchen Einbruch unsicherer in den eigenen vier Wänden? Eigentlich nicht. Obwohl: Am Tag nach dem Einbruch wollte ich im Garten Blumen gießen und mein Mann wollte etwas erledigen. Da wollte ich ihn bitten, noch zu warten, bis ich im Garten fertig bin, ehe er fährt. Dann habe ich aber für mich entschieden: Von einem Einbrecher lasse ich mich nicht verängstigen und ich lasse ihn nicht so massiv auf mein Leben einwirken. Ich bin dann in den Garten gegangen, obwohl mein Mann schon weg war.

Trotzdem hat sich Ihr Verhalten ein wenig verändert... Naja, am nächsten Tag saß ich mit meinem Mann in der Küche beim Essen und es gab irgendein Geräusch. Da sind mein Mann und ich richtig zusammengezuckt. So ganz kann man das alles eben nicht abtun. Ich muss dann unbedingt gucken, woher das Geräusch kommt. Ich bin tatsächlich geräuschempfindlicher geworden. Und was ich jetzt mache – das muss ich ehrlich sagen: Wenn ich nach oben gehe und mich dort länger aufhalte, oder auch wenn ich in den Keller gehe, dann lasse ich die Wohnzimmertür zum Flur immer ein Stückchen offen stehen. Das gibt mir das Gefühl, dass, wenn mal wieder einer hier herumschleicht, ich das dann eher merke. Und der Einbrecher soll denken, dass jemand im Haus ist. Ich beobachte auch die Straße aufmerksamer – ob verdächtige Personen sich dort aufhalten oder unbekannte Autos länger dort stehen. Und ich bin auf jeden Fall vorsichtiger, wenn jetzt jemand an der Haustür klingelt, den ich nicht kenne. Da schiebe ich erst den Sicherheitsriegel vor, ehe ich öffne.

Können Sie nachts gut alleine sein? Ich schlafe dann etwas unruhiger und höre mehr auf Geräusche. Aber das war eigentlich auch schon immer so. Und wenn ich dann mal außer Haus war und zurückkomme und alleine im Haus bin, dann muss ich erst durch alle Räume, auch durch den Keller gehen und nachschauen, ob da etwas ist. Ich prüfe auch, ob alles abgeschlossen ist.

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Denken Sie darüber nach, sich auszurüsten, zu bewaffnen? (Theresa K. lacht) Die Polizei hat mir mit der Beratung über Sicherheitsmaßnahmen sehr geholfen. Sie hat mir dazu geraten und ich habe es mir von unserem Sohn zum Geburtstag gewünscht. (Theresa K. holt eine zigarettenschachtelgroße mobile Alarmanlage aus einer Schublade des Wohnzimmerschranks) Die kann man sich umhängen. Ich habe mir gedacht, dass ich das Gerät im Sommer mit in den Garten nehme, wenn ich mal alleine bin. Also – man macht sich schon ein paar Gedanken. (Theresa K. zieht an einem kleinen Hebel des handlichen Geräts und setzt so eine ohrenbetäubende Sirene in Gang. Eine kleine Lampe leuchtet überraschend grell. Krach und Licht verunsichern Täter, jagen sie möglicherweise in die Flucht)

Falls Sie im Haus Wertgegenstände, Schmuck oder Geld verstecken – denken Sie jetzt darüber nach, ob die Verstecke auch wirklich gut sind? Ich habe vor drei Monaten, als gegenüber eingebrochen wurde, schon darüber nachgedacht. Sonst hätte ich es sicher spätestens jetzt getan. Natürlich denkt man darüber nach, ob die Sachen auch gut versteckt sind.

 "Die wissen nicht, was sie anderen Menschen damit antun"

 

Einbruch, Reparatur und Sicherungsmaßnahmen – das kostet auch eine Menge Geld... Die Sicherheitsmaßnahmen kosten fast 4000 Euro. Gut 3000 Euro die Fenster. Die Terrassentür-Scheibe zahlt die Versicherung. 350 Euro kamen für die Querriegel im Keller hinzu. Dann Bewegungsmelder und Zeitschaltuhr. Und komplett neue Gardinen – von der Versicherung wurden ja nur die Kosten für die beschädigten erstattet.

Sie hatten sogar den Mut, drei Wochen nach dem Einbruch in den Urlaub zu fahren? Der war ja gebucht. Unsere Grundstücksnachbarn haben aufgepasst. Wir haben auch eine Zeitschaltuhr an den Rollläden und an der Außenbeleuchtung. Wir haben allerdings unser Auto draußen stehen lassen. Damit die Einbrecher glauben, es ist jemand im Haus. Auch wenn wir sonst nicht da sind, lassen wir immer die Rollläden runter – die Nachbarn wissen dann, dass wir nicht da sind.

Was würden Sie dem Einbrecher sagen, wenn er Ihnen gegenüber stünde? Ich würde ihn wirklich fragen, warum er das macht. Und ich würde ihm sagen, dass er Menschen damit extrem verängstigen kann. Die wissen vielleicht gar nicht, was sie manchen Menschen damit antun.

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