Die „Extraschicht“, die Nacht der Industriekultur, machte am Samstag 300.000 Besucher zu Pilgern und 50 Zechen, Kokereien, Museen und Industrieparks zu gut bevölkerten Wallfahrtsorten.
Kaiserwetter und beste Bedingungen. Die Extraschicht am Samstag mobilisierte 300.000 Kultur-Reisende vom Club der grünen Bänder, die Zechen, Pumpwerke, Museen ansteuerten, die alle ihre Geschichte erzählen und den Bogen vom Gestern ins Heute schlagen, wo sie Oasen von Kultur und Freizeit sind.
Ein „Ruhri“ erklärt sein Revier
Am Essener Hauptbahnhof nehmen wir gen Zollverein einen der insgesamt 160 Shuttle-Busse, die an diesem Tag fahren. Und hören wie ein „Ruhri“ auswärtigen Gästen sein Revier erklärt: „Erst kommt die Zeche Carl. Wenn wir bis Gelsenkirchen fahren, sehen wir die Herkules-Statue auf einem Förderturm. Mal sehen, wir lassen uns einfach treiben.“
Das ist die Parole für die Extraschicht, neugierig sein und sich treiben lassen. Denn überall entlang der Routen wird etwas geboten.
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Die Extraschicht-Nacht 2018 in Dortmund
Gut 300.000 Besucher erlebten am Wochenende die „Extraschicht“ im Ruhrgebiet. Bei der Nacht der Industriekultur war Dortmund mit zehn Schauplätzen besonders stark vertreten.
Zollverein ist an diesem Tag auch Ausrichter des 13. deutschen Bergmanns-Tages, was erklärt, warum so viele Knappen in schmucker Uniform zu sehen sind.
Ihre Kapellen spielen auf der Bühne, auch auf dem Platz vor dem Ruhr- Museum, wo sich Bergleute der früheren Recklinghäuser Zeche „König Ludwig“ mit Kollegen der bayrischen Zeche selben Namens aus Stockheim verbrüdern.
„Wir sind seit 2010 in Kontakt und besuchen uns jährlich“, sagt Rudolf Hille (88), seines Zeichens „der letzte Pferdejunge auf König Ludwig“.
Die letzte Fahrt unter Tage
Kumpel-Handwerk hautnah erleben durften 30 Leser unserer Zeitung, die eine Grubenfahrt auf der letzten aktiven Revier-Zeche Prosper-Haniel gewannen und in Bottrop bis auf Sohle 7 in den Bauch von Mutter Erde fuhren.
Mit all der Knappen-Herrlichkeit hatte die Extraschicht auf Zollverein das Flair eines nostalgischen Volksfestes. Buntes Treiben überall.
Vor dem Förderturm baut ein Klettermaxe aus Pfählen seinen Ausguck, das ImproTheater Emscherblut bespaßt die Gäste, das Duo Flaircondition zeigt Akrobatik am Seil, Magier Dr. Marrax verblüfft nicht nur die Kinder.
Postkarten-Idylle
Der Shop des Ruhr Museums verkauft jede Menge Postkarten mit Reviermotiven von damals, die Daueraustellung kann über Andrang nicht klagen, wie auch die Schau mit Fotos von Josef Stoffels.
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Die Extraschichte lockte am 30. Juni die Rekordzahl von 300.000 Besuchern in 50 Spielstätten.
„Das ist ein Ding! In dem Haus hat meine Freundin gewohnt“, entdeckt eine alte Dame auf einem Stoffels-Bild aus Essen einen Teil ihrer Biografie.
Ein Magnet für weitgereiste Touristen
„Did you see this one?“, fragt eine Frau ihren Begleiter und zeigt auf ein 50er-Jahre-Foto der Dortmunder Zeche Germania.
Aha, auch für weit gereiste Touristen ist die Extraschicht ein Magnet. Publikumsmagnet für Musikfreunde dürfte das Konzert des Essener Urgesteins Stefan Stoppok sein, das um Mitternacht auf Zollverein beginnt.
Da sind wir aber schon nach Bochum unterwegs, wo die Jahrhunderthalle und das Bergbaumuseum prominente Leuchttürme der Extraschicht sind.
Wie die Essener bespielen auch die Bochumer an diesem Tag ihren Bahnhof: Im Souterrain der U-Bahn steht Comedian Heinz Gröning auf der Bühne und unterhält nicht nur die Pendler von der Extraschicht mit seinem Witz.
Volksfest-Stimmung an der Bochumer Jahrhunderthalle
Volksfest-Stimmung auch an der Jahrhunderthalle, wo man deutlich großzügiger den Außenbereich bestuhlt hat als auf Zollverein.
An zwei Bühnen vor vielen Bierbänken spielen im Wechsel diverse Bands. Darjeeling machen Indie-Rock, Singer/Songwriter Binyo hat sich mit Trommler und Saxofonist verstärkt und beschallt die Leute mit duftigem Pop und Reimen nach Art der Hip-Hopper.
Klaviermusik und der „Day of Song“
In der Halle wird Klaviermusik geboten, Pianisten vom Klavier-Festival Ruhr sind zu Gast. „Inseln“ mit Sitzkissen laden die Besucher ein, sich gemütlich zu fläzen und eine Klang-Massage zu nehmen.
Höhepunkt des Abends ist das Abschlusskonzert des „Day of Song“ mit den Bochumer Symphonikern unter Steven Sloane und hunderten Sängern vieler Chöre.
Ein Erlebnis und das grandiose Finale einer herrlich bunten Nacht, die im Landschaftspark Duisburg-Nord und im Nordsternpark in Gelsenkirchen mit imposanten Höhenfeuerwerken und Feuershows endete.