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Expertin: Virus spielt russisch Roulette mit Infizierten - Pfeiffersches Drüsenfieber droht
Coronavirus
Wer einmal am Pfeifferschen Drüsenfieber erkrankt war, bei dem droht ein erneuter Ausbruch dieser Krankheit, sollte er sich mit Corona infizieren. Und das kann sehr viele Menschen treffen.
Eine neue Corona-Studie aus den USA sorgt für Aufsehen. Unter Federführung der Weltgesundheitsorganisation haben Forscher Folgendes herausgefunden: Bei Menschen, die einmal durch eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus am Pfeifferschen Drüsenfieber erkrankt waren, ist die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Verlauf, sollten sie an Corona erkranken, deutlich erhöht. Was steckt dahinter?
„Schwere Störung der Immunkompetenz“
Prof. Dr. Christine Falk, Professorin am Institut für Transplantationsimmunologie an der Medizinischen Hochschule Hannover und Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, hält den in der Studie aufgezeigten Zusammenhang für plausibel: „Dieser Befund deutet auf eine bereits in hunderten Manuskripten gezeigte schwere Störung der Immunkompetenz hin, also der Fähigkeit des Immunsystems, seine Schutzfunktion auszuüben“, antwortet sie auf eine Anfrage unserer Redaktion.
Um zu verstehen, was das Coronavirus und das Pfeiffersche Drüsenfieber miteinander zu tun haben, muss man ein wenig tiefer in die biologischen und medizinischen Zusammenhänge eintauchen. Übersetzt man die Erläuterungen von Prof. Falk in etwas einfachere Worte, ergibt sich folgendes Bild: Mehr als 90 Prozent der Bevölkerung tragen in ihren Zellen sogenannte „persistente endogene“ Viren in sich. Zu ihnen zählt auch das Epstein-Barr-Virus (EBV), das das Pfeiffersche Drüsenfieber auslöst.
Coronavirus kann die Abwehrzellen angreifen
Dieses Epstein-Barr-Virus ist in der Regel harmlos für den Menschen, denn es wird durch ganz spezifisch auf dieses Virus wirkende T-Zellen in Schach gehalten. Es ist also quasi inaktiv. Das Problem: Eine Corona-Infektion und eine dadurch ausgelöste Covid-19-Erkrankung kann ausgerechnet diese EBV-spezifischen T-Zellen, diese Abwehrzellen stören und vernichten.
Wenn aber diese Abwehrzellen geschwächt sind, gehe die „Kontrolle verloren“, schreibt Prof. Falk. Die Folge: Das Epstein-Barr-Virus könne aktiv werden und so das Pfeiffersche Drüsenfieber auslösen, das in der Fachwelt auch als „Infektiöse Mononukleose“ bekannt ist. Besonders gefährdet scheinen jene zu sein, die bereits einmal an diesem Fieber erkrankt waren. Bei ihnen wird das Epstein-Barr-Virus quasi reaktiviert.
Das Pfeiffersche Drüsenfieber äußert sich mit ähnlichen Symptomen wie Covid 19. Kopfschmerzen, chronische Müdigkeit, Schlaf- und Konzentrationsstörungen können ebenso dazu zählen wie eine Muskelschwäche oder allgemeine Mattigkeit.
Was die Studie aus den USA sagt
In der Studie aus den USA, über die unter anderem der Südwestfunk berichtet hat, hätten die Forscher bei 78 bis 95 Prozent der Patientinnen und Patienten mit einer akuten Covid-19-Erkrankung reaktivierte Epstein-Barr-Viren gefunden. Bei Menschen, die nach drei Monaten noch unter Long-Covid litten, hätten die Forscher in rund zwei Dritteln der Fälle aktive Epstein-Barr-Viren gefunden.
Muss man deshalb besondere Angst vor diesem Zusammenhang zwischen Epstein-Barr-Virus und Coronavirus haben? Nein, sagt Prof. Christine Falk. „Signale aus den exzellenten Monitoring-Aktivitäten des Infektions- und übrigens auch Impf-Geschehens durch Robert-Koch- und Paul-Ehrlich-Institut“ hätten zwar deutlich gezeigt, dass sich Covid 19 auf die „Immunkompetenz“, also die Abwehrfähigkeit des menschlichen Körpers, auswirken könne.
Keine besondere Angst, aber...
Eine besondere Angst speziell vor einer Reaktivierung der Epstein-Barr-Viren bräuchten die Menschen aber nicht zu haben. „Allerdings ist die schwere Störung des Immunsystems in schweren Covid-19-Fällen ein deutlicher Hinweis darauf, dass man sich auf jeden Fall vor Infektion schützen sollte. Mit Impfung plus AHA+L plus Testen“, so Prof. Falk. Also: Impfung, Abstand, Hygiene, Atemschutzmaske, Lüften und Testen.
„Nur so können wir versuchen, eine erneute Virusausbreitung in Deutschland zu verhindern und das öffentliche und kulturelle Leben, Schulen, Kita etc. zu ermöglichen – ohne erneute großflächige Infektionsketten“, sagt die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, und fährt fort: „Es gibt sehr sehr viele Gründe, sich zu schützen und sich auf keinen Fall das Virus einzufangen. Weil es nach wie vor russisch Roulette mit den Infizierten spielt – und man leider immer damit rechnen muss, dass es einen doch erwischt, wenn man NICHT geimpft ist.“
Daher könne sie nur energisch an alle appellieren, sich impfen zu lassen: „Wie gut die Impfung schützt, zeigten die sehr niedrigen Impfdurchbrüche und die dann leichten Verläufe“, so Prof. Falk.
Ulrich Breulmann, Jahrgang 1962, ist Diplom-Theologe. Nach seinem Volontariat arbeitete er zunächst sechseinhalb Jahre in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten, bevor er als Redaktionsleiter in verschiedenen Städten des Münsterlandes und in Dortmund eingesetzt war. Seit Dezember 2019 ist er als Investigativ-Reporter im Einsatz.
