Hagener Polizei schimpft bei Facebook über Gaffer

"Schämt Euch!"

„Schämt Euch, ihr Gaffer!“ Weil Hunderte Schaulustige einen Rettungseinsatz in Hagen behindert haben, wird die Polizei nun deutlich. Im Internet schlägt die Aktion hohe Wellen. Auf Autobahnen setzt die Polizei in NRW seit gut einem Jahr Sichtschutzwände bei Unfällen ein.

HAGEN

14.04.2016, 13:13 Uhr / Lesedauer: 2 min

Weil Hunderte Schaulustige einen Rettungseinsatz massiv behindert haben, wird die Hagener Polizei im Internet nun deutlich: „Schämt Euch, ihr Gaffer vom Hauptbahnhof!“, schrieben die Beamten am Donnerstag bei Facebook nach einem haarsträubenden Fall vom Vortag. Ein zehnjähriges Mädchen war von einem Auto angefahren und schwer verletzt worden. Schaulustige hatten sofort ihr Smartphone gezückt, um das Opfer zu filmen. Einige hätten sogar die Rettungskräfte aufgefordert, zur Seite zu gehen, damit sie besser filmen könnten, schreibt Polizeikommissar Tino Schäfer. Mehrere Streifenwagen waren notwendig, um den Rettungskräften den nötigen Platz zu verschaffen. 

Selbst Tücher schützen Opfer nicht

Um das Mädchen vor Blicken und Kameras zu schützen, verdeckte die Feuerwehr die Unfallstelle mit weißen Tüchern. Doch auch das hielt die Schaulustigen nicht ab. Im Gegenteil: Die Gaffer hätten versucht, über die Tücher hinweg zu filmen. Mehrere Polizisten hätten zusätzlich in den Einsatz gehen müssen, um die Schaulustigen zu vertreiben. Die Polizei Hagen hat bei Facebook eine eindeutige Antwort auf dieses Verhalten: „Wir haben im Einsatz echt was Besseres zu tun, als uns auch noch um Euch zu kümmern. Lasst zukünftig die Smartphones in der Tasche und geht einfach weiter.“

Bei Facebook gab es bis zum frühen Donnerstagmittag bereits Tausende empörte Kommentare über die Gaffer: „Die Polizei hätte sofort für jeden ein fettes Bußgeld verhängen sollen“, oder „Da schämt man sich richtig mit", heißt es dort. 

 

Das Mädchen war trotz roter Fußgängerampel am Mittwochnachmittag auf die Straße gelaufen und wurde dort vom Auto eines 43-Jährigen aus Hagen erfasst. Lebensgefahr besteht für das Kind nicht. Sie wurde aber schwer verletzt und mit einem Hubschrauber in einer Klinik gebracht. 

Immer wieder werden Rettungskräfte durch Gaffer behindert. Auf Autobahnen setzt die Polizei in NRW seit etwa einem Jahr mobile Sichtschutzwände gegen Schaulustige ein. NRW-Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) sagte damals: Gaffer seien ein "Problem, das erschreckende Ausmaße angenommen hat". Man gebe mit diesen Sichtschutzwänden den Opfern ein Stück Würde zurück. Fast eine halbe Million Euro aus Bundesmitteln hat sich der Staat die Abwehrmaßnahme gegen den Negativtrend kosten lassen.

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Staus vermeiden - 100 Meter Sichtschutz

Die Idee kommt aus den Niederlanden, wo die Wände bereits seit vielen Jahren im Einsatz sind. In einem Pilotversuch, der ein Jahr dauerte, war im Raum Düsseldorf unter den kritischen Augen der Polizei beobachtet worden, dass sich Staus auflösen und der Verkehr wieder fließt, sobald die Wände aufgebaut sind. Das bestätigt Jürgen Bongartz, der den Versuch für die Autobahnpolizei begleitet hat.

Die 2,1 Meter hohen Wände sind mit dunkelgrüner Plane bespannt und haben quadratische und runde Klappen, durch die der Wind rauschen kann, damit er sie nicht umreißt. Das funktioniert allerdings nur bis Windstärke 5. Jeweils 100 Meter Sichtschutz sind auf einem Anhänger untergebracht. Zwölf der Anhänger sind ab sofort über NRW verteilt auf den Autobahnmeistereien stationiert.

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Zweifel des Steuerzahlerbundes, ob die Wände rechtzeitig an der Einsatzstelle sind, Kosten und Nutzen in einem angemessenen Verhältnis stehen, kontert der Landesbetrieb Straßen.NRW: Ein fünf Kilometer langer Stau auf einer stark befahrenen Autobahn mit dreieinhalb Stunden Dauer verursache durch den Zeitverlust der Wartenden einen volkswirtschaftlichen Schaden von rund 200 000 Euro. 

Bei Behinderung von Rettungskräften droht Bußgeld 
Die rechtliche Handhabe gegen Gaffer ist nach Angaben des ADAC noch zu gering. Wer etwa nur aus Sensationsgier auf der Standspur hält und damit den Rettungsweg blockiert, muss demnach mit 30 Euro Geldbuße rechnen. Wer konkret die Rettungsmaßnahmen stört, kann mit bis zu 5000 Euro Bußgeld bestraft werden. Auch wer seine Fahrt verlangsamt, um die Bergung beim Vorbeifahren mit seinem Mobiltelefon zu filmen, kann zur Kasse gebeten werden. So kostet ein Verstoß gegen das Handy-Verbot am Steuer 60 Euro und einen Punkt in Flensburg.

Mit Material von dpa