„Geächtet“ serviert die Islam-Diskussion auf einem Tablett mit klarer Kante
Ruhrfestspiele Recklinghausen
Wie ein riesiges weißes Tablett ragt die Bühne in den Zuschauerraum des Ruhrfestspielhauses. Dynamisch weist eine Spitze der Spielfläche nach vorn. Das ist Programm: "Geächtet", zu sehen als Gastspiel des Burgtheaters Wien bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen, ist eine Inszenierung mit klarer Kante.

Das Bühnenbild zeigt klare Kante. Auf der Spielfläche (v.l.) Katharina Lorenz, Fabian Krüger, Nicholas Ofczarek und Isabelle Redfern.
Das Stück von Ayad Akhtar, selbst 1970 in den USA als Kind eingewanderter Pakistaner geboren, beschreibt die vertrackte Situation assimilierter Muslime. Was passiert, wenn haltlose Verdächtigungen ihr Leben in Scherben schlagen?
Anwalt Amir trägt 600-Dollar-Oberhemden
Hauptperson Amir zum Beispiel hat sich vom Islam losgesagt. In seinen 600-Dollar-Oberhemden ist er auf dem Weg an die Spitze einer Anwaltskanzlei. Da überredet ihn seine naive Frau Emily - Katharina Lorenz spielt die Künstlerin in bunten Kleidchen und bezaubernd quirlig -, einem Imam vor Gericht zu helfen. Ein Zeitungsartikel erscheint, schon wenig später droht der Verlust des Jobs. Bei einem Abendessen mit einem jüdischen Ausstellungskurator und dessen dunkelhäutiger Frau (nur angedeutet durch die Wuschel-Frisur von Isabelle Redfern) kommt es zur Katastrophe. Es ist die pure Existenzangst des in die Ecke gedrängten Amirs, die ihn einen fatalen Moment lang seine Terror-Sympathien entdecken, schließlich seine Frau schlagen und alles verlieren lässt.
Tina Lanik inszeniert klar, aber ohne Mumm
Regisseurin Tina Lanik inszeniert das klar, überdeutlich und ohne Schnörkel. Aber auch ohne Mumm. Selbst die Gewalt gegen Emily bleibt zu dezent. Die Figuren treffen in einer Yuppie-Wohnung von Bühnenbilder Stefan Hageneier aufeinander, als sei es eine Edelboulevard-Stück von Yasmina Reza ("Kunst"). Aber "Geächtet" ist finsterer, böser, ernster.
Zu Beginn schwer zu verstehen
Noch dazu waren die Schauspieler in dem für das intime Stück eigentlich zu großen Festspielhaus zumindest beim ersten Auftritt schwer zu verstehen. Doch der Abend kriegte die Kurve, was vor allem an dem eleganten, sehr differenziert aufspielenden Fabian Krüger als Amir und an seinem Gegenpart Nicholas Ofczarek lag, der sich als Kurator bräsig am Tisch lümmelte und schwadronierte, sich von seiner klugen Frau aber ständig eines Besseren belehren lassen musste. Tosender Applaus.