EU-Gipfel berät Konzept für Migrantenlager in Nordafrika
Die Idee, Flüchtlinge nach der Rettung aus dem Mittelmeer in nordafrikanische Auffanglager zu bringen, beschäftigt den EU-Gipfel. EU-Ratspräsident Tusk favorisiert diesen Plan, EU-Kommissionschef Juncker warnt vor „Neokolonialismus“: Brüssel könne nicht für die nordafrikanischen Länder entscheiden.
von Von Verena Schmitt-Roschmann und Thomas Lanig, dpa
,Brüssel
, 28.06.2018, 11:24 Uhr / Lesedauer: 2 min
Österreichische Polizisten und Flüchtlings-Darsteller bei der Grenzschutzübung „Proborders“ an der Grenze zu Slowenien. Ronald Zak/AP Foto: Ronald Zak
Den Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten liegt bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel ein erstes Konzept für Migranten-Auffanglager in nordafrikanischen Ländern vor.
Nach Angaben der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini wurde es in den vergangenen Tagen gemeinsam mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) und der Organisation für Migration (IOM) entwickelt. Sie habe dafür direkt mit UNHCR-Chef Filippo Grandi und IOM-Generaldirektor William Swing zusammengearbeitet, sagte Mogherini.
Details teilte Mogherini nicht mit. Sie betonte lediglich, dass die sogenannten Anlandestellen nicht gegen internationales Recht oder Menschenrechte verstoßen würden.
Hinter den Lagern steht die Idee, die Migration über das Mittelmeer zu stoppen. Menschen, die sich illegal auf den Weg nach Europa machen, würden dann nach der Aufnahme durch Schiffe im Mittelmeer nicht wie bisher nach Europa, sondern in solche Auffanglager in anderen Staaten gebracht. Dies wird mittlerweile von vielen Politikern als einzige Möglichkeit gesehen, um Schleuserbanden die Geschäftsgrundlage zu entziehen.
Aus den Lagern sollen nur diejenigen Menschen eine Chance auf Zuflucht in Europa haben, die wirklich schutzbedürftig sind. Alle anderen müssten in ihre Heimatländer zurückkehren.
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker warnte die EU-Staaten vor neo-kolonialistischem Verhalten. „Ich mache darauf aufmerksam, dass wir hier in Brüssel nicht entscheiden können für die nordafrikanischen Länder. Ich bitte da um einiges an Zurückhaltung“, sagte Juncker. Er sei in Kontakt mit den fraglichen Regierungen, und diese wollten nicht fremdbestimmt werden. „Wir arbeiten (...) an diesem Thema. Aber man sollte heute nicht den Eindruck geben, als dass es hier Neokolonialismus geben würde.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstrich unmittelbar vor dem EU-Gipfel den Schutz der europäischen Außengrenzen als vorrangiges Ziel der Flüchtlingspolitik. Beim Eintreffen in Brüssel betonte sie auch die geplante Stärkung der europäischen Grenzschutzagentur Frontex und die Notwendigkeit, die sogenannte Sekundärmigration von Asylbewerbern innerhalb der EU zu begrenzen.
Dieser Punkt ist im Asylstreit mit der CSU besonders strittig. Innenminister Horst Seehofer will Asylbewerber, die bereits in einem anderen Land registriert sind, an den deutschen Grenzen zurückweisen - notfalls im nationalen Alleingang. Merkel will dagegen eine europäische Lösung.
In Brüssel sagte sie dazu, die Länder, in denen die meisten Flüchtlinge ankämen, bräuchten Unterstützung. Flüchtlinge dürften sich aber nicht aussuchen können, in welchem Land sie schließlich ein Asylverfahren durchlaufen. Deutschland nimmt in der EU bei weitem die meisten Flüchtlinge auf.
Grundsätzlich hält es Merkel auch für möglich, Flüchtlingsschiffe im Mittelmeer, etwa in Nordafrika anlanden zu lassen. Dazu müssten aber direkte Gespräche mit den betroffenen Ländern geführt und „die Bedürfnisse dieser Länder in Betracht“ gezogen werden. Dies könne zudem nur zusammen mit der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) geschehen.
EU-Ratspräsident Donald Tusk warb in Brüssel für seine Idee von Flüchtlings-Sammellagern außerhalb der EU. Zur Bekämpfung illegaler Migration sollten sich die Staats- und Regierungschefs auf die EU-Außengrenzen konzentrieren. Die Alternative seien chaotische Grenzschließungen auch innerhalb der Staatengemeinschaft und wachsende Konflikte unter den EU-Ländern.
Der EU-Gipfel wird sich am Abend mit dem höchst umstrittenen Thema Migration und Asyl befassen. Als weitere Themen des zweitägigen Treffens nannte Merkel auch die Reaktion auf die von den USA verhängten Strafzölle und warnte vor einer Spirale der Handelsbarrieren.
Am Freitag wollen die Staats- und Regierungschefs über den Stand der Brexit-Verhandlungen mit Großbritannien und über die deutsch-französischen Vorschläge zur Reform der Wirtschafts- und Währungsunion sprechen.
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