Dürftige Halbzeitbilanz trotz Gold-Ausbeute
Olympia 2016
Mindestens 44 Medaillen wie in London 2012 - so lautete das erklärte Ziel des deutschen Olympia-Teams vor den Sommerspielen in Rio de Janeiro. Zur Halbzeit liegt das deutsche Olympia-Team hinter den Erwartungen zurück. Mit der Gold-Ausbeute aber ist die DOSB-Spitze zufrieden - und hofft auf mehr in der zweiten Rio-Woche.

Michael Vesper hat seine Erwartungen an die olympische Medaillenausbeute schon heruntergeschraubt.
Schon zur Halbzeit rechnet die DOSB-Spitze damit, dass diese Marke verfehlt wird. "Der Kuchen wird auf mehr Länder und Sportler aufgeteilt. Es zeichnet sich ab, dass wir die in London gesetzte Marke nicht erreichen werden", räumte Chef de Mission Michael Vesper am Sonntag im Deutschen Haus bei der Halbzeitbilanz-Pressekonferenz ein.
Am Rande des olympischen Golf-Turniers betonte Verbandspräsident Alfons Hörmann: "Leider müssen wir feststellen, dass einige Verbände die Ziele schlichtweg nicht ansatzweise erreicht haben." Mit 16 Mal Edelmetall (8xGold/5xSilber/3XBronze) blieb das 423-köpfige Aufgebot des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) vor den Sonntags-Wettkämpfen deutlich unter den Erwartungen - in London hatte es zu diesem Zeitpunkt schon 21 Medaillen (5/10/6) gegeben.
Nicht mehr konkurrenzfähig
In zahlreichen Sportarten sind die Deutschen schlichtweg nicht mehr konkurrenzfähig, wie Hörmann früh festgestellt hatte: "Wir haben im Weltsport ein Niveau, das wir in zahlreichen Verbänden nicht mehr vollumfänglich mitgehen können." Ob im Beckenschwimmen, Fechten, Judo oder Straßenradsport - in früheren Medaillenbänken gingen die Deutschen in Rio komplett leer aus. Vor allem das Abschneidern der medaillenlosen Schwimmer sorgt für Unmut. "Absolut besorgniserregend ist für mich das Ergebnis bei den Schwimmern", sagte Hörmann.
"Es bestätigt sich, was wir immer gesagt haben: Es wird schwerer, Medaillen zu gewinnen, weil immer mehr Nationen nachgerüstet haben", sagte Vesper, der betonte: "Ich gehe davon aus, dass unsere Mannschaft sauber ist. Die Sportler wurden vielfach getestet." Mit einer Leistungssportreform, an der DOSB und Bundesinnenministerium seit einem Jahr arbeiten, soll spätestens bis zu den Spielen 2020 und 2024 die Rückkehr in die Weltspitze gelingen. Nach Angaben des BMI steckt der Staat jährlich 153 Millionen Euro in den Spitzensport. Nicht genug, findet Vesper: "Dass wir mehr Mittel brauchen, ist unbestritten."
Teams machen Hoffnung
Nur den Schützen, Ruderern und Reitern mit ihren Gold-Coups ist es zu verdanken, dass sich die Zwischenbilanz nicht noch schlechter liest. Zudem machen die Teams Hoffnung auf mehr: Im Fußball, Hockey, Handball und Tischtennis waren am Sonntagvormittag noch alle auf Kurs. Von einem Bild mit "Licht und Schatten" sprach folglich Vesper. Eines macht der DOSB-Spitze Mut: "Wir sind stolz darauf, dass wir schon acht Goldmedaillen gewonnen haben. Und wir werden auch noch weitere gewinnen", sagte der Sportliche Leiter Dirk Schimmelpfennig. "Wir haben die Möglichkeit, die elf Goldmedaillen von London zu erreichen."
Schon der Beginn war für das DOSB-Team ziemlich verkorkst. Für viele Athleten wurde die Anreise zur Tortur, in Rio angekommen warteten dann verstopfte Toiletten, kaltes Wasser, chaotische Organisation, mangelhafte Sicherheitsvorkehrungen und lange Schlangen an der Essensausgabe auf die Athleten. "Das, was hier von Brasilien angeboten wird, hat nichts mit Olympia zu tun", schimpfte Damenhockey-Bundestrainer Jamilon Mülders.
Für den wohl denkwürdigsten Auftritt sorgte dann einen Tag später Diskus-Sensationssieger Christoph Harting. Bei der Siegerehrung wippte und schaukelte der 26-Jährige während der Hymne - teils mit verschränkten Armen vor der Brust. Es hagelte Kritik. "Das war nicht wirklich toll", räumte Harting später ein.
Henze weiter in Lebensgefahr
Mit Blick auf Kanu-Slalom-Trainer Stefan Henze ist all dies aber nebensächlich. Der 35-Jährige schwebte nach Angaben von Vesper auch am Sonntag weiter in Lebensgefahr. Henze hatte bei einem Unfall in einem Taxi ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten.
Von dpa