
Ob Kennenlernen oder Zusammenbleiben: Franziska Urbatschek ist Expertin in Sachen Liebe und berät Menschen, die noch Nachhilfe brauchen. In ihrer Kolumne schreibt sie über Themen aus dem Coaching-Alltag. © Grafik: Klose
Die vier häufigsten Gründe fürs ungewollt Single sein
Kolumne: Liebe lernen
Entweder stimmt das Selbstwertgefühl nicht – oder wir haben Ängste, vielleicht auch schlechte Erfahrungen gemacht. Single sein liegt meistens nicht daran, dass niemand passt. Die Ursachen liegen tiefer.
Laut Statista.de gab es im Jahr 2021 rund 22,69 Millionen Menschen in Deutschland, die Single sind. Das bedeutet also: Etwa jeder vierte ist Single und ein Großteil dieser Menschen leider auch ungewollt. Woran liegt das nur? Warum funktioniert es bei so vielen mit der Liebe einfach nicht? Das schauen wir uns jetzt genauer an.
Eine der meistgehassten Fragen an Singles lautet „Warum ist eigentlich eine/r wie du noch Single?“ – und als Antwort folgt oftmals „das weiß ich selbst nicht, es gibt wohl einfach keine guten Männer/Frauen mehr oder ich weiß einfach nicht, wo ich den passenden Partner kennenlernen kann“. Aus meiner Arbeit mit vielen hunderten Singles weiß ich, dass das nicht die wahren Gründe sind. Die Ursachen liegen meistens viel tiefer. Aber lasst uns mal gemeinsam die vier häufigsten Gründe anschauen.
Grund 1 – niedriges Selbstwertgefühl
Wir alle kennen in der Regel Gedanken, wie „Ich bin nicht gut genug“ oder „ich bin nicht liebenswert“ – vor allem in Situationen, in denen uns das Ergebnis nicht gefällt. Wie zum Beispiel nach einem wiederholten misslungenen Date. Menschen mit einem negativen Selbstwertgefühl neigen dazu, getrieben zu sein. Sie streben zum Beispiel nach immer mehr Liebe und Anerkennung oder danach, noch bessere Leistungen zu erbringen. Das kann bis hin zum sogenannten „Overachieving“, zu übertriebener Fürsorglichkeit führen, indem man den anderen mit Liebe überschüttet – in der Hoffnung Liebe und Anerkennung zurückzubekommen. Das eigene Handeln wird nach der Anerkennung und Bewunderung anderer ausgerichtet. Wir erschaffen uns fremdbestimmt. Und wenn diese Anerkennung ausbleibt, fallen wir in ein Loch.
Zusätzlich befinden wir uns auch in einer Gesellschaft, die sehr leistungsorientiert ist – in der sich vieles um das Erzielen immer besserer Ergebnisse dreht. Da ist es kein Wunder, dass man an sich zweifelt, wenn man dem Leistungsdruck nicht standhalten kann.
Grund 2 – Bindungsmuster
Unsere Bindungsmuster bilden sich in der Kindheit heraus: Dort lernen wir, wie Bindungen funktionieren. Aus unseren Erfahrungen in der Kindheit bildet sich heraus, was wir in Partnerschaft erwarten. Wie sind meine ersten Liebespartner mit mir umgegangen – was habe ich von ihnen gelernt? War ich damals sicher, war ich damals geborgen? Was habe ich damals beobachtet? Wie funktioniert „Beziehung“ eigentlich? Wie haben sich die Eltern als Paar verhalten? Wenn wir in der Kindheit etwas erlebt haben, das verletzend war oder wir negativ bewertet haben, haben wir später oft Probleme, uns auf Partnerschaften einzulassen.
Als Kind lieben wir unsere Eltern bedingungslos – egal wie sie uns behandeln. Wenn wir die Erfahrung machen, dass wir, wenn wir lieben, verletzt werden, bestätigen wir uns das entweder, indem wir uns immer wieder Partner aussuchen, bei denen es ähnlich ist, oder wir lassen uns nicht auf Beziehungen ein, weil wir diesen Schmerz nicht wieder erleben wollen.
Grund 3 – Streben nach dem unerreichbaren Menschen
Wenn wir zum Beispiel erlebt haben, dass unserer erste Liebe, zum Beispiel der Vater, nie da war, weil er viel gearbeitet hat, weil die Eltern sich getrennt haben oder physisch da sind aber nicht emotional, haben wir bereits Erfahrung mit der Abwesenheit eines Partners gemacht. Und weil wir das dann später Kennen, suchen wir uns dann Partner, die ebenfalls unerreichbar sind – weil uns das ja bekannt ist.
Grund 4 – Bindungs- und Verlustangst
Was ist mit Bindungsangst gemeint? Ein Teil in mir hat Angst vor Bindung und Nähe – ich will es zwar, aber sobald es zu nah wird, wird es für mich irgendwie gefährlich und ich ziehe mich wieder zurück. Oftmals sind Menschen mit Bindungsangst in halben Bindungen, in Affären in On-Off-Beziehungen.
Das Gegenteil von Bindungsangst ist die Verlustangst. Verlustangst entsteht, wenn ich mich voll auf den anderen einlasse, und Angst habe, dass der andere gehen könnte. Daher entwickeln wir die Bindungsangst, um uns gar nicht voll einlassen zu müssen, um nicht die Gefahr des Verlustes einzugehen. Doch dann haben unsere Ängste die Führung und nicht wir.