
Ob Kennenlernen oder Zusammenbleiben: Franziska Urbatschek ist Expertin in Sachen Liebe und berät Menschen, die noch Nachhilfe brauchen. In ihrer Kolumne schreibt sie über Themen aus dem Coaching-Alltag. © Grafik Klose
„Es gibt keine guten Männer mehr“? Das Problem liegt eher woanders
Kolumne „Liebe lernen“
„Wer suchet, der findet“ heißt es doch so schön. Bei der Partnersuche trifft das aber nicht auf jeden zu. Wenn es nicht läuft, ist immer die Frage, woran das liegt. Single-Coachin Franziska Urbatschek hat Antworten.
Bei der digitalen Partnersuche wird immer stärker selektiert. Ein Swipe nach rechts und dann wieder drei nach links und weiter geht das Spiel. Und dann kommt die frustrierende Erkenntnis: Bei denjenigen, die ich nach rechts geswiped habe, ist auch nicht wirklich was dabei. Franziska Urbatschek ist Beziehungscoach und will genau über dieses Phänomen aufklären.
Laut Statista sind im Jahr 2021 rund 22,69 Millionen Menschen in Deutschland Single – das bedeutet ca. jeder Vierte. Und obwohl jeder vierte Single ist, höre ich in meinen Coachings häufig Aussagen, wie „Es gibt keine guten Männer/Frauen mehr, mir gefällt einfach keiner und ich möchte doch so gerne in Partnerschaft sein. Ich date, bin auf dem Spielfeld, mache alles, um jemanden kennenzulernen und es funktioniert einfach nicht. Was kann ich denn noch tun?“
Wenn ich dann frage: „Was macht denn deiner Meinung nach eine/n guten Mann/Frau aus, bzw. ab wann gefällt er/sie dir“, kommt häufig eine lange Latte an Kriterien: „Er muss 1,90 groß sein, sie soll sportlich sein, er soll einen sehr guten Job haben, eloquent und gutaussehend sein, es muss direkt kribbeln, eine Beziehung auf Augenhöhe, etc. pp.“
Der Mensch wird zum Objekt
Diese Liste lässt sich ins unermessliche erweitern. Wir haben jede Menge Ansprüche und Kriterien, die der andere erfüllen muss – ich nenne das auch so gerne den Kriterienkatalog. In der Partnerwahl fällt mir auf, dass wir uns häufig nicht mehr als Menschen wahrnehmen, sondern als Objekte, als wären Menschen eine Art Ware, was in Zeiten des Online-Datings auch verständlich ist.
Wer in dem Modus den Anspruch hat, jemanden auf Augenhöhe finden zu wollen, der müsste sich selbst dann gerne auch vom anderen zum Objekt machen lassen, also jemanden begegnen, der auch einen großen Kriterienkatalog als Beispiel mitbringt – dass es dann nicht mehr um dich geht, sondern um die Bedürfnisse und Ansprüche des anderen, macht diese Begegnungen noch unattraktiver und verkopfter und man wird frustrierter und verschlossener.
Der Preis, den wir zahlen, Menschen wie Objekte zu betrachten, durch den Filter unseres Kriterienkataloges, ist der, dass wir eine sehr kleine Öffnung schaffen für Begegnungen, woraus sich eine Partnerschaft entwickeln könnte. Und dann packen wir noch den Anspruch darauf, dass direkt ein Verliebtheitsgefühl sich einstellen darf, das Kribbeln im Bauch - und die kleine Öffnung wird noch kleiner – bis hin zu unmöglich und 22,69 Mio. Singles in Deutschland reichen nicht mehr aus, um dann den oder die Gute/n zu finden. Weil kaum eine/r unseren Kriterien entspricht.
Die Frage ist: Bei wem fühle ich mich wohl?
Was wäre, wenn die Lösung wäre, sich zu fragen, bei wem habe ich mich wohlgefühlt anstatt wer entspricht meinem Kriterienkatalog? Sich zu fragen, was können wir gemeinsam erschaffen, wer könnten wir sein, anstatt sich zu fragen, wer ist der oder die andere? Was wäre, wenn nicht erst das Verliebtheitsgefühl kommt und dann das Wohlfühlen, sondern durch das Wohlfühlen das Verliebtheitsgefühl? Was wäre, wenn die Antwort nicht im Kopf liegt, nicht im Denken, sondern im Herzen, im Fühlen, im Sein?