„Große Unternehmen vernichten bezahlbaren Wohnraum“

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„Große Unternehmen vernichten bezahlbaren Wohnraum“

rnMieterhöhungen bei Vonovia und LEG

Das drängendste Problem auf dem Wohnungsmarkt? „Mieterhöhungen nach Modernisierungen.“ Dies sagt Daniel Zimmermann, Experte beim Deutschen Mieterbund in NRW. Und er nennt weitere Methoden von Großvermietern wie Vonovia und LEG, Aktionäre glücklich zu machen - auf Kosten der Mieter.

Dortmund

, 15.06.2018, 11:05 Uhr / Lesedauer: 5 min

Herr Zimmermann, wir berichten regelmäßig über Mieter, die mit einem Großvermieter Probleme haben.

Wir sprechen hier vornehmlich über die börsennotierten Unternehmen wie LEG und Vonovia. Diese beiden sind aus unserer Sicht auch die am besten dokumentierten. Das drängendste Problem ist das Thema Modernisierung und Mieterhöhungen. Das kommt im Moment sehr geballt auf. Die Vonovia als größtes deutsches Wohnungsunternehmen hat in den letzten Jahren ihre Investitionen für Modernisierung deutlich gesteigert. Von 2015 bis 2017 hat sich die Investitionssumme mehr als verdoppelt. Ähnliches passiert auch bei den anderen Wohnungsunternehmen.

Daniel Zimmermann ist Experte für große Wohnungsunternehmen beim Deutschen Mieterbund in Nordrhein-Westfalen.

Daniel Zimmermann ist Experte für große Wohnungsunternehmen beim Deutschen Mieterbund in Nordrhein-Westfalen. © DMB


Aber das ist doch erstmal positiv, wenn die Wohnungen modernisiert werden.

Natürlich kann eine Modernisierung sehr von Vorteil sein. Wir müssen uns immer vor Augen führen, dass viele dieser Wohnungsbestände – gerade im Ruhrgebiet – zu einem großen Anteil Werkssiedlungen aus den 50er- und 60er-Jahren sind. An diesen Wohnungen ist über Jahrzehnte nichts gemacht worden. Die Fassaden haben Risse, die Dächer sind marode, da muss auch was passieren.

Aber?

Nicht jeder möchte einen Balkon. Die Modernisierungen führen erstmal dazu, dass Mieter für mehrere Monate auf einer Baustelle leben. Und im Anschluss daran gibt es eine meist doch sehr deutliche Mieterhöhung. Es geht nicht darum, dass die Mieter sagen: Ach, unsere alte Bude hier ist schon völlig okay. Hier muss nix gemacht werden. Das ist nicht der Konflikt.

Was führt denn zu Konflikten?

Modernisierungen sind eine besondere Form, die Mieterhöhungen in laufenden Mietverträgen möglich machen. Die Erhöhungen orientieren sich an den Kosten der Maßnahmen. Ich lese häufig, dass die Kosten umgelegt werden. Das ist aber nicht der Fall. Die Kosten, bis zu elf Prozent der Modernisierungskosten, werden nicht umgelegt. Denn die höhere Miete zahlt man ja weiter, auch wenn die Modernisierungskosten längst abbezahlt sind. Eine Standardmaßnahme von Vonovia und LEG besteht aus Fassadendämmung, Dachgeschossdämmung, es kommen neue Fenster rein, gegebenenfalls neue Eingangstüren.

Vonovia sieht das anders. Die durchschnittliche Modernisierungsumlage bewege sich zwischen 1,60 bis 1,70 Euro pro Quadratmeter. Das sei sozialverträglich.

Bei den üblichen Modernisierungen kommen Beträge zusammen, die erhöhen die Miete durchaus um 200 Euro pro Wohnung. Für viele Menschen ist es nicht drin, statt 400 Euro Nettokaltmiete im Monat plötzlich 600 Euro zu bezahlen. Das kann bedeuten, dass diese Mieter ausziehen müssen. Das ist das Kernproblem. Unter den aktuellen Bedingungen auf den Wohnungsmärkten mit hohen Mieten kann das durchaus eine existenzielle Frage sein. Wenn ich ausziehen muss, heißt das ja noch lange nicht, dass ich sofort eine neue Wohnung finde und die dann auch noch günstig ist.

In NRW fehlt fast überall bezahlbarer Wohnraum. Helfen denn die Großen nicht gerade dabei, für diese günstigen Wohnungen zu sorgen?

Im Gegenteil, sie sind wesentlicher Teil des Problems und nicht etwa die Lösung. Die Mieten bei diesen Unternehmen steigen überproportional. Das kann man in jedem ihrer Geschäftsberichte nachlesen, dass sie es geschafft haben, die Mieten wieder überdurchschnittlich anzuheben. Wir sagen, wenn sie das überdurchschnittlich tun, dann tragen sie natürlich auch überdurchschnittlich dazu bei, dass Wohnen teurer wird.

Der zweite Aspekt ist mir besonders wichtig: Das sind nicht irgendwelche Wohnungen bei diesen Unternehmen. Wir reden hier über Bestandswohnungen, wo jetzt noch eine Miete existiert, die für einen großen Teil der Gesellschaft und vor allem auch der Menschen in Nordrhein-Westfalen bezahlbar ist. Wenn wir über bezahlbaren Wohnraum sprechen, dann ist es völlig absurd, von Neubau zu reden. Es geht also um den Bestand, darum, dass das Mietniveau gehalten wird, oder ob es langsam oder schnell steigt. Und jede Modernisierungsmaßnahme, die da gerade durchgeführt wird und die dann mit 250 Euro mehr zu Buche schlägt, oder jede andere Mieterhöhung sorgt dafür, dass wir weniger günstige Mietwohnungen haben. Sie treibt natürlich den Mietspiegel in die Höhe. Die großen Unternehmen vernichten aktiv bezahlbaren Wohnraum.

Die LEG hat jetzt etliche Mieter angeschrieben. Das Angebot: Wenn sie freiwillig zehn Euro mehr im Monat zahlen, bekommen sie zwei Jahre keine Mieterhöhung. Ist das ein seriöses Angebot?

Da hat sich die LEG einen gewissen Namen gemacht, so ziemlich alles auszuprobieren, was geht – und auch was nicht geht. Zuletzt hat die LEG ihren Mietern diese Mietpreisgarantie gegeben. Jetzt könnte man meinen, zehn Euro sind nicht viel, das ist doch ein Super-Angebot. Dieses Angebot ist aber massenhaft rausgegangen, ohne eine Unterscheidung zu machen, ob das für die Mieter interessant ist oder nicht. Es wurden auch solche Mieter angeschrieben, die schon jetzt mit ihrer Miete über dem Mietspiegel liegen. Die könnten auch in den nächsten zwei oder drei Jahren keine Mieterhöhung bekommen.

Gibt es weitere Tricks, um die Mieten im laufenden Verträgen zu erhöhen?

Entscheidend für eine Mieterhöhung im laufenden Mietvertrag ist die ortsübliche Vergleichsmiete. Die kann man entweder mit dem Mietspiegel, einem Gutachten oder Vergleichswohnungen nachweisen. Nun ist es für große Immobilien-Unternehmen wie die LEG natürlich relativ leicht, drei Wohnungen aus dem eigenen Bestand zu finden, die ähnlich sind. Problematisch wird das aber dann, wenn diese Wohnungen gar nicht vergleichbar sind. Wenn also zum Beispiel in einer dieser Wohnungen schon Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt worden sind, etwa eine neue Elektrik verlegt worden ist oder das Bad saniert wurde. Das hatten wir sehr häufig. Eine Wohnung mit einem niedrigeren Standard hat eine Mieterhöhung bekommen. Und das wurde begründet mit Wohnungen, die einen höheren Standard hatten. An allen Ecken und Kanten haben wir die Auseinandersetzung mit der LEG geführt, weil die die Mietpreise möglichst hochschrauben wollten.

Die LEG sagt von sich, sie sei der Anbieter von günstigen Wohnungen.

Das ist ja auch durchaus korrekt. Das ist aber so, weil das Bestände sind, die ganz genau dafür gebaut worden sind, einem größeren Teil der Bevölkerung günstigen Wohnraum zu ermöglichen. Und jetzt ist das Problem, dass Unternehmen wie die LEG oder Vonovia die Mieten in diesen noch günstigen Wohnungen überdurchschnittlich schnell nach oben treiben.

Weil das für die börsennotierten Unternehmen die einzige reale Einnahmequelle ist?

Das ist ja schon rein rechtlich so, dass die Aktiengesellschaft in erster Linie im Interesse der Aktionäre handeln muss. Und das Interesse der Aktionäre, wenn man da jetzt nicht nur Menschenfreunde drunter hat, die aus humanistischen Gründen Vonovia-Aktien gekauft haben, ist die Dividende. Und weil sie auf Kursveränderungen spekulieren. Das müssen die börsennotierten Wohnungsunternehmen liefern. Die einzige reale Einnahmequelle ist die Miete. Damit ist eigentlich schon das Meiste gesagt. Das sind schon andere Akteure als öffentliche Wohnungsunternehmen oder Genossenschaften. Die haben einen anderen Zweck.

Die andere Art, die Einnahmen zu steigern, wäre Wachstum.

Ich kann die Einnahmen steigern, indem ich wie Vonovia sehr stark zukaufe. Doch da ist der Markt so langsam ausgeschöpft. Es gibt nicht mehr so viele große Portfolios und so viel kommt nicht mehr auf den Markt. Da ist Expansion nicht mehr in dem Maße möglich. Vonovia streckt jetzt die Fühler international aus, das ist deren Expansionsstrategie. Die andere Strategie nenn ich mal Intensivierung. Also aus den bestehenden Wohnungen mehr rauszuholen, sprich: Mieterhöhungen. Und die aktuelle Modernisierungswelle ist nicht deshalb unterwegs, weil das alles Klimaschützer sind, sondern weil man mit Modernisierungen schlicht sehr starke Mieterhöhungen generieren kann.

Handfester Cash-Flow kommt nur aus den Mieten und aus den zahlreichen Tochterfirmen, die auch Dienstleistungen anbieten. Im Kern kommt das Geld immer von den Mieterinnen und Mietern – und sonst nirgendwoher.

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Wie gestaltet sich denn die Kommunikation mit den börsennotierten Unternehmen?

Da reicht ja schon ein Blick in die einschlägigen Internet-Foren. Die Erreichbarkeit von großen Wohnungsunternehmen ist da ein Riesen-Thema. Das liegt daran, dass es mit den anderen Problemen zusammenhängt. Nehmen wir mal an, meine Heizung fällt aus und ich habe jetzt schon seit einer Woche kein heißes Wasser mehr. Das spielen dann zwei Dinge ineinander: Der Mangel wird nicht behoben und die Erreichbarkeit ist nicht gegeben. Das ist aus Mietersicht auch ein Kernproblem bei Modernisierungsmaßnahmen. Da kommt die Modernisierungsankündigung. Das ist ein notwendiges juristisches Schriftstück, das den Mietern spätestens drei Monate vor der Maßnahme zugehen muss. Darin wird erläutert, was passieren soll. Da ist die Entscheidung natürlich schon gefallen. Da steht dann auch schon drin, wie viel die Mieter hinterher ungefähr zahlen müssen. Das heißt, in der Regel gibt es über solch einschneidende Maßnahmen keinerlei Austausch im Vorfeld. Die Mieter werden nicht gefragt. Wenn ich dann lese, wir wollen, dass sie es schön haben, dass es Ihnen hier gefällt – dafür müssen Sie in drei Monaten aber 200 Euro mehr zahlen, dann fühlen sich manche schon veräppelt. Hinzu kommt: Die LEG hat jetzt Kundenservicecenter. Früher konnte man noch den Objektbetreuer – was noch früher mal der Hausmeister war – ansprechen. Da ist viel verloren gegangen. Man hat keinen Ansprechpartner mehr vor Ort. Das führt zu großem Unmut bei den Mietern, dass man am Ende immer in der Telefonschleife landet.

Man berichtet natürlich auch nur über den Ärger. In vielen Fällen wird aber ein Mangel auch einfach behoben und man hört nie wieder davon …

Ich will ja gar nicht abstreiten, dass auch mal Mängel schneller behoben werden. Das freut mich ja auch. Aber es gibt schon Gründe, warum die Mietervereine diese Unternehmen besonders im Blick haben. Weil es überdurchschnittlich häufig Probleme gibt und weil es sich um große Konzerne handelt, die das flächendeckend so machen. Wir erleben es leider häufig, dass die Unternehmen auf Gesprächsangebote gar nicht reagieren.

Welche Erfahrungen haben Sie mit Großvermietern gemacht? Schreiben Sie dem Autor unter christoph.klemp@mdhl.de

LEG in Zahlen (2017 im Vergleich zu 2016)
  • Wohnungen: 130.085 in Nordrhein-Westfalen ( Vorjahr: 128.488 / plus 1,2 Prozent)
  • Durchschnittliche Nettokaltmiete pro Quadratmeter: 5,46 Euro (Vorjahr: 5,29 Euro / plus 3,3 Prozent)
  • Mieteinnahmen Nettokaltmiete: 534,7 Millionen Euro (Vorjahr: 511,7 Millionen Euro / plus 4,5 Prozent)
  • Dividende: 3,04 Euro je Aktie (Vorjahr: 2,76 Euro / durchschnittliche Dividenden-Wachstumsrate von 15,1 Prozent pro Jahr seit dem Börsengang in 2013)
  • Investitionen in Modernisierung und Instandhaltung: 22,4 Euro pro Quadratmeter (Vorjahr: 18,2 Euro / plus 23,1 Prozent)