Ende der Wehrpflicht nach 55 Jahren

Bundeswehrreform

Mehr als acht Millionen junge Männer haben in den vergangenen Jahrzehnten Wehrdienst geleistet. Für die letzten von ihnen ist nun auch Schicht. Nach ihrem Ausscheiden ist die Bundeswehr eine reine Freiwilligenarmee.

Berlin

von dpa

, 30.06.2011, 13:16 Uhr / Lesedauer: 2 min
Zwei ausscheidende Wehrdienstleistenden der Panzerbrigade 12 packen ihre Taschen: Ab dem 1. Juli ist die Bundeswehr eine reine Freiwilligenarmee.

Zwei ausscheidende Wehrdienstleistenden der Panzerbrigade 12 packen ihre Taschen: Ab dem 1. Juli ist die Bundeswehr eine reine Freiwilligenarmee.

Nach 55 Jahren ist die Wehrpflicht in Deutschland ab Freitag Geschichte. Wehr- und Zivildienst werden durch neue Freiwilligendienste ersetzt, die Männern und Frauen offen stehen.

Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) will künftig mit dem Slogan «Wir. Dienen. Deutschland» die Nachwuchswerbung verstärken. Der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus tritt für ein Bündel von Attraktivitätsmaßnahmen ein, um die angestrebte Personalstärke der Bundeswehr von 175 000 Soldaten zu sichern.

Im Grundgesetz verankert

Die Wehrpflicht war in der Bundesrepublik im Juli 1956 per Gesetz eingeführt worden. Die ersten 10 000 Wehrpflichtigen wurden zum 1. April 1957 eingezogen. Seitdem haben insgesamt 8,3 Millionen junge Männer ihren Pflichtdienst geleistet. Die letzten 12 000 Wehrpflichtigen wurden zum 3. Januar dieses Jahres einberufen. Ihre sechsmonatige Dienstzeit endete am Donnerstag. Die Wehrpflicht bleibt allerdings im Grundgesetz verankert und kann bei Bedarf mit einfacher Mehrheit in Bundestag und Bundesrat wieder eingeführt werden.

De Maizière will am Montag die ersten freiwillig Wehrdienstleistenden in Berlin begrüßen. Ihr Dienst wird bis zu 23 Monate dauern und mit 777 bis 1146 Euro monatlich vergütet. Der Minister setzt darauf, dass künftig mindestens 5000 Freiwillige der Bundeswehr angehören werden. Das Familienministerium kalkuliert deutlich optimistischer für den Zivildienst-Ersatz und geht von 35 000 so genannten Bufdis (Bundesfreiwilligendienstleistenden) bereits im kommenden Jahr aus. Zum 1. Juli werden allerdings erst 2000 bis 3000 Frauen und Männer eingestellt.

Neuer Charakter der Bundeswehr

Königshaus sagte, die Aussetzung der Wehrpflicht bedeute eine «völlige Veränderung des Charakters der Bundeswehr». Niemand müsse sich mehr zwangsläufig mit der Truppe befassen. Mit den bisherigen Bewerberzahlen zeigte sich Königshaus dennoch zufrieden. «Wir sehen, dass die ursprünglichen pessimistischen Annahmen in dieser gravierenden Form offenbar nicht Realität geworden sind», sagte er.

Die aktuellsten Zahlen stammen von Anfang Juni. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich bereits 5500 junge Leute für den freiwilligen Wehrdienst gemeldet. Hinzu kamen 4500 Grundwehrdienstleistende, die sich freiwillig zu eine längere Dienstzeit verpflichteten.

"Unterschichtenarmee"

Königshaus betonte, dass man sich trotzdem nicht zurücklehnen könne. «Man muss schon sehen, dass man mehr Attraktivität schafft», sagte der Wehrbeauftragte des Bundestags. Er sprach sich unter anderem dafür aus, den Soldaten durch ein neues Stationierungskonzept häufige Standortwechsel zu ersparen. Auch Unterbringung und Versorgung in den Kasernen müssten verbessert und finanzielle Anreize gesetzt werden. Königshaus befürwortete in diesem Zusammenhang Verpflichtungsprämien wie in den USA.

Er zeigte sich auch offen für die Aufnahme von in Deutschland lebenden Ausländern in die Bundeswehr. Für Bewerber ohne deutschen Pass müsste es dann allerdings auch «eine vereinfachte Möglichkeit der Einbürgerung» geben. Die Gefahr einer Entwicklung der Bundeswehr zu einer «Unterschichtenarmee» nach dem Aussetzen der Wehrpflicht sieht der Wehrbeauftragte nicht. «Wir haben zurzeit die am besten gebildete und ausgebildete Armee der Welt», sagte er. Die Bundeswehr biete Bildungschancen und Aufstiegsmöglichkeiten, die es woanders nicht gebe, deswegen sehe er «die Gefahr einer Verrohung nicht».

Bundeswehr zum Wehrdienst

Familienministerium zum Bundesfreiwilligendienst