Feuerwehrmann wird wegen ADHS ausgemustert

Löschzug Nette

Acht Jahre lernte und arbeitete Jerome Bürger für die Freiwillige Feuerwehr in Nette. Dann offenbarte er sich als ADHS-Patient. Seitdem darf der 20-Jährige an Übungen und Einsätzen nicht mehr teilnehmen. Zu Recht? Dazu gibt es ganz unterschiedliche Stimmen.

NETTE

, 11.05.2016, 02:46 Uhr / Lesedauer: 2 min
Jerome Bürger vor dem Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr in Nette.

Jerome Bürger vor dem Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr in Nette.

Kameradschaft, Zuverlässigkeit, Teamfähigkeit, Präzision – schon als 12-Jähriger lernte Jerome Bürger, worauf es bei der Feuerwehr ankommt. Als Mitglied der Jugendfeuerwehr arbeitete er sich so weit vor, dass er auch am Einsatzdienst des Löschzugs an der Mengeder Straße teilnehmen konnte. Die Betonung liegt auf „konnte“.

Denn als der 20-Jährige vor wenigen Tagen seinem Löschzug offenbarte, dass er ein von der Bundeswehr ausgemusterter ADHSler ist und täglich eine 20-Milligramm-Tablette Ritalin einnimmt, stand er von heute auf morgen auf dem Schlauch. Die Feuerwehr schickte ihn zu einer arbeitsmedizinischen Untersuchung.

Der Arzt untersuchte den jungen Mann, stellte gute Fitness- und Blutwerte und damit die Einsatztauglichkeit auch unter Atemschutz fest. Als Jerome Bürger seinen Hausarzt-Bericht mit dem ADHS-Vermerk vorlegte, wendete sich das Blatt.

Das sagte der Arzt bei der arbeitsmedizinischen Untersuchung:

Der Arzt stufte Jerome Bürger umgehend als untauglich ein und berief sich dabei auf eine Vorschrift. „Wir haben eine Fürsorgepflicht für ihn, seine Kameraden und die Bürger“, begründete Feuerwehr-Sprecher André Lüddecke das Aus für den Einsatzdienst. Konkret heißt das: Jerome Bürger „darf nicht ins brennende Haus“. Aber Schläuche ausrollen.

Das sagt die ADHS-Ambulanz:

ADHS - die Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätsstörung - ist laut Dr. Christoph Neumann von der ADHS-Ambulanz für Erwachsene des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe in Aplerbeck eine angeborene und gut erforschte Krankheit, die zu leichter Ablenkbarkeit, Impulsivität und Hyperaktivität führe. Die Folge: „Die Patienten können anecken.“

ADHSler seien wach und hätten viele gute Ideen – „man muss nur die richtige Behandlungsstrategie finden“, sagt der Spezialist, der einen ADHS-Befund nicht als grundsätzliches Ausschlusskriterium verstanden wissen will. Jeder Einzelfall sei genau zu prüfen. Er habe ADHS-Patienten, die im Rettungsdienst oder als Krankenschwestern beschäftigt sind und zuverlässig arbeiteten.

Dass die Feuerwehr den ADHS-Hinweis des Löschzugleiters ernste nehme und prüfe, sei wichtig. Aber man müsse eben genau prüfen und dürfe einen ADHSler nicht pauschal als untauglich abstempeln. Die für Ritalin beschriebenen Nebenwirkungen seien in der Praxis „nicht so das Problem“. Mit Medikamenten gut eingestellte Patienten könnten ihre Leistungen selbst unter Stress auf den Punkt genau abrufen.

Das sagt der Vorsitzende des Stadtverbands der Freiwilligen Feuerwehr:

Der Vorsitzende des Stadtverbands der Freiwilligen Feuerwehr, Jörg Müssig, fordert die Feuerwehr ebenfalls zu genauem Hinsehen und zur Differenzierung auf. „Vorschriften bilden nicht immer die Realität ab. Es wäre schade, wenn wir so einen Kollegen verlieren würden. Es ist eine unserer Kompetenzen, Halt zu bieten“, sagte er.

Das sagt Jerome Bürger:

Jerome Bürger fühlt sich degradiert. Sein Ziel: „Ich will wieder Einsätze fahren und an Übungen teilnehmen. Die Feuerwehr bedeutet mir sehr viel. Ich will für die Menschen da sein.“ 

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