Eiswürfel-Klirren kündigt das Ende der Welt an
Ruhrfestspiele
Die besten Tage liegen lange hinter dem "Talk House". Während die Welt sich draußen weiter dreht, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein in dem schmierigen New Yorker Club. Aber der Schein trügt: Der sichere Wohlfühlort von einst, in dem die Schauspieler ihre Erfolge begossen haben, ist keine Insel der Glückseligkeit mehr.

Der nostalgische Schein trügt: In dem New Yorker Club kündigt sich das Ende der Welt an.
Am Montagabend war der West-End-Hit "Evening at the Talk House" von Wallace Shawn als Deutsche Erstaufführung bei den Ruhrfestspielen zu sehen. Wie tief die Figuren gesunken sind, deutet Regisseurin Johanna Wehner an.
Plötzlich kippt die friedliche Idylle, alte Wunden reißen auf, die Gruppe wechselt zu politischen Themen - und kommt in der Wirklichkeit an.
Bühnenbildner verlegt das "Talk House" in einen Käfig
Für das mörderische Treiben und den Verlust von menschlichen Werten findet Bühnenbildner Volker Hintermeier ein starkes Bild: In der Koproduktion der Ruhrfestspiele mit dem Schauspiel Frankfurt und dem Berliner Ensemble verlegt er das "Talk House" in einen Käfig.
Die Insassen, wie gefährliche Tiere getrieben von rohem Verlangen. Atmosphärische Musik von Joachim Schönecker begleitet die surrealen Momente.
Shawn hat aktuelle Situation vorausgeahnt
Die Zivilisation ist nur noch Fassade. Jedweder Skrupel verschwindet hinter einem banalen Parlando-Ton. Das Grauen wird genauso naiv und arrogant verhandelt wie der neueste Branchen-Tratsch, die lästige Frage nach dem Warum mit dem nächsten Drink heruntergespült.
Wallace Shawn hat seine bittere Dystopie über den moralischen Verfall einer Gesellschaft lange vor Trump geschrieben. Die aktuelle Stimmung, Hilflosigkeit und Angst, hat der Dramatiker erschreckend gut vorausgeahnt. Ganz so funkelnd wie in früheren Werken sind seine Dialoge diesmal nicht.
Das Ende der Welt kündigt sich nicht mit Scheppern an
Bei dem hervorragenden Ensemble wartet man auf das Brodeln unter der Oberfläche, bleibt zunächst mit einem etwas blutleeren Eindruck zurück. Aber die Inszenierung hallt nach: Das Ende der Welt kündigt sich bei Wehner nicht mit lautem Scheppern an, sondern mit dem leisen Klirren von Eiswürfeln.