Oehmke, Jahrgang 1974, hat als Reporter schon bewiesen, dass er preiswürdiges Talent fürs Schreiben besitzt und fürs sezierende Beobachten. Über die „Toten Hosen“ schrieb er das Buch „Am Anfang war der Lärm.“
Jetzt gilt sein Augenmerk den fiktiven Schönwalds, die er in den Mittelpunkt seines wuchtigen Familienepos‘ stellt. Wie einst den Buddenbrooks (mit denen der Autor unverhohlen liebäugelt) droht auch dieser Familie der Verfall – im Falle der Schönwalds durch ihr Schweigen.
Unglückliche Erwachsenenleben
Allen Schweigenden voran die Eltern: Vater Hans-Harald, pensionierter Oberstaatsanwalt, und vor allem Mutter Ruth, die sich von Ehemann und drei Kindern um die verdiente Karriere als Literaturprofessorin gebracht sieht. Sie verschweigt eine frühe Affäre, er einen späten Therapieversuch.
„Weggucken, Nichtwissenwollen, Halbwahrheiten oder geschönte Versionen“, spät wird ihnen klar, dass sie ihren Kindern prägend etwas vorgelebt haben, das denen weit ins eigene, unglückliche Erwachsenenleben hinein im Weg steht.
Drei Geschwister
Chris, der Erstgeborene, hat eine Wahnsinns-Karriere als Literaturwissenschafts-Professor in den USA und damit seine Mutter unfassbar stolz gemacht. Doch seine Kündigung und seine Tätigkeit für die Wiederwahl Donald Trumps in dessen „Make-America-Great-Again“-Team kann er der Familie nicht eingestehen.
Seine Schwester Karolin eröffnet in Berlin einen queeren Buchladen. Ob ihre Geschäftspartnerin auch ihre Lebensgefährtin ist, lässt sie offen. Benni, der hochbegabte Jüngste, hat sich mit der Tochter eines Self-Made-Milliardärs in die Uckermark zurückgezogen.
Finale Showdown
Die ganze Familie reist zur Buchladeneröffnung an, die von Aktivisten gestört wird. Der finale Showdown der Schönwalds und das ungewollte Ende ihres Schweigens beginnt mit einer Farbbeutel-Attacke.
Die unbequemen Wahrheiten der Schönwalds fügen sich zu einem wahrlich Buddenbrookschen Gesellschafts- und Sittenbildnis unserer Zeit zusammen. Meisterhaft aufgeschrieben von Philipp Oehmke.
Philipp Oehmke: Schönwald. 544 S., Piper, 26 Euro. ISBN 978-3-4920-7190-1.
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