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Schwangerschaft erhöht das Todesrisiko durch Corona für junge Frauen um das 26-Fache
Coronavirus
Die Gefahr, an Corona zu sterben, ist für schwangere Frauen 26-mal so hoch wie für nicht-schwangere Frauen gleichen Alters. Für den Chef der Frauenklinik Dortmund gibt es nur eine Konsequenz.
In Dortmund ist im August eine 25-jährige Frau an einer Coronainfektion gestorben. Die Frau hatte sich in der Schwangerschaft mit dem gefährlichen Virus infiziert. Als die 25-jährige Schwangere in die Frauenklinik in Dortmund kam, litt sie bereits an akuter Atemnot, berichtet Prof. Dr. Thomas Schwenzer, Direktor der Frauenklinik am Klinikum Dortmund.
Mit einem Kaiserschnitt habe man das Kind geholt. Anschließend sei die Frau sofort auf die Intensivstation gebracht und beatmet worden. Trotz aller Bemühungen sei sie dort am 20. August gestorben. Das Kind habe überlebt, werde aber als Frühgeburt noch in der Kinderklinik betreut, sagte Schwenzer.
Schwangere junge Frau hatte keine Vorerkrankungen
Die Frau habe trotz leichten Übergewichts, wie das zwei von drei Schwangeren hätten, keinerlei Vorerkrankungen gehabt, berichtete Schwenzer in einem Gespräch mit unserer Redaktion. „Wir haben jetzt das erste Mal in der Dortmunder Klinik, obwohl wir 40 Corona-Schwangere überblicken, tatsächlich einen Todesfall. Das ist ein Drama“, sagt Schwenzer.
In den vergangenen Wochen habe man vier, fünf weitere Corona-Schwangere mit einem schweren Verlauf behandelt. Die Frauen seien zumeist bereits mit einer schweren Atemnot in die Klinik gekommen, so dass sie nach einem Kaiserschnitt direkt zur Beatmung auf eine Intensivstation verlegt worden seien, berichtet Schwenzer.

Prof. Dr. Thomas Schwenzer, Direktor der Frauenklinik am Klinikum Dortmund. © Foto: Kevin Kisker
„Die Schwangerschaft selbst ist ein Risikofaktor“
Dass schwangere Frauen so stark gefährdet sind, habe man anfangs nicht gewusst. „Wir haben lange geglaubt, dass Schwangere das Coronvirus genauso gut oder schlecht verarbeiten wie altersentsprechende nicht-schwangere Frauen. Inzwischen wissen wir, dass das nicht so ist“, sagt Schwenzer.
Natürlich wisse man aus diversen Statistiken, dass es bestimmte Risikokonstellationen gebe, die den Schweregrad einer Erkrankung beeinflussen, aber: „Wahrscheinlich ist die Schwangerschaft an sich ein Risikofaktor für einen verstärkten Verlauf einer Coronainfektion“, sagt Schwenzer, der dazu Zahlen vorlegt. So hätten 25- bis 30-jährige Schwangere gegenüber gleichaltrigen nicht-schwangeren Frauen ein sechsfach erhöhtes Risiko, auf einer Intensivstation zu landen.
Erschreckende Daten zum Todesrisiko
Die Daten zum Todesrisiko, die Prof. Schwenzer nennt, sind noch dramatischer. Vor Corona habe es bei 100.000 Schwangeren knapp 3 Todesfälle gegeben. „Da sind also auch Verkehrsunfälle und bösartige Erkrankungen eingerechnet.“ Seit Corona liege dieser Wert bei 50. Schwangere Frauen, die sich mit Corona infizieren, hätten also verglichen mit gleichaltrigen nicht-schwangeren Frauen ein 26-fach erhöhtes Sterberisiko. Daher könne er nur allen Schwangeren dringend raten, sich impfen zu lassen.
Die Ständige Impfkommission, sagt Schwenzer, halte sich mit einer Impfempfehlung noch zurück. Dort warte man auf genauere Daten. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe aber habe schon im Mai eine unbedingte Impfempfehlung für Schwangere ausgesprochen.
Der Appell Schwenzers, sich impfen zu lassen, gelte unabhängig davon, in welcher Woche der Schwangerschaft sich eine Frau befinde: Die unmittelbaren Nebenwirkungen einer Impfung seien so gering, dass der Köper selbst dann nicht durch die Impfung überlastet werde, wenn die Frau zwei oder drei Tage später ihr Kind entbinde.
Und was ist mit dem ungeborenen Kind?
Auch für die ungeborenen Kinder, sagt er, sei nach allem, was man wisse, die Impfung der Mutter unproblematisch. Im Gegenteil: Der Impfschutz der Mutter werde auf sie übertragen.
Für Frauen, die bereits eine Corona-Infektion durchgemacht haben, gelte das, was für alle anderen auch gelte: Sechs Monate nach der Infektion sollten auch sie sich impfen lassen. Dabei sei für alle Schwangeren vor allem der Impfstoff von Biontech zu empfehlen. Schwere Nebenwirkungen seien davon bisher nicht bekannt. Vereinzelt werde von einer Herzmuskelentzündung berichtet. Die träten aber nur sehr selten auf und hätten dann einen schwachen Verlauf, sagt Schwenzer.
Und was ist, wenn eine schwangere Frau den Verdacht hat, sich vielleicht doch mit dem Virus infiziert zu haben? „Dann sollte sie so schnell wie möglich eine Klinik aufsuchen“, sagt Schwenzer. Sie solle nicht warten, bis sie keine Luft mehr bekomme. Wenn man eine Infektion frühzeitig erkenne, könne man eine wirksame Antikörpertherapie durchführen.
Ulrich Breulmann, Jahrgang 1962, ist Diplom-Theologe. Nach seinem Volontariat arbeitete er zunächst sechseinhalb Jahre in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten, bevor er als Redaktionsleiter in verschiedenen Städten des Münsterlandes und in Dortmund eingesetzt war. Seit Dezember 2019 ist er als Investigativ-Reporter im Einsatz.
