„Familie Brasch“: Zwischen Politbüro und Dissidententum

Eine Familie der Gegensätze: Vor allem der Konflikt zwischen dem DDR-Oberen Horst und seinem Schriftsteller-Sohn Thomas bestimmt den Film „Familie Brasch“. Doch auch die anderen Geschwister tragen Geschichte(n) in sich.

von Von Sebastian Fischer, dpa

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Berlin

, 13.08.2018, 12:49 Uhr / Lesedauer: 2 min
Marion Brasch ist die jüngste der Geschwister und hat 2012 einen Roman über ihre Familie geschrieben. Foto: /Salzgeber & Co. Medien

Marion Brasch ist die jüngste der Geschwister und hat 2012 einen Roman über ihre Familie geschrieben. Foto: /Salzgeber & Co. Medien

Der Dokumentarfilm über die deutsch-deutsche Familie Brasch nimmt in New York seinen Anfang. So, als ob er Distanz braucht für die Handlung, die folgt. „Ich bin die letzte, die sie erzählen kann“, sagt Marion Brasch, Tochter des DDR-Funktionärs Horst und Schwester des Rebellen-Schriftstellers Thomas.

Auf einer Lesereise an der US-Ostküste beginnt die 57-jährige Autorin das Leben ihrer Eltern und der drei großen Brüder zu schildern. Keiner von ihnen lebt mehr. Regisseurin und Produzentin Annekatrin Hendel stellt den Konflikt zwischen dem linientreuen Vater und den eigensinnigen Kindern ins Zentrum ihres Films „Familie Brasch“. Zu Wort kommen dabei auch Weggefährten wie Schauspielerin Katharina Thalbach, Liedermacherin Bettina Wegner, Schriftsteller Christoph Hein oder Regimekritiker Florian Havemann.

Hendel fokussiert sich auf die Zäsuren. 1938, 1945, 1968, 1976, 1989. Jahreszahlen prangen groß über den Szenen. Sie zeigen: Hier geht es um mehr als einen Familienzwist. Nämlich auch um die Brüche eines Landes, das einmal ein ganzes war, dann zwei halbe und dann wieder ein ganzes. Der Untertitel des Films: „Eine deutsche Geschichte“.

Der Jude Horst Brasch muss 1938 Nazi-Deutschland verlassen. In London wird er zum Kommunisten und lernt Gerda Wenger kennen. Bevor sie nach dem Krieg in die Sowjetische Besatzungszone übersiedeln, wird Thomas geboren. In der DDR kommen Klaus und Peter zur Welt. Marion, die jüngste, hat 2012 bereits einen Roman über ihren Clan geschrieben.

Die politischen Umstände machen die Braschs zu einer Familie der Gegensätze: Der Vater macht als Anhänger des Aufbau-Sozialismus in Berlin politisch Karriere und steigt bis zum stellvertretenden Kulturminister auf. Gerda, die Wiener Jüdin, scheint hingegen an der Kleinheit des sozialistischen Staates zu verkümmern.

Spätestens 1968, als die Sowjetunion und ihre Verbündeten Panzer gegen die Demokratie nach Prag schicken, reißt das Familiengefüge bei den Braschs vollends auf. Thomas demonstriert gegen die Besetzung und wird in Haft genommen. Seine Version: Der eigene Vater habe ihn angeschwärzt. Horst verliert seinen Posten und muss als Funktionär für einige Jahre nach Karl-Marx-Stadt.

Thomas wird ein begnadeter Schriftsteller, der stets den Aufruhr in sich trägt. Weil er 1976 gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann aus der DDR protestiert, und weil sein Erzählband „Vor den Vätern sterben die Söhne“ nicht erscheinen darf, verlässt er das Land. „Wir waren innerhalb einer Woche draußen“, erinnert sich seine damalige Freundin Thalbach. Im Westen behält Brasch seine Frechheit. Für einen Eklat sorgt er, als er sich bei einer Filmpreis-Verleihung bei der Filmhochschule der DDR für seine Ausbildung bedankt.

Das Verdienst der Regisseurin ist es, dass sie in ihrem Film auch den beiden anderen Brüdern Platz einräumt. Gern hätte man noch mehr erfahren. Klaus - oder wie Marion ihn bezeichnet: „der Clown“ - fällt als Befehlsverweigerer in Ungnade. Er macht sich als Schauspieler („Solo Sunny“) einen Namen. Peter muss wegen seiner Biermann-Proteste das Studium abbrechen und wird Produzent von Kinderhörspielen.

„Familie Brasch“ ist mehr als ein Porträt. Hendel, die schon Dokumentarfilme über Schriftsteller und Stasizuträger Sascha Anderson, Rammstein-Keyboarder Flake oder Filmemacher Rainer Werner Fassbinder drehte, zeigt darin vielmehr, was passiert, wenn historische Konflikte die kleine Welt einer Familie diktieren.

Am Ende sieht man aber, wie nah beieinander Horst und Thomas doch sind. Als sie sterben, trauern jeweils ganze Welten. Der Vater wird kurz vor dem Mauerfall vor den Augen von DDR-Oberen auf dem Ehrenfriedhof der Sozialisten beerdigt. Zum Begräbnis des Sohnes finden sich 2001 Schauspiel-Größen wie Christoph Waltz und Otto Sander ein. Auch wenn Thomas einmal über seine Eltern schrieb, „ich wollte die Liebe nicht, weil ich wusste, gleich wird sie mir wieder genommen“, waren sich Vater und Sohn wohl gar nicht so unähnlich.

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