Alptraum Einbruch: Das sind die Fakten
Hintergrund
Werden mehr Einbrecher gefasst oder nur die Statistiken geschönt? Und macht Sicherheitstechnik den Bürger frei oder unfrei? Kriminologen, Polizeigewerkschafter und Kriminalisten haben das Feld bei einer Expertenanhörung im Düsseldorfer Landtag aus allen Blickwinkeln beleuchetet.

Die NRW-Justiz spezialisiert sich jetzt auf Rocker, Clans und Einbrecher.
In ihren Stellungnahmen der Experten an den Innenausschuss finden sich interessante Fakten: Demnach deutet sich im laufenden Jahr eine leichte Verbesserung an. Allerdings warnt ein Polizeiwissenschaftler: Aufklärungsstatistiken ist nicht zu trauen. Ein paar Fakten im Überblick.
AKTUELLE ZAHLEN: Laut Landeskriminalamt (LKA) gibt es erste Lichtblicke im Kampf gegen Wohnungseinbrecher. In diesem Jahr wurden in NRW bis einschließlich September 40.631 Wohnungseinbrüche erfasst. Im gleichen Vorjahreszeitraum waren es 4463 Fälle mehr.
AUFKLÄRUNGSQUOTE: Die Aufklärungsquote stieg demnach von damals 13,1 auf jetzt 16,1 Prozent der Fälle. Damit bleiben aber fünf von sechs Wohnungseinbrüchen unaufgeklärt. Und Polizeiwissenschaftler Frank Kawelovski hat bei seinen Untersuchungen festgestellt: "Die Aufklärungsquoten sind in vielen Polizeibehörden und Bundesländern reine Artefakte, die nicht einmal annähernd abbilden, wie viele Einbrecher tatsächlich beweissicher überführt worden sind." Der Kriminologe der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Mülheim stellt fest: "Zum Teil wird selbst vor gezielten Statistikfälschungen nicht zurückgeschreckt, um die Quoten künstlich zu erhöhen."
BEDROHUNG: Das Risiko, Opfer eines Wohnungseinbruchs zu werden, ist in NRW mit 354 Fällen auf 100 000 Einwohner unter allen deutschen Flächenländern am höchsten - im Bundesdurchschnitt sind es rund 206 Fälle. 2015 verzeichnete NRW mit über 62 000 Wohnungseinbrüchen einen Höchststand. Allerdings, merkt Kawelovski an, ist ganz Deutschland seit 2007 von einem massiven Anstieg betroffen.
BEUTE: Wohnungseinbrecher langen vor allem bei Bargeld, Schmuck und Elektronik zu. 2015 wurden in NRW rund 23 Millionen Euro Bargeld aus Wohnungen gestohlen. Neben klassischem Schmuck waren hochwertige Uhren besonders beliebt, bei Elektronik vor allem Laptops, Tablets, Mobiltelefone, Fotoapparate, Spielkonsolen und Fernseher.
AUSLÄNDER: "Die eigentlichen Treiber für die Zahl von Wohnungseinbruchdiebstählen in Deutschland sind die wachsende Zahl und der wachsende Anteil überörtlich agierender nichtdeutscher Tatverdächtiger", stellt das LKA fest. In NRW hat sich ihr Anteil seit 2008 auf fast 50 Prozent verdoppelt. Am meisten belastet sei Hamburg mit einem Anteil von 65,4 Prozent nichtdeutscher Tatverdächtiger.
GROßSTADT-EFFEKT: Kriminalität gedeiht am besten in der Anonymität der Großstädte. Daher sei der Vergleich mit niedrigeren Einbruchszahlen und besseren Aufklärungsquoten in Bayern nicht fair, stellen alle Experten einmütig fest. "In NRW existieren 29 Großstädte über 100 000 Einwohner, in Bayern 8", heißt es in der Expertise des LKA. In NRW lebten mit fast 18 Millionen Einwohnern etwa 5 Millionen mehr auf wesentlich kleinerer Fläche und der Gesamtbestand von 9 Millionen Wohnungen sei um 3 Millionen höher als in Bayern.
VON BAYERN LERNEN: Das empfiehlt sich aus Sicht der Experten dennoch. Das bayerische LKA verweist in seiner Stellungnahme auf eine ertragreiche Kooperation mit dem Nachbarland Baden-Württemberg - etwa beim Aufbau einer gemeinsamen Schuhspuren-Datei - sowie Erfolgen bei der anlass- und verdachtsunabhängigen Schleierfahndung.
VERURTEILUNGEN: Sowohl Polizeiwissenschaftler Kawelovski als auch das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen kommen bei ihren Studien übereinstimmend zu dem Ergebnis: Nur in etwa drei Prozent aller untersuchten Fälle von Wohnungseinbrüchen kam es zu einer Verurteilung mindestens eines Täters. Meist konnte der Tatverdacht nicht hinreichend begründet werden.
VORBEUGUNG: Prävention hilft. Im dritten Quartal 2016 verzeichnete das LKA bei den Wohnungseinbrüchen einen Anteil von fast 46 Prozent erfolgloser Versuche. Dies spreche für die Wirksamkeit technischer Sicherungseinrichtungen an den Wohnungen.
BÜRGER HINTER MAUERN: Die Maßnahmen der Landesregierung gegen Einbrecher dürften sich aber nicht darin erschöpfen, "die Bürger durch immer neue Präventions- und Sicherungsmaßnahmen an ihrem Wohnort zu einem Leben in einer Festung zu erziehen", mahnt der Bund Deutscher Kriminalbeamter. "Die Menschen leben dann hinter Mauern, die Wohnungseinbrecher weiter in Freiheit."
von dpa