Ein so großes Ballett braucht nur ein ganz kleines Schiff
Ruhrfestspiele: "Prosperos Insel"
Wer so brillant choreografieren kann wie Bridget Breiner, braucht kein großes Tamtam auf der Bühne. Ein kleines Papierschiff reicht ihr, um den Schiffbruch zu erzählen, der in Shakespeares "Sturm" ganz am Anfang steht. Prospero zerdrückt es zwischen seinen starken Händen - und die höchst spannende Geschichte beginnt. Bridget Breiner, Ballettdirektorin des Musiktheaters im Revier, hat mit "Prosperos Insel" ein fantastisches Handlungsballett erschaffen.

Prospero (Ledian Soto) und Luftgeist Ariel (Rita Duclos) beherrschen die Insel.
Die Gelsenkirchener Compagnie zeigte am Samstag die Uraufführung bei den Ruhrfestspielen. Breiner erzählt, anders als das Stück von 1611, auch die Vorgeschichte von Prosperos Verbannung auf die Insel. Die Szenen bei Hofe, in denen aufgefächerte Hände die Macht verkörpern, gehören zu den stärksten des Abends.
Ein Felsen schwebt über den Köpfen
Für die Insel hat Ausstatter Jürgen Kirner einen Felsen geschaffen, der über den Köpfen schwebt und von einem magischen Ring umgeben ist. Hier tanzen der kraftvolle Caliban (Valentin Juteau) und die wunderbare Rita Duclos als Luftgeist Ariel, zierlich und androgyn. Sie dient und verehrt Prospero. Breiner erzählt die Beziehung der beiden als tragische, unerfüllte Liebesgeschichte, was zu bizarr-berührenden Pas de Deux führt. Und Prospero? Ledian Soto ist ein charismatischer Ausnahmetänzer. Er beherrscht die Bühne mit seiner gewaltigen Gestik. Breiner ist eine Bildhauerin der Bewegung, sie meißelt für jede Figur eine eigene Tanzsprache. Auch für Miranda und Ferdinand (Francesca Berruto/Carlos Contreras), die ihre Liebe zauberhaft vertanzen.
Jugendkonzertchor macht den Abend zum Gesamtkunstwerk
Und noch einen Hauptdarsteller gibt es: den Jugendkonzertchor der Chorakademie Dortmund. Er spielt mit, verbeugt sich in einer La-Ola-Welle vor dem Herzog oder markiert den Regen. Gemeinsam mit der Musik - und unter anderem die "Songs of Ariel" von Frank Martin - machen erst diese Sangestalente unter Leitung von Felix Heitmann den Abend zum Gesamtkunstwerk, für das es Ovationen und Bravo-Rufe gab.