Ein großer Spaß: „No Idea - Keine Ahnung!“
Früher war mehr Lametta. Zumindest für die Sterne am Nachthimmel gilt das wirklich. Bis gar keine mehr zu sehen sind, dauert es zum Glück noch ein bisschen, wie ein Physiker und ein Comiczeichner in einem wundervoll witzigen Buch über die Rätsel des Universums erklären.

Ein Buch über die Rätsel des Universums: „No idea - Keine Ahnung“. Foto: Bertelsmann Verlag
Nicht nur das Universum ist voller Löcher, auch unser Wissen um die Weiten um uns herum ist noch äußerst löchrig. Gerade diesen unklaren Facetten ist „No Idea - Keine Ahnung!“ gewidmet.
Dem Physiker Jorge Cham und dem Comiczeichner Daniel Whiteson ist damit ein echter Coup geglückt: Selten wurden Wissenslücken derart spannend, lustig und anschaulich vermittelt - und das bereits vorhandene Wissen drumherum gleich mit.
Astrophysik, das ist das, was man kaum begreifen kann wegen der unfassbaren Dimensionen und der merkwürdigen Gesetze. Und auch in „No Idea“ heißt es eingangs: „Würden Sie gerne wissen, wie das Universum begann, woraus es besteht und wie es enden wird? Möchten Sie verstehen, woher Raum und Zeit kommen? Ob wir allein im Universum sind? Wirklich schade! Das vorliegende Buch wird keine dieser Fragen beantworten.“
Wenig sei bisher über das Universum bekannt. „In zweihundert Jahren werden die Menschen wahrscheinlich auf unsere Erklärungsversuche genauso zurückblicken, wie wir heute das Weltbild der Höhlenmenschen betrachten“, heißt es von den Autoren. Sie machen zuerst klar, dass die Art Materie, die wir für normal halten - aus der „Sterne, Planeten und Gewürzgurken“ bestehen - nur fünf Prozent der Gesamtmenge ausmacht. „Woraus bestehen die anderen fünfundneunzig Prozent des Universums? Wir wissen es nicht.“
Errechenbar sei, dass wohl 27 Prozent auf eine mysteriöse Dunkle Materie und 68 Prozent auf eine noch viel mysteriöse Dunkle Energie entfallen. Erstere sei die Erklärung dafür, dass die Sterne der Galaxien trotz der hohen Zentrifugalkraft nicht ins All hinaus geschleudert werden, die zweite treibe den Raum im Universum immer weiter auseinander - und das immer schneller. Irgendwann entfernten sich Objekte mit Überlichtgeschwindigkeit voneinander. „Das bedeutet, das Licht der Sterne wird uns eines Tages nicht mehr erreichen können. Schon heute sind weniger Sterne am Nachthimmel sichtbar als gestern.“
Jeder frage sich irgendwann: „Was ist der Grund, dass ich hier auf der Erde bin?“, heißt es an anderer Stelle. „Wir kennen die Antwort: die Gravitation.“ Wie unglaublich schwach diese Kraft eigentlich ist, zeige sich schon, wenn man einen Eisennagel mit einem Magneten hochhebe - was mühelos gelinge, obwohl die Gravitationskraft eines ganzen Planeten, der Erde, ihn nach unten zieht. „Ein winziger Magnet entfaltet mehr Kraft als ein ganzer Planet, weil der Magnetismus der Gravitation deutlich überlegen ist.“
Auf jeder Seite machen Comiczeichnungen die Sachverhalte einfacher verständlich - etwa, warum man sich den Raum im Universum nicht als leeren großen Saal, sondern eher als riesigen Klumpen dichten Glibbers vorstellen sollte. Oder auch, warum Zeitreisen nicht als vollkommen unmöglich auszuschließen sind.
Stets sind die Erläuterungen sehr lebensnah. Etwa, wenn es darum geht, dass die Schwäche der Gravitation auf Dimensionen außerhalb der uns bekannten hinweisen könnte. „Überlegen Sie einmal, was passiert, wenn jemand auf einer Party furzt“, heißt es dazu. Wenn das in einem engen Korridor passiere, rieche das jeder im Flur intensiv. „Geschieht das aber an einer Stelle, wo sich mehrere Korridore kreuzen, wird der Geruch sich in verschiedene Richtungen verbreiten und von den Menschen in diesen Fluren weniger stark empfunden werden.“ Ähnliches geschehe mit Kräften bei vorhandenen Extradimensionen - und könne eine Erklärung für die Schwäche der Gravitation sein.
Zu den spannendsten Kapiteln zählt das elfte, in dem es um superschnellen Dauerbeschuss aus dem All geht. Kosmische Strahlen prasselten ständig auf unseren Planeten ein, heißt es darin. „Millionen dieser Geschosse treffen täglich auf unsere Erdatmosphäre auf und führen insgesamt mehr Energie mit als eine explodierende Atombombe.“ Ein Großteil des Teilchenregens sei völlig harmlos. „Rund hundert Milliarden Neutrinos aus der Sonne durchqueren jede Sekunde ihren Fingernagel.“
Es gebe aber auch Teilchen mit unglaublich hoher Energie, Oh-My-God-Teilchen genannt. „Fast fünfhundert Millionen von ihnen gelangen jedes Jahr auf die Erde.“ Dieser irrwitzigen Tatsache lasse sich noch eine weitere hinzufügen: „Uns ist nichts im Universum bekannt, das in der Lage wäre, derart energiereiche Teilchen zu erzeugen“. Die Geschosse zerbröselten in der Atmosphäre glücklicherweise zu Billionen wesentlich schwächerer Teilchen, die als kilometerbreiter Schauer auf die Erde prasselten.
Sehr schwer nachweisbar sei das, schreiben die Autoren - und schlagen ein Netz von Teilchendetektoren vor, die inzwischen fast jeder im Besitz hat: aus Smartphones, mit Hilfe einer App. Lust mitzumachen? Das geht unter: http://crayfis.io ganz leicht.
Zum Schluss ihres wundervollen Buches geben Cham und Whiteson ihrer Hoffnung Ausdruck, „dass Sie auch die wichtigste Lektion dieses Buches gelernt haben: dass wir begeistert sein sollten über all die Dinge, die wir nicht wissen“. Denn das bedeute, dass noch ganz wunderbare Entdeckungen und Erkenntnisse vor uns liegen. Fraglos begeistert werden etliche Leser jedenfalls von „No Idea“ sein.
- Jorge Cham und Daniel Whiteson: No idea! Keine Ahnung. Vorletzte Antworten auf die letzten Fragen des Universums, Bertelsmann Verlag, München, 2018, 464 Seiten, 15,00 Euro, ISBN 978-3-570-10320-3.